17.03.2017
Die anachronistische Wärmewende
Die im Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie (BDH) versammelten Unternehmen sind bedeutsam und einflussreich. Mit ihrem weltweiten Umsatz von 13,9 Mrd. €, einer Marktabdeckung von 90% in Deutschland und 60% in Europa ist man eine maßgebliche Institution zur Umsetzung der Energiewende im Bereich Wärme und Kälte. Von ihnen müssten die Werkzeuge für den Umbau unserer industriellen wie auch privaten Wärmewende produziert werden.
Und ewig lockt das schwarze Gold
Die Wärmewende ist essential, das ist unbestritten. Unabhängig von der Klimarelevanz die mit dem Verbrennen fossiler Rohstoffe einhergeht, sollte es auch Konsens sein, endlich vorhandene Ressourcen nicht zu verschwenden und durch den Kamin zu jagen. Daran ändert auch der beschwichtigende Hinweis der Öl-Lobby, dass die Erdölversorgung langfristig sicher sei und die Ölreserven auf Rekordniveau sind, nichts. Unter der vielsagenden Internetadresse „Zukunftsheizen.de“ ist zu lesen, dass die Versorgung mit Erdöl dauerhaft sicher ist. Dauerhaft bedeutet in dem Zusammenhang im Übrigen dass „die Reserven für rund 50 Jahre reichen und weitere hinzukommende Ölressourcen uns Erdöl noch sehr lange zur Verfügung stehen lassen“. Für einen Interessensvertreter sind solche Äußerungen nicht überraschend, nichts desto trotz aber inakzeptabel. Denn diese hoffnungsvolle Botschaft wird für klimaskeptische Mitmenschen schnell zum Freifahrschein für Sorglosigkeit. Die Konsequenzen solcher Verlautbarungen sind letztendlich, an einer Technologie festzuhalten, so lange sie betrieben werden kann. Klimaschutzargumente greifen hier offensichtlich nicht. Bleibt zu hoffen, dass höhere Preise durch Verknappung in Kombination mit einer spürbaren CO2-Besteuerung und Bepreisung helfen.
Zwei Schritte zurück, einen vor
Aber zurück zu den Werkzeugen. Hier soll es offensichtlich auch nicht zu schnell gehen. In einer im Vorfeld der Messe ISH veröffentlichten Pressemeldung des BDH betont man deshalb wohl auch, dass Klimaschutz „Realitätssinn“ brauche. Angesichts der Studie Wärmewende 2030 der Agora Energiewende kommt man zu der Schlussfolgerung, dass auch „in der nächsten Zukunft breit gefächerte, technologieoffene Lösungen wichtig sind. Neben dem wachsenden Anteil von Strom sollen diese auf Sicht auch noch gasförmige sowie liquide Brennstoffe umfassen, die über Power-to-X-Konzepte ebenfalls mehr und mehr erneuerbare Anteile erhalten“. Mehr Anteile klingt gut, gemeint ist aber vermeintlich was anders: Erst muss der Markt so weit wie möglich von Gas-Brennwertgeräten durchdrungen werden, um erst dann mit der Wärmepumpe nachzulegen. Konzepte mit großen erneuerbaren Anteilen, wie beispielsweise großen thermischen Solaranlagen, gibt es ja schon längst. Aber diese passen einfach nicht in das Portfolio der großen Player. BDH-Hauptgeschäftsführer Andreas Lücke freut sich deshalb auch über die „bemerkenswerte Lernkurve der Agora, die bislang einen all-electric-Ansatz verfolgte“.
Keine Macher der Energiewende
All das ist keine Energiewende, sondern vielmehr ein vorgetäuschter Klimaschutz mit Salamitaktik. Natürlich kann ein Umbau unserer Wärmeversorgung nicht von einen auf den anderen Tag vollzogen werden. Aber an der Ernsthaftigkeit darf durchaus gezweifelt werden, schließlich hören sich die Statements der Großindustrie seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, ähnlich an. Weshalb sollte man sich nicht das Ziel setzen, bis 2030 auf gasförmige sowie liquide Brennstoffe, besser bekannt als Erdöl und Erdgas, komplett zu verzichten? Wo sind die Ambitionen und Visionen einer Branche, die über sich selbst sagt: „Die Politik setzt ambitionierte Klimaschutzziele, die deutsche Heizungsindustrie liefert die Lösungen“? Warum setzt man als Brückentechnologie nicht auf die Solarisierung unserer Heizungskeller statt auf die Effizienz der Verbrenner. Das muss andere Gründe haben. Sind es am Ende die noch nicht abgeschriebenen Produktionskapazitäten, die, auf den europäischen Markt bzw. den Weltmarkt zugeschnitten, andere Prioritäten der Kapitalverwertung fordern?
