04.05.2018
Die Fronten werden deutlicher
Im ersten Musterprozess des Solidarfonds „Nullverbrauch“ ist im März in der ersten Instanz – am Amtsgericht München – ein Urteil ergangen. Auszüge aus dem Urteil und eine kurze Besprechung werden wir unter www.nullverbrauch.de veröffentlichen. Die Klage eines Solaranlagenbesitzers mit marginalem Verbrauch (wenige kWh im Jahr) gegen EON wurde erst einmal abgewiesen.
Die Urteilsbegründung ist enttäuschend. Die entscheidenden vom Musterkläger vorgebrachten Argumente zu den §§ 315, 138 und 242 BGB (Unbilligkeit, Sittenwidrigkeit, Treu und Glauben) zu prüfen hat das Gericht von vornherein ausgeschlossen. Es ist damit der Besonderheit, dass der für die Einspeisung ohnehin vorhandene Anschluss und Zähler nur marginal in Anspruch genommen, dies aber zu völlig unangemessenen Preisen monetarisiert wird, gar nicht weiter nachgegangen. Zwar unterlägen die Tarife bei Leistungen der Daseinsvorsorge durch Privatunternehmen einer Billigkeitskontrolle, hier könne der Anschlussinhaber aber Alternativtarife nutzen, daher seien die Tarife nicht durch das Gericht überprüfbar. „Wunschkonditionen“ müsse der Grundversorger nicht bieten.
Das ist unverschämt und geht an der Sache vorbei, da es zwar Alternativtarife mit geringeren Grundgebühren gibt, der Solaranlagenbesitzer auch in diesen Tarifen jedoch pro kWh bezogenen Strom mehrere Euro bezahlt hätte. Das Gericht übersieht dabei auch, dass der Abschluss eines Vertrages für den Anlagenbetreiber, der nicht einmal bewusst Strom entnimmt, keine zumutbare Alternative ist.
Rechtsanwalt Peter Nümann sagt dazu: „Wenn ein Parkplatzbesitzer für ein Wendemanöver auf dem Standplatz den Tagestarif abrechnet, ist das Abzocke, ebenso wie bei einer Abofalle. Denn die wirtschaftlich gar nicht ins Gewicht fallende Leistung wird in ein Geschäftsmodell gezwungen, dessen Vergütungsstruktur in einem eklatanten Missverhältnis zum Nutzen steht. Wenn ein Grundversorger einen marginalen Strombezug mit im Verhältnis dazu horrenden Grundgebühren belegt, die sich über 20 bis 30 Jahre Anlagenlaufzeit auf mehrere tausend Euro summieren, ist das nicht besser. Das Argument des Amtsgerichts, der Solaranlagenbesitzer könne sich am Markt beliebig mit Strom eindecken, der Grundversorger müsse keine ‚Wunschkonditionen“ bieten, ist in diesem Zusammenhang unverschämt und zynisch. Denn für Marginalien existiert, aus guten Gründen, kein angemessener Markt.“
„Wir geben natürlich nicht auf, sondern gehen wie geplant in Berufung“ sagt Rechtsanwalt Peter Nümann, Partner der Kanzlei NÜMANN + SIEBERT, die das Verfahren und den Solidarfonds betreut. Hierfür sind weitere Teilnehmer und finanzielle Unterstützung sehr willkommen. Das würde es ermöglichen, die Berufung mit mehr Aufwand zu betreiben und eventuell auch noch ein weiteres Verfahren anzustrengen, um mehr Teilaspekte der Problematik „marginale Verbrauch“ zu klären.
Die Teilnahme am Solidarfonds ist für Betroffene unabhängig vom Verlauf der Musterverfahren auf jeden Fall attraktiv. Jeder neue Teilnehmer erhält gegen Zahlung eines einmaligen Betrags von € 90,29 brutto umfangreiche Informationen zur Rechtslage bei Null- und Geringverbrauch und zu bereits bekannten Entscheidungen sowie Vorlagen und Textbausteine für die Korrespondenz mit dem Grundversorger. Die vorhandenen Teilnehmer erhalten Informationen zum Verlauf der Verfahren, unsere Schlussfolgerungen und Erfahrungen aus diesen Verfahren sowie sonstige Neuigkeiten rund um die Problematik Null- und Marginalverbrauch. Die Anmeldung ist möglich unter www.nullverbrauch.de.
Für den Nullverbrauch bleibt es übrigens dabei, dass keine Grundversorgung vorliegt. Dies ist bereits geklärt. Zu dieser Frage gibt es daher kein Musterverfahren. Zwar argumentiert z.B. E.ON auch hierzu, dass minimale Strommengen flössen und lediglich nicht zähler-technisch erfasst würden. Diese Argumente haben aber bisher keinen Erfolg, weder bei den Gerichten, noch bei der Clearingstelle EEG, noch bei der Schlichtungsstelle Energie. Die zu klärenden Fragen drehen sich daher um die Angemessenheit der gängigen Tarife mit Grundgebühren um 100 €, wenn nur wenige kWh verbraucht werden, um Beginn und Ende der Grundversorgung bei nur gelegentlichem Verbrauch und die Nachweispflichten für den Stromverbrauch.