22.12.2017
Innogy Chef Terium gefeuert und die Folgen
Innogy, die RWE-Tochter fürs Erneuerbare, hat sich am Dienstag Knall-Fall von ihrem Vorstands-Chef Peter Terium getrennt. Donald Trump hätte wohl gesagt, Terium, You‘re fired. Der Aufsichtsrat sprach in seiner diplomatischer formulierten Mitteilung von Differenzen in der Unternehmensstrategie. Erst vor ein paar Tagen hatte Terium die Gewinnprognose von Innogy für 2017 kappen müssen. Die Gewinnwarnung schien auf den ersten Blick nicht besonders dramatisch. Man rechne für 2017 nur noch mit einem Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) von 2,8 Mrd. Euro, rund 100 Mio. Euro weniger als ursprünglich gedacht. Aber die Tatsache, dass Innogy auch für 2018 von einem weiteren Rückgang um 100 Mio. Euro ausging und damit lediglich einen Nettogewinn von 1,1 Mrd. Euro schaffen dürfte, hat vor allem die kommunalen RWE-Aktionäre auf die Barrikaden getrieben. Denn vor allem die verschuldeten Kommunen des Ruhrgebietes sind dringend auf ihre Dividenden angewiesen. Die schlechte Prognose für 2018 enttäuschte die Aktienanleger so sehr, dass die Innogy-Aktie am ersten Tag um 13 Prozent abstürzte und danach im Keller blieb. Mehr noch, sie hat gleich die Aktie der RWE Mutter um 17 Prozent mit nach unten gerissen. Zusammengefasst, so die Botschaft, werden die Ergebnisse des einst so hochgelobten Unternehmens auch im dritten Jahr seit der Gründung stagnieren.
Was wie ein Streit zwischen dem Mutterkonzern RWE und seiner Tochter Innogy um einen „höheren Stellenwert der Kostendisziplin und einer fokussierten Wachstums- und Investitionsstrategie“ dargestellt wird, hat einen viel grundsätzlicheren Hintergrund. Mit der Konzernaufspaltung im Jahr 2016 hatte sich der Konzern aus seiner existenzbedrohlichen Krise befreien wollen. Innogy sollte das Geschäft mit der Energiewende samt Netzen, also den Sparten Erneuerbare Energien, Vertrieb und Netz, übernehmen. Die Kopfgeburt Innogy wurde mit neuem Image und befreit von der Last der notleidenden Kohle- und Gaskraftwerke als die Zukunftsperspektive des schwächelnden Energieriesen gepriesen und an die Börse gebracht. RWE selbst sollte das alte schmutzige Geschäft mit den konventionellen Kraftwerken sowie den Großhandelsbereichen, notfalls bis zum bitteren Ende einer Insolvenz, weiterführen. Doch wie sich schon nach zwei Jahren herausstellt, funktioniert der einst hochgelobte Plan nicht. Weder kommt die alte RWE mit ihrer Kohle zurecht - der Ausstieg aus der Kohleverstromung ist inzwischen ein bundesweit heftig diskutiertes Thema - noch läuft die Brückentechnologie Gaskraftwerke wie erhofft.
Für den Ausbau des Photovoltaik-Geschäfts hatte die RWE-Tochter Innogy etwa das deutsche Solar-Unternehmen Belectric gekauft. Um das weitere Wachstum der Bereiche Elektromobilität, Photovoltaik und Glasfasernetze insgesamt voranzutreiben, plante Terium, die Investitionen für 2018 um mindestens 25 Prozent gegenüber dem laufenden Jahr auf über 3 Mrd. Euro zu erhöhen. Erst im September hatte Peter Terium seine „4P-Unternehmensstrategie bis 2025“, verkündet, doch diese langfristig angelegten Wachstumsambitionen scheinen nicht nur den kommunalen Aktionären, sondern wohl auch den traditionellen Energiepolitikern zu unsicher. Denn auch wenn in der Energiewendebewegung die Flaggen inzwischen auf Halbmast stehen, weil die PV-Zuwachsraten im Keller sind und dies wohl auch für die Windenergie zu erwarten scheint, bedeutet dies nicht automatisch, dass es den Fossilen gut geht.
Im Gegenteil. Die vor allem von RWE initiierte Energiepolitik der großen Koalition unter Merkel hat konzeptionell die Erneuerbaren nicht nur gedeckelt, sondern glaubt, sie in die bestehende Netzstruktur zwingen zu können. Anstatt Fortsetzung der Innovationen bei Solar, Wind, Biomasse und Geothermie wird mit der Netzpolitik ein Gefängnis gebastelt, das zum einen natürlich die Dezentralisierung verhindert, zugleich aber auch ökonomische Zwänge hervorruft, die alle Erneuerbaren schädigt. Also auch die RWE Innogy und Eon Uniper, den anderen Bastard aus dem fossilen Imperium. Diesen Widerspruch scheint Peter Terium unterschätzt oder überhaupt nicht gesehen zu haben, was ihm jetzt den Kopf gekostet hat.
Auch wenn es vielleicht noch zu früh scheint, sich in Prognosen zu ergehen, könnte es durchaus so sein, dass der Rauswurf von Peter Terium die Hardliner der fossilen Energiewirtschaft ermutigt, für sich die gleichen Perspektiven zu entwickeln, wie sie von Trump und den amerikanischen Energiemonopolen angepeilt werden. Öl, Gas und Kohle sei genügend und für Generationen da und verspreche märchenhafte Profite, ... scheiß auf den Klimawandel. Warum sich also mit solch kleinteiligen und demokratielastigen Solartechnologien befassen, statt sie über Bord zu werfen? In Deutschland sind die Energiewende und ihre Protagonisten tatsächlich so weit geschwächt, dass es den Kohlenstoffanhängern durchaus attraktiv erscheinen könnte, sich der Erneuerbaren entledigen zu wollen. Ökonomischer Druck auf der einen und das Vorbild vom großen Bruder Trump auf der anderen Seite könnten die Blaupause liefern. Dies wird sich recht schnell bei den anstehenden Verhandlungen über die Fortsetzung der GroKo herausstellen.
Klaus Oberzig
Handelsblatt 21.12.2017: Ein Brief brachte Terium zu Fall