17.03.2017
Neuster Knaller des BMWi: Gemeinsame Ausschreibungen von Photovoltaik und Windkraft
Aus dem Bundeswirtschaftsministerium kommt aktuell ein Eckpunktepapier für gemeinsame Ausschreibungen von Photovoltaik- und Windkraftanlagen ab einer Leistung von 750 Kilowatt. Dies sei den Vorgaben aus Brüssel geschuldet, so die ministerielle Begründung. Betrachtet man das vierseitige Papier, das verschiedene Vorgaben für ein dreijähriges Pilotprojekt entwickelt, entsteht ein zwiespältiges Bild. Zum einen erklärt man die gemeinsamen Ausschreibungen, für die man den harmlos klingenden Terminus technikus der „ technologieoffenen Ausschreibungen“ benutzt, als nicht vorzugswürdig. Dem Ministerium seien „technologiespezifische Ausschreibungen“, also getrennt nach Wind- und Solartechnologie, lieber. Man zweifle daran, dass gemeinsame Ausschreibungen nach 2020 fortgeführt würden. Trotzdem enthält das Eckpunktepapier konkrete Vorgaben, aus denen sich bei genauem Hinsehen eine stringente Fortführung der Strategie der Behinderung des Ausbaus der Erneuerbaren herauslesen lassen.
Danach soll das jährliche Ausschreibungsvolumen im Jahr 2018 nur 400 Megawatt installierte Leistung betragen und auf zwei Gebotstermine im April und November verteilt werden. Eine festgelegte Aufteilung der Zuschläge zwischen PV- und Windkraftanlagen ist nicht vorgesehen. Das will man offensichtlich dem Wettbewerb - wer macht’s billiger - zwischen Wind und Solar überlassen. Eine perfide Idee, beide Erneuerbare gegeneinander antreten zu lassen. Als Rechtfertigung, die dies scheinbar akzeptabel macht, bietet das BMWi ein scheinheiliges Verfahren an. Die in 2018 bezuschlagte Menge an Photovoltaik- und Windkraftanlagen solle danach bei den technologiespezifischen Ausschreibungen des Folgejahres wieder abgezogen werden. Die Scheinheiligkeit besteht darin, zum einen zu sagen, man habe ja die Präferenz für getrennte Ausschreibungen der beiden Technologien, dann aber doch ein „harmloses“ Modell für den Bruderzwist Wind gegen Solar zu entwickeln. Damit hat man eines erreicht, dass nämlich der Geist aus der Flasche gelassen wird und dem Publikum das Bild der zusammengehörigen Erneuerbaren Stück für Stück entzogen werden kann. Auf „leisen Sohlen ins Gehirn“ nannte diese Methode einmal ein Hirnforscher.
Zur Verharmlosung gehört, dass sich das Ausschreibungsdesign nicht groß verändern soll, wie im Eckpunktepapier behauptet wird. So werde das Referenzertragsmodell für Windkraftanlagen bei den gemeinsamen Ausschreibungen nicht gelten und die PV Deckelung auf 10 MW ebenfalls nicht. Auch die Sonderregelungen für Bürgerenergiegesellschaften würden bei den gemeinsamen Ausschreibungen nicht angewendet. Stattdessen soll eine neue „Verteilernetzkomponente“ eingeführt werden. Hier sollte man hellhörig werden, denn dies wird als „neues Instrument“ bezeichnet, also etwas, das wohl auch nach Abschluss des Pilotverfahrens Bestand haben könnte. Oder sollte? Hier der O-Ton des Eckpunktepapiers: „Mit der Verteilernetzkomponente sollen Kosten des Ausbaus der Verteiler¬netze in den gemeinsamen Ausschreibungen berück¬sichtigt werden. Die Verteilernetzkomponente bedeutet konkret, dass Gebote in den gemeinsamen Ausschrei¬bungen bei der Gebotsreihung einen Aufschlag erhal¬ten, wenn die zugehörigen Anlagen in Landkreisen errichtet werden sollen, in denen der Zubau von EE-An¬lagen einen (weiteren) Verteilernetzausbau auslöst“.
Zunächst müssten aber Verteilernetzausbaugebiete festgelegt werden, wie es in den Eckpunkten weiter heißt. Wir finden hier also ganz offenbar den Nukleus eines strategischen Steuerungsinstrumentes, mit dem Wind oder PV je nach Bedarf zugebaut werden kann, oder auch nicht. Und das bis hinunter auf die Ebene der Landkreise. Wer hält dieses Steuerungsinstrument in der Hand? Kein Wunder, dass erste Kritiker wie der energiepolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Oliver Krischer, darin reflexhaft „eine Orgie an Bürokratie“ sehen. Doch das ist zu kurz gesprungen. Natürlich würde dies zu noch mehr Bürokratie führen, als es die inzwischen superhohe Regelungsdichte im Bereich der erneuerbaren Stromerzeugung bereits hervorgebracht hat. Will man aber verstehen, warum dieser Vorschlag einer gemeinsamen Ausschreibung bzw. eines Wettbewerbs zwischen den EE-Technologien gerade jetzt in die Welt gesetzt wird, muss man die technologische Entwicklung der Erneuerbaren betrachten.
