21.07.2017
Im Gespräch mit Josef Göppel
Dezentral viel erreicht
Josef Göppel: Nach 16 Jahren im Bundestag und vorher einigen Jahren im Bayerischen Landtag bewirbt sich der CSU-Abgeordnete aus Herrieden bei Ansbach im Herbst nicht mehr um ein Bundestagsmandat. Doch ganz zieht er wohl doch nicht aus der Politik zurück. Unsere Redaktion sprach am 10. Juli mit dem „Grünen Gewissen“ der CSU.
Frage: Nach 16 Jahren Bundestag und zuvor einer Landtagstätigkeit ist bei Ihnen nun offiziell Politik-Rente angesagt. Kommt nun ein Loch?
Göppel: Für den Ruhestand fühle ich mich noch nicht in der richtigen Stimmung. Mit 67, nach vier Wahlperioden im Bundestag ist ein guter Zeitpunkt, um etwas anderes zu machen. Ich werde Entwicklungsminister Gerd Müller bei seiner Energiestrategie in Afrika unterstützen. Das ist ein ehrenamtlicher Posten, nicht ständig unterwegs, aber weiterhin aktiv.
Frage: Worum geht es dabei?
Göppel: Um konkrete Energiepartnerschaften mit Afrika. Die Vision ist: Wir bilden Afrikaner in Elektrotechnik aus. Die Absolventen erhalten Starthilfe für Unternehmensgründungen. Die Afrikaner sollen das Endkundengeschäft mit Solarzellen selber machen. Und ganz wichtig: Diese Kleinunternehmer sollen persönliche Kontakte zu deutschen Organisationen bekommen, zu Energiegenossenschaften, Verbänden, aber auch zu Kirchengemeinden.
Frage: Was soll das bringen?
Göppel: Partnerschaft ist das Schlüsselwort, darin liegt der Hauptzweck. Solche Beziehungen können über Jahrzehnte wirken. Und sie sind ein Alternativkonzept zu großen Investitionen von außen, wie sie inzwischen die Konzerne auch für Afrika anstreben. Nehmen Sie das Beispiel Desertec. Die ländlichen Gebiete Marokkos haben nichts davon. (Desertec – Strom aus der Wüste für Europa; d.Red.)
Frage: Aber nicht nur in Afrika, auch bei uns in Deutschland muss ja etwas passieren. Wie kommt es hier schneller zur dezentralen Energiewende?
Göppel: Die Eigenversorgung mit Strom darf nicht länger politisch behindert werden. Auf der anderen Seite muss sich dazu jeder Bürger gut überlegen, wieviel Strom er in der kältesten Winternacht noch aus dem Netz braucht. Diese Leistung muss er das ganze Jahr über bezahlen.
Frage: Für solche Regelungen braucht es aber Politiker im Bundestag, die das voranbringen. Ist mit Ihrem Ausscheiden das Energiethema in der CSU-Landesgruppe, in der Unionsfraktion überhaupt noch vorhanden?
Göppel: Ich habe schon das Gefühl, dass Leute nachwachsen, die das Thema ernst nehmen. Aber es gibt immer noch viel strukturkonservatives Denken in den alten zentralistischen Großstrukturen der Wirtschaft. Wer so denkt, hat es mit dem Umbruch der Energiewende schwer.
Frage: Was passiert mit Ihrer Funktion als Sprecher des AK Umwelt der CSU? In Wikipedia steht schon in der Vergangenheitsform: „Göppel wurde auch als „grünes Gewissen der CSU“ tituliert.“
Göppel: Den AKU-Vorsitz gebe ich im November ab. Seit 1991 stand ich an der Spitze, vorher war es Alois Glück.
Frage: Effizienter Umgang mit Energie ist heute fast selbstverständlich. Trotzdem konnte der Anstieg des Energieverbrauchs durch Effizienzmaßnahmen bislang nicht gebremst werden, die Klimaschutzziele sind in weiter Ferne. Und auch die Erneuerbaren haben Grenzen. Deshalb setzt die DGS auf die drei Säulen der Nachhaltigkeitsstrategie: Suffizienz - Effizienz – Konsistenz. Was ist Ihre Meinung dazu?