Sieht man sich die Apparate an, mit dem man „voran gehen will“, kann man schnell erkennen wie ambitioniert eine Branche ist. So bezeichnet BDH-Präsident Greis hocheffiziente Wärmepumpen und hybride Systeme, die eine Wärmepumpe mit einem hocheffizienten Brennwertgerät kombinieren, als fortschrittlich. Die Idee dahinter: „Mit gasförmigen oder flüssigen Brennstoffen können Spitzenlasten in Phasen geringer Sonnen- und Windenergie effizient abgedeckt werden“. Aber das ist alter Wein in neuen Schläuchen.
Hauptsache das Etikett innovativ
Läuft man über die „internationale Leistungsshow für Heizungs-Hightech Made in Germany“, die ISH Energy (14. – 18. März 2017 in Frankfurt), wird schnell deutlich, dass vor allem die Verbrennungstechnologien immer mehr mit zusätzlicher Technologie beladen werden. Ähnlich der Automobilbranche, ist auch hier die Digitalisierung das Zauberwort. Nomen est Omen, gibt es endlich auch den Kachelöfen, der einen Menschen versteht. Es ist nicht die nette Siri, sondern der digitale Wärme-Assistent Karl. Eine Sprachsteuerung macht das schnöde Kaminfeuer zum „intelligenten Feuer“. Sagt man beispielsweise „Karl, mir ist kalt“ oder „Karl, mir ist zu warm“ regelt Karl die Raumtemperatur entsprechend. Nun ja, wenn man sonst niemanden zum Unterhalten hat. Das unterstreicht auch die Aussage des Projektleiters und Chief Digital Officer des Anbieters: „Die Technik der Zukunft wird nicht kalt, sondern intuitiv sein“. Phrase ick hör Dir dreschen ...
Autarkie, durchaus ein Thema
Die Geräte werden modularer, „hybride Systeme“ sind das andere neue Schlagwort. Zusammen mit der Sektorkopplung findet man jede Menge effiziente fossile Technologie, die für den Übergang stehen soll. Fragt sich nur für welchen Übergang. Aber es gibt auch Entwicklungen die positiv überraschen. Beispielsweise wurde ein Heizgerät präsentiert, das selbst bei Netzausfall Strom und Wärme für das Haus erzeugen kann. Die Kombination aus Pelletbrenner mit Sterlingmotor und Photovoltaikanlage, Wechselrichter plus Stromspeicher ist offgrid-fähig. Der Brenner startet auch ohne Netz. Anschließend versorgt er im Heizbetrieb das Haus auch noch elektrisch. Ein durchaus interessanter Ansatz in Zeiten des ach so intelligenten Wohnens, das trotz verschlossener Türen bisweilen ungebetene Gäste einlädt. Denn ist erst mal der Hacker im Haus oder beim Energieversorger zu Besuch, bricht der Komfort schnell zusammen. Eine andere Variante der Erzeugung von „Strom aus Holz“ zeigte ein Kaminofenanbieter. Sein Kaminofen mit Holzvergasertechnik ist ebenso in der Lage aus Scheitholz Strom, Wärme und Warmwasser zur Verfügung zu stellen. In der Außenwand des Kamins ist ein thermoelektrischer Generator (TEG) integriert. Durch die benachbart liegende Wasserkühlung wandelt er die Wärmeenergie des Feuers in elektrische Energie um. Auch das macht bei Stromausfall in gewissen Graden unabhängig, da im Betrieb der häusliche Stromeigenbedarf zur Verfügung gestellt werden kann. Noch ist das Gerät nicht marktreif entwickelt, und der TEG auch nichts komplett Neues. In der Raumfahrt wird er schon länger zur Stromerzeugung von erdfernen Weltraumsonden eingesetzt. Angestrebt ist im Übrigen eine Stromernte von bis zu 0,5 Kilowatt.
Eine durchaus zu Denken gebende Notiz am Rande: Selbst auf die Entwicklung von modernen Biomasseheizungen spezialisierte Anbieter haben auf der ISH Wärmepumpen auf ihren Stand gestellt und ausgesprochene, oder sollte man sagen ehemalige, „Solarthermiespezialisten“ entwickeln eigenständig Luft-Luft-Aggregate. Solarthermie spielt auf dem Markt offensichtlich nur noch eine Nebenrolle. Das wurde auch beim Pressegespräch „Markt- und Technologietrends auf der ISH Energy und Status quo der Energiewende“ deutlich. Dort äußerten sich neben BDH-Präsident Manfred Greis, BDH-Hauptgeschäftsführer Andreas Lücke, Iris Jeglitza-Moshage von der Messe Frankfurt auch Thorsten Herdan, Abteilungsleiter für Energiepolitik im BMWi. Ein Wort kam überhaupt nicht vor: Solarwärme. Soll es das schon wieder gewesen sein?
Matthias Hüttmann