Nach einer ersten, erfolgreichen Phase der Entwicklung der einzelnen Technologien von Wind, PV, Solarthermie, Wärmepumpen und Speichern führt der neue Entwicklungstrend zur Verbindung dieser bisher singulären Lösungen. Man spricht von Hybridsystemen oder Verbundlösungen. Dieser auch in anderen Industrien zu beobachtende Trend hat als Treiber die Informations- und Kommunikationstechnologien. Im Wärmebereich sind Verbundlösungen schon seit Jahren Stand der Technik, wobei vielfach noch fossile Komponenten dabei ihren Platz behaupten. Auch wenn die Bivalenz von Gaskessel und Solarthermie vielen enttäuschend erscheint, zeigen neue Kombinationen mit Wärmepumpen, Speichern und Solarthermie, dass es rein regenerativ sehr wohl gehen kann. Ein anderes Beispiel ist die Verbindung von PV und elektrischen Speichern, die nicht nur einen höheren Grad der Stromautarkie liefern können, sondern auch noch einen Beitrag zur Wärmeerzeugung.
Im Bereich der Freiflächenanlagen von Wind und PV hat diese Entwicklung länger gebraucht. Manche mögen sich an Forschungsprojekte wie das Kombikraftwerk von Fraunhofer IWES erinnern, die vor Jahren bereits zweifelsfrei belegten, dass Wind und PV sich wunderbar ergänzen und die natürlichen Fluktuationen verringern. Inzwischen sind aus diesen ersten Ideen handfeste Konzepte für dezentrale Verbundkraftwerke geworden, die zur ernst zu nehmenden Konkurrenz nicht nur der Kohlekraftwerke, sondern auch deren angedachter fossiler Nachfolger, der Gaskraftwerke, heranwachsen. Ihre Zielsetzung besteht darin, durch die Kombination von Wind, PV, Biomasse-BHKW und vor allem Speichern eine konstante Stromerzeugung mit Erneuerbaren Energien zu ermöglichen. Deshalb hat Carsten Pfeiffer, Leiter Politik beim Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) Recht, wenn er sagt, „was wir nicht brauchen, sind Monokulturen - sondern ein System, in dem sich die Erneuerbaren Energien gegenseitig ergänzen".
Hatte bislang das Argument, die Erneuerbaren würden die Stabilität der Netze gefährden, dazu hergehalten müssen, den EE-Ausbau radikal zu bremsen, so beweisen Verbundkraftwerke, dass Erneuerbare im Verbund sehr wohl zu einer konstanten Stromerzeugung fähig sind. Und dies in den Verteilnetzen, was die Frage der Systemsteuerung und Systemverantwortung von der Übertragungsnetzebene und ihren Monopolisten zur darunter liegenden Verteilnetzebene und ihrer Vielfalt von kleineren Netzbetreibern, Stadtwerken und der Bürgerenergie verschieben würde. Damit wäre nicht nur das Ausbaukonzept der großen Stromautobahnen hinfällig, sondern auch das Kohle-Ausstiegskonzept von RWE, Eon und der gegenwärtigen Bundesregierung. Dahinter verbirgt sich also die Machtfrage zwischen alten Monopolen und der neuen, vielfältigen Energiewendebewegung. Insofern hat Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Solarwirtschaft Recht, wenn er in einem Interview des pv magazine sagte, „anstatt einen Keil zwischen zwei einander sinnvoll und komplementär ergänzende Technologien zu treiben, sollte im Rahmen von Innovationsausschreibungen die intelligente Kombination beider Technologien angereizt werden“. Die sogenannten technologieoffenen Ausschreibungen sind hingegen der Versuch der Vergiftung der Energiewende. Den Konkurrenzgedanken auf die Erneuerbaren anzuwenden bzw. ihnen aufdrücken zu wollen, ist ein Spaltungsversuch, der ihrem kooperativen Grundcharakter widerspricht. Es geht nicht darum, durch Beibehalten singulärer EE-Technologien ihre Fluktuation zu zementieren, sondern durch intelligente Verbundlösungen, zu einer neuen EE-Qualität zu finden. Und damit zu beweisen, dass die Menschheit auch bei der Energieerzeugung die Fluktuationen zu beherrschen lernt.
Klaus Oberzig
Eckpunktepapier des BMWi: Gemeinsame Ausschreibungen für Windenergieanlagen und Solaranlagen