20.10.2017
Sunowe und der Zollbetrug: Module abschrauben ist möglich
Zwei aktuelle Verfahren in Nürnberg zeigen: Zollfahndung und Staatsanwaltschaften sind chinaorientierten Solarfirmen auf der Spur, welche die EU-weit geltenden Mindesteinfuhrpreise (MEP) nicht einhalten. Doch auch deren Kunden könnten eine Überraschung erleben.
„2014 haben wir der EU-Kommission 1000 Seiten Belege für Preise unter MEP gegeben. Ich bin sehr froh, wenn sich jetzt erste Ergebnisse zeigen.“ Milan Nitzschke vom europäischen Hersteller- und Installateurverband EU Pro Sun nennt dabei keine Namen. Doch nun wurden zwei dieser „ersten Ergebnisse“ in und um Nürnberg öffentlich. Ein Zollbetrugsverfahren um Solarmodule von Risen Energy endete kürzlich mit Bewährungsstrafen von jeweils 16 Monaten für zwei „Mitläufer“. Die schriftliche Urteilsbegründung liegt nach Gerichtsangaben noch nicht vor. Zudem konnte der für die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth (STA) „Hauptverantwortliche noch nicht festgenommen werden“.
Ebenfalls in Franken hat laut Zoll-Angaben die Firmengruppe Sunowe Photovoltaic ein „Betrugskartell mit Solarmodulen“ betrieben. Auch hier soll gegen die MEP verstoßen worden sein. Bei Sunowe soll sich der „hinterzogene Zoll“ auf 30 Mio. Euro summieren. Um das zu beweisen, hat die Zollfahndung letzte Woche 14 Geschäfts- und Wohnräume durchsucht. Seitdem sitzen drei Personen in U-Haft, darunter ein Stellvertretender Landrat. Auf dem Briefkasten des Firmensitzes steht „Sunowe Photovoltaic“ und ein weiteres Dutzend Firmennamen der Gruppe.
Offenbar günstige Solarmodulpreise sowie das Sunowe-Versprechen, „unsere Module lagern wir in Deutschland und können diese direkt ab Lager verkaufen. Der Kunde schließt seine Verträge mit einer deutschen Gesellschaft, gerne in deutscher Sprache und alle Bestimmungen unterliegen deutschem Recht“ lockten viele, „Chinesische Qualitätsmodule zum attraktiven Herstellerpreis direkt ab Deutschland“ zu kaufen. Zumal „Bestellung und Garantieabwicklung nach deutschem Recht in deutscher Sprache“ stattfände, wie auf der Sunowe-Webseite zu lesen ist.
Überkapazitäten und Finanzspritzen
Wie dieser „attraktive Herstellerpreis“ zustande kommt, erklärt sich Verbandspräsident Nitzschke so: „Die chinesische Regierung finanziert zuerst Überkapazitäten im eigenen Land und danach mit Staatsbankkrediten den Export zu Dumpingpreisen“. Deshalb hatte EU Pro Sun einst einen 50-prozentigen Strafzoll erhofft. Die EU aber hatte Ende 2013 nur einen Mindestpreis von 56 Cent pro Solar-Watt festgelegt, der bis Ende 2016 galt. Vor der MEP-Festlegung waren Module für unter 50 C/W verkauft worden.
Wenn die Vorwürfe der STA stimmen, hat Sunowe den MEP-Aufschlag von wenigen Cent wohl umgangen. So konnte der „von China aus agierende Produzent seine Solarmodule günstig auf dem deutschen Markt platzieren“, ergänzt der Zoll. Was ein anonym bleibender Solarinstallateur aus Franken so kommentiert: „Wir haben uns schon gewundert, wie die ihre Anlagen so billig anbieten konnten.“
Sachhaftung: bekommen Kunden Probleme?
Doch nicht nur Hersteller, Importeure und Händler von falsch verzollten Modulen, sondern auch Endkunden müssen Konsequenzen fürchten: „Sachhaftung“ heißt der § 76 der deutschen Abgabenordnung. Dort steht: „Verbrauchsteuer-, einfuhr- und ausfuhrabgaben-pflichtige Waren dienen ohne Rücksicht auf die Rechte Dritter als Sicherheit für die darauf ruhenden Steuern.“ Die Finanzbehörden könnten also grundsätzlich auch Module bestehender PV-Anlagen abschrauben lassen, um an hinterzogene Abgaben zu kommen.
Tristan Wegner von O&W Rechtsanwälte in Hamburg hat zwar „noch keinen Fall gehabt, wo Module abgeschraubt wurden. Aber auf diesen Risikopunkt weisen wir unsere Mandanten explizit hin.“ Die Einschätzung des auf Zollvergehen spezialisierten Juristen: „Der Käufer fährt ein gewisses Risiko. Auch wenn er verzollte Module kauft, ist er noch lange nicht auf der sicheren Seite. Denn er ist davon abhängig, dass sein Lieferant ordnungsgemäß verzollt hat.“
Im Fall Sunowe wurden die Solarmodule nach Behördenangaben in „Energie- und Solarparks im gesamten Bundesgebiet sowie im europäischen Ausland“ geliefert. „Die Einhaltung des MEP wurde lediglich vorgetäuscht und durch verschleierte Rückzahlungen oder Manipulation von Montage- und Zubehörkosten unterschritten“, schreibt der Zoll. Sprich: Zuerst dürften höhere Preise abgerechnet und später durch Gutschriften ausgeglichen worden sein. Milan Nitzschke erklärt zwar: „Dass der deutsche Zoll hier tätig wird und geltendes Recht umsetzt, ist bitter notwendig, um noch mehr Schaden zu verhindern.“ Doch schießen die Behörden dabei auch über das Ziel hinaus? „Seit einiger Zeit spielt der Zoll verrückt. Da werden schon mal Container in Häfen gesperrt, auch wenn dafür Einfuhrgenehmigungen vorliegen“, erklärt uns jedenfalls ein anderer alteingesessener fränkischer Solarunternehmer unter der Hand.