22.09.2017
Wasserstoff im Lkw: Sauber weit und sicher fahren mit LOHC
Für kurze Distanzen und geringe Lasten Elektroautos – für den Personen- und Gütertransport auf weiteren Strecken Wasserstoff-Lkw und –Busse mit LOHC-Tanks. Das schlagen Prof. Wolfgang Arlt und seine Mit-Autoren in der Machbarkeitsstudie „Wasserstoff und Speicherung im Schwerlastverkehr“ als Straßen-Verkehrskonzept der Zukunft vor.
Egal, ob der in LOHC gebundene Wasserstoff (H2) zentral im Hydrolyseur am Windpark in der Nordsee, am Solarkraftwerk in der Sahara oder dezentral an der Tankstelle vor Ort bereitgestellt wird: LOHC ist auf jeden Fall sicherer zu lagern und zu transportieren als die wesentlich bekannteren H2-Nutzungsarten in flüssiger oder Hochdruck-Form. Gerade die Explosionsgefahr von H2-Tanks wurde bislang oft als Argument gegen den per Elektrolyse herstellbaren, im Verbrauch sauberen Energieträgers H2 genutzt. Wird er mit Hilfe von Strom aus Sonnen- oder Windkraftwerken erzeugt, dann gilt er als emissionsfrei. In der Studie der Friedrich-Alexander-Uni Erlangen-Nürnberg, weisen die Autoren um Wolfgang Arlt auf diesen Vorteil besonders hin. Aus Wasser gemacht, wird er wieder zu Wasser, ohne messbare Schadstoffe.
Und weil „die H2-beladene LOHC-Flüssigkeit auch importiert werden kann, z.B. aus Nord-Afrika, Island oder Kanada, können auf diese Weise die weltweit günstigsten Standorte für die Erzeugung regenerativer Energie für die emissionsfreie Mobilität in Deutschland genutzt werden“. Ein Punkt, der mit der Kritik aufräumt, 100 Prozent E-Mobilität wäre wegen der hierzulande begrenzten Stromerzeugungskapazitäten unrealistisch. E-Mobilität mit H2? Sicher. Klar, man denkt zunächst an Wasserstoffnutzung in einem Verbrennungsmotor. Aber H2 eignet sich genauso als Antriebsmittel für Brennstoffzellen (BZ). Und auch BZ können Lkw oder Busse antreiben – natürlich über einen zusätzlich nötigen Elektromotor. Nicht zuletzt haben das die FAU-Forscher in ihrer Studie errechnet.
Dieser Tage fand in Nürnberg ein Workshop statt, an dessen Ende die Frage stand: Wie könnten die Ergebnisse der Untersuchung in einem Modellprojekt überprüft werden? Zuvor hatte Klaus Bonhoff von der NOW GmbH Berlin, der „Nationalen Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie“ in seinem Vortrag immerhin bekundet: „Nicht Batterie (B) oder BZ, sondern B und BZ werden kommen“ bei der Elektromobilität. Und er hob hervor: „LOHC ist für weitere Entfernungen eine gute Technologie.“
Die NOW ist vom Bundesverkehrsminister mit diesem Thema beauftragt, ist also auch zuständig für Projektförderung. Bislang war Bonhoff als Sprecher der Geschäftsführung offensichtlich zurückhaltender, wenn es um mögliche Zuschüsse von Mobilitätskonzepten mit flüssigkeits-gebundenem H2 ging. Kein Wunder also, dass die anwesenden Firmen- und Forschungsvertreter nach Tagungsende ihre Köpfe zusammensteckten, um mögliche Kooperationen auszuloten.
