20.07.2018
Was machen Audi-Hybrid-Autobatterien im zweiten Leben?
Ein Speicher aus Audi-Hybridauto-Batterien stabilisiert das Stromnetz in der Marktgemeinde Wendelstein im Landkreis Roth: In der „großen“ Politik wird immer noch diskutiert, ob neue Hochspannungsleitungen oder Speicher die beste Lösung für die Stromenergiewende in Deutschland sind. Deshalb traf Bürgermeister Werner Langhans mit seinem Freud´schen Versprecher den Nagel auf den Kopf: „Polit–, ääh Pilotfunktion“ haben die zwei Container mit 84 Batteriepacks, die vorher in Hybrid-Modellen der Marke Audi je 200.000 km auf Straßen unterwegs waren.
Warum „Speicher oder Leitung“ bis heute eine offene Frage ist, hängt auch damit zusammen: Woher Stromspeicher nehmen? Neue werden großteils in Autos und für die solare Selbstversorgung von Einfamilienhäusern oder Firmen gebraucht. Deshalb wird oft vorgeschlagen - zumindest so lange die Herstellmengen zu gering sind - Batterien aus Elektroautos noch einmal zu verwenden. Denn laut Rainer Mangold, beim Autobauer Audi für die Nachhaltige Produktentwicklung zuständig, weisen die Akkus nach dem 200.000 km-Einsatz immer noch 80% ihrer ursprünglichen Kapazität auf. Viel zu gut also, um sie bereits in die Recycling-Anlage zu geben.
Neben Batterielieferant Audi gehören Gemeindewerk, Netzbetreiber und Projektgesellschaft dem fränkisch-bayerischen Konsortium an, welches nun das Wendelsteiner Beispielprojekt örtlichen Anwohnern, interessierten Unternehmen und der Öffentlichkeit vorstellte. Es habe „bayernweite, ja gar bundesweite Ausstrahlung“ hieß es.
„2nd Life“, nennen die Techniker von Audi die Anwendung. Sie wollen den mit einer Sicherheitshülle umgebenen Akkus aus ihren Hybridmodellen A3 und Q7 künftig ein zweites Leben ermöglichen. Hier machen sie das erstmals gemeinsam mit Covalion. Wem der Name nichts sagt: Framatome, vormals Areva, mit deutschem Hauptsitz Erlangen, projektiert und vermarktet unter dieser Marke seit Anfang des Jahres genau solche 2nd-Life-Speichersysteme.
Finanziert wurde das Modellprojekt von Bürgerinnen und Bürgern der Ortschaft. Die haben insgesamt 1,4 Mio. Euro bei der „Gemeindewerke Wendelstein Bürgerkraftwerk GmbH“ GWBK angelegt. Die GWBK wiederum hat mit dem Geld zuerst eine Freiflächen- Solarstromanlage und nun den Batteriespeicher auf die Beine, in diesem Fall in das Gewerbegebiet „Am Kohlschlag“ gestellt.
Damit die GWBK den Investoren die versprochene jährliche Rendite von 2,5 Prozent auszahlen kann, braucht sie Einnahmen. Die erzielt die Tochter der Gemeindewerke und der Nürnberger N-Ergie AG hier aus der Vermarktung so genannter „Primärregelleistung“. Der Speicher speist Strom ins oder entnimmt Strom aus dem Netz. So wird dessen Frequenz stabilisiert, zum Beispiel, wenn Sonnen- oder Windkraftwerke gerade zu wenig oder zu viel Energie liefern. Weil Batterien das sehr schnell können, gibt es für diese Dienstleistung von den Stromnetzbetreibern gutes Geld. Damit bezahlt die GWBK die Verzinsung. Und nach 10 Jahren erhalten die Anleger ihr angelegtes Kapital wieder zurück, wie es heißt.
Neu ist bei diesem Projekt aber nicht nur die Bürgerfinanzierung. Laut Audi-Mitarbeiter Rainer Mangold bleiben die gesamten Batteriezellen in jenen Hüllen, die sie bereits im Auto geschützt haben. Üblich sei bisher gewesen, die Einzelzellen für stationäre Speicher komplett neu zu verschalten. Mit der Elektronik seiner Firma werde dieser Zwischenschritt überflüssig, erläuterte Karsten Dressbach von Covalion. 20 Jahre sollen die Autospeicher nun ihr zweites Leben leben, bevor sie im „Dritten“ komplett recycelt werden. Garantiert wird auf jeden Fall von Covalion die Leistung des Systems von 500 Kilowatt (kW) für 10 Jahre. Mit der gespeicherten Energie von 1.000 Kilowattstunden (kWh) könnten theoretisch 100 Haushalte einen Tag lang mit Strom versorgt werden, hat die N-Ergie ausgerechnet.
Laut Covalion-Projektleiter Martin Gattnar erzielt der Speicher in Wendelstein im Durchschnitt einen Gesamtwirkungsgrad für Laden und Entladen von etwa 90 Prozent. Der elektrische Aufbau der Anlage: Die Batteriemodule haben eine Ausgangs-Gleichspannung (DC) von ca. 380 V. Zusammengeschaltet sind alle 84 Akkus in einem Zwischenkreis mit 800 V DC. Daraus wird die netzkonforme Wechselspannung (3 x 400) V der Frequenz 50 Hertz erzeugt. Über einen eigenen Trafo der Leistung 800 kVA ist das System mit dem 20 kV-Netz verbunden.
Durch die Verwendung der fertigen Batteriemodule soll das Covalion-System im Übrigen sehr variabel und flexibel sein: Demnächst werde im VW-Hauptwerk ein größerer Speicher aufgestellt. Die Akkus sollen aus dem VW E-UP stammen, heißt es aus Firmenkreisen.
PS: Auch auf ein drittes Leben müssen sich die Batterien bereits einstellen. Sollten sie für Wendelstein nicht mehr gut genug sein, werden sie komplett aufgearbeitet, möglicherweise sogar zu Neuware. Denn die verwendeten Rohstoffe sind viel zu wertvoll, um sie in Mülldeponien zu entsorgen.