20.04.2018
Altmaier und die Trassen: Versprochen – bald gebrochen?
Ob Bundes-Wirtschafts- und Energieminister Peter Altmaier bewusst war, was sein Versprechen auslösen könnte? Er werde „alle problematischen Stromtrassen zu besuchen“, sagte er. Doch nun fordern Trassenkritiker aus vielen Orten ein, dass er sein hochoffizielles Besuchsversprechen auch wirklich einlöst. Sein Ministerium rudert bereits zurück.
Versprochen – bald gebrochen? Am 22. März gab Minister Altmaier (CDU) im Bundestag per Regierungserklärung zu Protokoll: „Ich verspreche Ihnen: Wenn ich ein halbes Jahr im Amt bin, werde ich jede problematische Leitung persönlich kennen und besucht haben.“ Als Reaktion des der Abgeordneten verzeichnet die Mitschrift „Heiterkeit“.
Dass der Energieminister ergänzte, „die Energiewende wird dann gelingen, wenn der Leitungsausbau vorankommt, und deshalb möchte ich ihn beschleunigen“, musste natürlich genau jene herausfordern, die als Alternative zu neuen Leitungen lieber dezentrale, erneuerbare Energiekonzepte sehen. Doch nur wenige von ihnen bekamen den Wortlaut Peter Altmaiers Regierungserklärung vom 22. März mit. Deshalb dauerte fast einen Monat, bis die ersten Gruppen das Besuchsangebot wörtlich nahmen und Altmaier zu sich einluden.
Gerade aus Franken hat er inzwischen bereits viele Einladungsschreiben erhalten, unter anderem von der Bürgerinitiative (BI) Seußen, der BI Brand, dem „Aktionsbündnis gegen die Südosttrasse“ mit Sitz in Altdorf, einzelnen Gegnern der Trasse P44mod, die in Nordbayern im Gespräch ist.
Unterstützt werden die kritischen Gruppen auch vom Nordbayerischen Energiekonzern N-ERGIE AG. „Die N-ERGIE nimmt die Aussage zur Kenntnis und begrüßt es, wenn aus der persönlichen Beschäftigung des Bundesministers endlich eine – dringend notwendige – ergebnisoffene Diskussion über die Notwendigkeit des überdimensionierten Übertragungsnetzausbaus erwächst“, heißt es in einer Stellungnahme. Für einen Treff mit dem Minister schlagen die N-ERGIE-Fachleute Arzberg vor. Genau wie Bayerns Freie Wähler (FW): Die haben den Minister inzwischen nach Arzberg eingeladen. Das wurde am Mittwochabend auf einem Treffen zwischen FW-Chef Hubert Aiwanger und nordostbayerischen Leitungskritikern vereinbart.
In Arzberg, dem Standort eines früheren Kohlekraftwerks, fanden bereits Demonstrationen gegen die Südosttrasse statt. Die Stadt im Fichtelgebirge ist im Übrigen auch Standort von „Smart Grid Solar“: Hier testet das Zentrum Angewandte Energieforschung ZAE Bayern, wie regenerative örtliche Versorgung funktionieren kann. Doch nicht nur im Süden Deutschlands: Nach unseren Informationen gibt es beispielsweise auch bereits Einladungen zu Standorten der geplanten „Ultranet“-Hochspannungs-Gleichstromleitung zwischen Osterath (NRW) und Philippsburg (Baden-Württemberg).
Auf unsere Anfrage, ob denn der Minister schon mit den versprochenen Besuchen begonnen habe und wie dessen Reisepläne für das Besuchsprogramm in den verbleibenden fünf Monaten seines angekündigten Zeitfensters aussehen, ruderte eine Ministeriumssprecherin deutlich zurück: „Ja, es ist richtig, dass der Minister dies gesagt hat. Die Frage möglicher Gespräche zu einzelnen Netzausbauvorhaben vor Ort wird derzeit im Ministerium geprüft, d.h. es wird geschaut, welche Leitungen und Regionen hier besucht werden können.“ Vom Versprechen, „alle problematischen Stromtrassen“ zu besuchen in den ersten sechs Monaten Peter Altmaiers Amtszeit ist aber schon jetzt in der Ministeriums-Antwort nicht mehr die Rede. „Dann werden wir eben deutlich machen: Versprochen – gebrochen“, ist aus fränkischen Trassengegnerkreisen zu hören.
Außerdem wissen vielleicht gar noch nicht alle Kritiker „problematischer Stromtrassen“ von dem Besuchs-Angebot des Ministers...