Göppel: Dem stimme ich zu. Statt „Efficiency first“ sollte es besser heißen: „Suffizienz mit Erneuerbaren“. Das hat einen direkten Zusammenhang mit dem Rohstoffkreislauf, wie das Beispiel 3D-Druck zeigt: Man produziert künftig Industrieteile nicht mehr im Voraus, sondern nur bei konkretem Bedarf. Transportiert werden virtuelle Dateien statt materieller Produkte.
Frage: Können Sie erkennen, dass die Politik das Thema „Energiewende“ inzwischen nicht mehr als Strom-, sondern als echte Energiewende begreift, also Sektorenkopplung für sie zur Normalität wird?
Göppel: Sektorenkopplung in der jetzigen technologischen Phase lebt nur vom Überschussstrom. Bremsend wirkt, dass die „Alten“ Energiekonzerne die Erneuerbaren wieder unter ihre Fittiche bekommen wollen. Dieses Denken steckt auch noch in den Köpfen vieler Koalitionspolitiker. Für viele gilt immer noch „größer ist besser“. Solche Abgeordnete haben Angst, das dezentrale Element sei nicht kontrollierbar.
Frage: Ein kaum beachtetes Thema ist die Wärmewende. Wie wichtig ist die für Sie? Welche Maßnahmen müssen ergriffen werden und was läuft falsch?
Göppel: Wir brauchen hier einen hoheitlichen Ansatz als Basis. Da reichen nicht nur finanzielle Anreize. Nehmen Sie Baden-Württemberg: Dort gibt es ein Landesgesetz zur erneuerbaren Wärmeversorgung, und viel mehr Erneuerbare Wärme als in den anderen Bundesländern. Baden-Württemberg ragt hier deutlich heraus.
Frage: Ganz anderes Thema: Mittelfranken. Warum wurden wir (Mittelfranken) nicht Zukunftsenergieregion des Bundeswirtschaftsministeriums? Die Voraussetzungen gerade im Verteilnetz waren doch optimal.
Göppel: Das ist für mich eine große Enttäuschung. Doch als das entschieden wurde, war die Positionierung der N-ERGIE (Verteilnetzbetreiber und Energieversorger in Mittelfranken. D.Red.) noch nicht klar. Inzwischen steht die N-ERGIE für das dezentrale, zellulare Prinzip. Ich finde es gut, dass der Vorstand Josef Hasler die N-ERGIE zum Vorreiter der zellularen Energiewirtschaft gemacht hat. Der achtgrößte detsche Energiekonzern ist damit konzeptioneller Meinungsführer.
Frage: Sie prangern den in Ihrem Heimatort Herrieden geplanten neuen Gewerbepark an. Warum?
Göppel: Eine Fabrik will neben ihrem Werksgelände ein Werk II errichten. Sie hat in 50 Jahren 22 Hektar überbaut. Jetzt sollen auf einen Schlag nochmal 25 ha dazu kommen. Dabei gibt es ein Angebot der Nachbargemeinde Aurach, einen Zweckverband für das Gewerbegebiet an der Autobahnausfahrt zu gründen. Dort gibt es sogar die Möglichkeit einer Direktbelieferung mit Solarstrom, von einer großen Photovoltaik-Anlage nebenan.
Frage: Aber diese Solaranlage steht doch am Boden, verbraucht also auch Fläche. Sollten wir nicht zuerst die Gewerbedächer mit PV vollstellen?
Göppel: Der Boden unter Solarflächen ist für die Natur nicht verloren, im Gegenteil. Dort entwickelt sich eine Vielfalt an blühenden Pflanzen und Kleingetier. Aber mit dem neuen Mieterstromgesetz werden Solaranlagen auch auf Dächern wieder lohnend.
Frage: Abschlussfrage: Nach so vielen Jahren Bundestag, und vorher waren Sie ja auch schon im Landtag: Was haben Sie erreicht – persönlich? Für die Umwelt? Für die Regenerativen Energien?
Göppel: Die Verankerung einer breiten Bürgerbeteiligung in der Energiewende sehe ich als wichtigsten Erfolg.
Herr Göppel, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Die Fragen an Josef Göppel stellte Heinz Wraneschitz.