20.04.2018
Hybride: Zukunft hat, wer die Fluktuation der Erneuerbaren beherrscht
Die Besonderheit der Betreiberkonferenzen, wie sie bislang vom Berliner Veranstalter Solarpraxis durchgeführt worden waren, bestand immer darin, dass Betreiber von PV- und Windanlagen die sie interessierenden Themen intensiv und branchenfokussiert diskutieren konnten. Auch bei der Konferenz in dieser Woche, am 16. und 17. April in Bremen beim Gastgeber Adlersolar, war das wieder so. Allerdings fand sie zum ersten Mal unter der Leitung von conexio statt. Auch wenn der neue Veranstalter mit dem bewährten Team durchs Programm führte, sei dies doch erwähnt, denn dass das Niveau gehalten wurde und man den Veranstalterwechsel vergessen ließ, ist durchaus bemerkenswert. Unter dem Motto „die Zukunft ist schon da“ moderierte Tina Barroso 18 Vorträge und Diskussionsrunden, die sich mit der aktuellen Situation der Branche nach knapp eineinhalb Monaten GroKo und den erforderlichen Weichenstellungen in Hinblick auf eine Zeit nach dem EEG befassten.
Mit seiner Keynote „Solar und Wind müssen es jetzt gemeinsam machen“ gab Kalle Remmers denn auch den Blickwinkel vor, unter dem die aktuelle Lage der Branchen zu sehen ist und in welche Richtung zukünftige Lösungen gedacht werden müssen. Dabei geht es um nicht weniger als um das Ende des bisherigen, singulären Technologieverständnisses von PV und Wind. Das, was in den Publikationen der DGS schon seit einiger Zeit diskutiert wird, war nun auch hier das bestimmende Thema der Betreiberkonferenz: Hybrid- oder Verbundlösungen von PV und Wind mit Integration von Batteriespeichern und Biogas. Dass es sich dabei nicht einfach um eine Addition bestehender Technologien und vor allem nicht um eine automatische Folge von Digitalisierung, sondern um die zentrale Frage eigenständiger neuer Geschäftsmodelle der mittelständigen Betreiber handelt, war das Ergebnis der Diskussion. Entgegen den Behauptungen von Regierung und Monopolunternehmen, die Zukunft der Energiewende sei das Netz, wurde herausgearbeitet, dass es tatsächlich um etwas substanziell anderes geht.
Wer beherrscht und überwindet die den Erneuerbaren innewohnenden Fluktuationen und, als logische Konsequenz, wo sollte dies geschehen? Im großen Verbundnetz unter der Oberherrschaft der großen Konzerne und Übertragungsnetzbetreiber oder bereits auf der Ebene der Erzeugung? Also auch und gerade in den Händen der mittelständigen PV- Und Windbetreiber? Diese Dienstleistung dürfe man nicht den Monopolunternehmen überlassen, sondern müsse sie zum eigenen Geschäftsmodell machen, so ein Fazit. Oder, um es drastischer auszudrücken: Das Geschäft der Stromerzeugung mit einem jeweils singulären Betrieb von PV- oder Windanlagen läuft mit dem EEG aus. Stromerzeugung alleine wird in der Zeit nach dem EEG ein Zulieferbetrieb, der in Abhängigkeit von denjenigen zu geraten droht, die das Verbundnetz beherrschen. Die Fusion von Eon und RWE lässt grüßen.
Die These, der Fluktuationsausgleich sei eine Angelegenheit der Netze und eine der vielbeschworenen Digitalisierung, stellt sich als Schimäre und als ein Monopolkonzept heraus. Digitalisierung ist lediglich Mittel zum Zweck und Leistungselektronik kein Spezifikum der Netzwelt. Verbund- und Hybridlösungen kann und wird es auch auf der Ebene der Erzeugung und in unterschiedlichen Ausprägungen geben. Das kann ein Verbundkraftwerk sein, das hinter einem Netzverknüpfungspunkt PV, Wind und Batteriespeicher zusammenfasst. Das kann aber auch ein kleines Stadtwerk sein, das seine singulären PV- und Windparks zu einer Hybridlösung „upgraded“ und so die Fluktuation beherrscht und zum Geschäft macht.
Durch und mit dieser neuen „Dienstleistung“ kann Strom planmäßig ins Netz eingespeist werden. Einerseits. Überschüsse, die sich aus bestimmten Wetterlagen ergeben, also die gefürchteten Fluktuationen, müssen andererseits nicht abgeregelt, also wirtschaftlich gesehen „vernichtet“ werden. Sie können gespeichert oder als neue und zusätzliche Geschäftsfelder für Power to Heat oder Power to Gas entwickelt und monetarisiert werden. Dabei sind Betreiber auch nicht auf das Verbundnetz angewiesen.
Deutlich wurde aber vor allem eines. In der Zeit des EEG hat es gereicht, den Strom in die große Kupferplatte Netz zu kippen. Daran haben auch virtuelle Kraftwerke nicht geändert, sie sind nur eine kommunikative Verbindung vorhandener EEG-Anlagen. Hybride hingegen bilden reale Verbundlösungen, die neue Geschäftsfelder hervorbringen werden. Sie werden den eigentlichen Kern der Dezentralisierung bilden und zugleich dem großen Verbundnetz einen Teil seiner vorherrschenden Bedeutung nehmen. Wer diesen Weg geht, hat eine Zukunft in und mit den Erneuerbaren Energien. Wer dies missachtet, wird als reiner Stromlieferant einer unsicheren Zukunft entgegen sehen.
Im weiteren Verlauf der Betreiberkonferenz wurden die sich daraus ergebende Fragen zum ersten Mal auf einer breiten Bühne durchdekliniert. Welche Kostenersparnis bringt ein gemeinsames Portfoliomanagement? Ist ein Repowering sinnvoll und wie soll es angesetzt werden? Auch die Frage der aktuellen Qualitätsprobleme wurde angesprochen. Wie lässt sich vorbeugen und vor allem, wie lässt sich mehr aus einer bestehenden Anlage herausholen? Angesprochen wurde auch, dass in der neuen Ära des „Solar und Wind müssen es jetzt machen“ neue gesetzliche Rahmenbedingungen erforderlich sein werden. Dass dies ein weites Feld darstellt und weder in eine zweitägige Betreiberkonferenz passt noch vom heutigen Standpunkt voll überblickt werden kann, war auch klar. Aber mit dieser Konferenz ist mehr als ein Anfang gemacht worden. Sie hat eine neue Etappe der Solarisierung eingeläutet.
Klaus Oberzig
Forschungsprojekt PV im Verbund
Zeitalter der Hybride, SONNENENERGIE 1|18
Erklärvideo Verbundkraftwerke