Für die Studie hatte Prof. Arlt zwar schon „eine ganze Reihe von Beteiligten an Bord gehabt. Aber jetzt brauchen wir Eigeninitiative von Firmen“. Damit meinte er: klare Mitarbeitszusagen. Am liebsten wäre ihm wohl, einzelne Konsortien würden sich um Arbeitspakete kümmern. Als Beispiele nannte er (Betankungs-)Infrastruktur, H2-Verbrennungsmotor, Brennstoffzelle oder Freisetzer. „Wenn die Firmen das nicht wollen, wird nichts passieren. Aber einige haben sich schon gemeldet“, gab sich Arlt hoffnungsfroh.
Wasserstoff-Fahrzeuge haben gerade bei Herstellern in Asien heute schon einen höheren Stellenwert als bei den deutschen. Das erläuterte der FAU-Forscher an Hand von H2-Bussen aus China („da wollen wir in Berlin einen mit LOHC zum Laufen bringen“). Auch verwies er auf den Toyota Mirai, das erste H2-Auto in Großserie. Allein von dem sollen 100 Stück beschafft worden sein, bezuschusst durch das hiesige „Nationale Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP)“.
Peter Wasserscheid, der Leiter des Helmholtz-Instituts Erlangen-Nürnberg für Erneuerbare Energien (HI ERN) und ebenfalls FAU-Professor, fährt selber mit Begeisterung einen Mirai. Außerdem ist er einer der wichtigsten LOHC-Promoter. Derzeit habe sein Kollege „den Auftrag, dieselelektrische Züge auf LOHC umzustellen“, verriet Arlt.
Außerdem forscht Wasserscheid aktuell intensiv an der LOHC-Brennstoffzelle. Diese vereint die Funktionen des H2-Freisetzers und der BZ; die sind bisher getrennt. „Unsere LOHC-BZ ist noch nicht verkapselt, aber sie ist nicht schlechter als eine H2-BZ“, beschreibt er den aktuellen Zustand seines Forschungsstücks. Dessen Vorteile: Nicht nur, dass das Volumen kleiner ist als das der beiden Einzelkomponenten. Es entsteht auch kein freier H2; die Gefahr von Explosionen wäre damit komplett gebannt.
Anders als beim E-Auto, dessen Ladevorgang recht lange dauert, gehe das Betanken mit H2 oder LOHC recht schnell, so Wasserscheid. Dass es nur wenige Zapfsäulen gibt, müsse sich natürlich ändern. Auch ist bei LOHC ein Problem noch ungelöst, an das man im ersten Moment kaum denkt: Der gespeicherte Wasserstoff kann nicht so einfach gemessen werden wie Benzin, das durch den Tankschlauch fließt. Hier ist die Abstimmung mit den zuständigen Behörden und Ämtern noch nicht abgeschlossen.
Aber auch das sei zu schaffen, wenn die Industrie ihren Willen bekunde, LOHC voranzutreiben. Die Wissenschaft stehe bereit: „Der Nachweis, dass es einen regenerativen Energieträger für Lkw und Busse gibt, den haben Sie nun vorliegen“, fasste Prof. Wolfgang Arlt zusammen. „Was meinen Sie, was passiert, wenn Peter Wasserscheid seine 70 Forscher fokussiert? Da bewegt sich was!“
LOHC
LOHC - liquid organic hydrogen carriers – sind organische Verbindungen, die Wasserstoff (H2) durch chemische Reaktion aufnehmen und wieder abgeben können.
Die Energiedichte von H2 im LOHC ist maximal halb so hoch, wie die in Diesel gespeicherte Energiemenge. Doch anders als Diesel wird der LOHC bei der Nutzung des H2 nicht „verbraucht“, sondern verliert nur wenige Prozent seines Volumens und Gewichts durch den freigesetzten H2. Im Umkehrschluss: Um bei gleichem Verbrauch die gleiche Strecke zurückzulegen, ist ein doppelt so großer LOHC-Tank notwendig.
Im Gegensatz zu Flüssig- oder Druck-H2 ist LOHC nicht als Gefahrgut eingestuft, weil der H2-Trägerstoff nicht explodieren kann.
Heinz Wraneschitz
Lkw-H2-Studie der Uni Erlangen: