16.03.2018
TENG-Solar-Hybrid: Wie aus einer Maus ein Elefant wird
Es war einmal eine Forschergruppe in der Soochow University im chinesischen Suzhou: Die veröffentlichte in der Publikation „Nano“ der American Chemical Society ACS einen wissenschaftlichen Grundlagenartikel. Darin ging es um die Zusammenschaltung EINER Silizium-Solarzelle mit EINEM Triboelektrischen Nanogenerator, in der Fachwelt TENG genannt. Das Wissen um TENG ist noch nicht überall verbreitet. In Deutschland berichtete zum Beispiel Heise online in einem Nebensatz darüber.
Das Interessante an TENGs: Aus Reibung gewinnen sie Strom. Selbst die doch offensichtlich geringe Reibung von auftreffenden Wassertropfen wandeln sie in Elektrizität um. Gut für Leute, die ständig im Regen spazieren gehen: Gäbe es wasserdichte Kleidung mit TENG obendrauf, könnten die Menschen darin ihre Händys mit TENG-Strom aufladen lassen.
Aber was, wenn keine Regentropfen auf die TENG-Generatoren klopfen, dachten sich wohl die Chinesischen Wissenschaftler. Vielleicht, weil dem Team sogar drei Mitglieder mit dem Nachnamen „Sun“ angehören, haben sie an Solarenergie gedacht. Warum nicht eine Kleidung für jedes Wetter, das bei Sonne und Regen gleichermaßen Strom produziert? Das jedenfalls sei das Endziel, „ein neues Konzept für die Energiegewinnung, die ungeachtet der Wetterbedingungen durchgeführt werden könnte“, wie Projektleiter Zhen Wen gegenüber dem Radiosender China Radio International (CRI) erklärte.
Nun also ist den Soochow-Forschern gelungen, TENG und Solarzelle zusammenschalten. Zwar gibt es von dem Experiment kein Foto, aber immerhin eine Grafik. Es sei erwähnt, dass dabei ein Kurzschlussstrom von 33 nA (Nano-Ampere) und eine Leerlaufspannung von 2,41 V am Messgerät ankam. Von einem Punkt maximaler Leistung MPP ist im Abstrakt leider nichts erwähnt: Wie bekannt, ist bei Solarzellen die MPP-Leistung wesentlich niedriger als die theoretische Spitzenleistung. Doch selbst bei der Multiplikation der beiden im Experiment gemessenen Peak-Werte verspricht die Kombination gerade mal eine Maximal-Ausbeute von ca. 80 Nano-Watt, oder 80 × 10-9 Watt.
Das ist sicher den Forschern erst einmal egal: Sie haben ihr Ziel erreicht, erstmals die beiden Generatoren miteinander zu koppeln. Doch dass dies „eine einfache Kombination von Solarzelle mit Nanogenerator“ gewesen ist, wie ein österreichischer Presseerklärungsversand schreibt, ist zu bezweifeln. Da dürften eher umgerechnet 100.000e von Euro geflossen sein, damit das Experiment gelang. Und wie gar der Sender CRI zu der Aussage kommt, „Chinesische Wissenschaftler haben einen preisgünstigen Hybrid-Generator entwickelt“, bleibt noch ein größeres Rätsel. Zudem ist es eine falsche Tatsachenbehauptung von CRI, dass jener TENG-Solar-Hybrid „bei allen Wetterbedingungen Strom erzeugen“ könne. Denn das haben weder die Wissenschaftler in ihrem Artikel behauptet, noch herrscht immer sonniges oder Regen-Wetter.
Doch auch in Deutschland wird aus dem Mäuschen-kleinen Nanowatt-Generator ein elefantöses Energiemonstrum: Gleich die ganze „Stromerzeugung wetterunabhängig machen“ könnte das Teil, wie auf energie-tipps.de zu lesen ist. Und selbst Franz Alts Sonnenseite übernimmt den österreichischen Text ohne Skrupel. Dabei hätte der Ahnherr des deutschen Umweltjournalismus eigentlich stutzen müssen und sich fragen: „Welches bisherigen derartigen Ansätze hat es gegeben, dass nun das Design deutlich einfacher ist?“
Nur, um es klar zu sagen: Wir haben nichts gegen Forschungen und Neuigkeiten aus der Regenerativenergie-Ecke; im Gegenteil. Aber warum müssen Journalisten aus einer Forschungs-Maus immer gleich einen Energierevolutions-Elefant machen?
Heinz Wraneschitz
Der Abstrakt, aus dem alles entstand (Übersetzung Wraneschitz):
„Solarzellen, als vielversprechende Geräte für die Umwandlung von Licht in Elektrizität, haben eine deutlich geringere Leistung an regnerischen Tagen. Hier integriert eine Energy Harvesting Struktur eine Solarzelle und einem triboelektrischen Nanogenerator (TENG). Das Gerät beherrscht also die Stromerzeugung sowohl aus Sonnenlicht als auch aus Regentropfen.
Eine Heterojunction-Silizium- (Si-) Solarzelle ist mit einem TENG durch eine doppelseitige Elektrode aus einem Poly-(3,4-Ethylendioxythiophen):Poly-(Styrensulfonat)-Film (PEDOT:PSS) gekoppelt.
In Bezug auf die Solarzelle, reduziert die aufgedruckte PEDOT:PSS die Licht-Reflexion, was die Kurzschlussstrom-Stärke verbessert. Aus Wassertropfen-TENG und Solarzelle wird ein Teil mit gemeinsamer Elektrode, indem das gedruckte Polydimethylsiloxan (PDMS) als triboelektrisches Material kombiniert mit einer PEDOT:PSS-Schicht als Elektrode kombiniert.
Je größer die Kontaktfläche zwischen dem aufgedruckten PDMS und Wassertropfen wird, umso höher die Leistung der TENG. Deren Stoßkurzschlussstrom liegt bei etwa 33,0 nA, die maximale Leerlaufspannung beträgt ungefähr 2,14 V.
Durch die im Hybrid-Energy-Harvesting-System integrierte Elektrodenanordnung können die Vorteile des hohen Stroms einer Solarzelle und der hohen Spannung eines TENG kombiniert werden. Das ist ein vielversprechender Ansatz, um Energie aus der Umwelt bei den unterschiedlichen Wetterbedingungen zu sammeln.“
Was aber wirklich im chinesischen Original stand, weiß niemand – außer den Autoren selbst…