14.09.2018
Batterieforschungszentrum in Bayreuth: Bayern dreißig Jahre zu spät dran?
„Die nächste Generation sicherer, intelligenter und nachhaltiger Energiespeicher kommt demnächst aus Bayreuth!“ Zur Eröffnung des „Bayerischen Zentrums für Batterietechnik“, kurz BayBatt, sorgte die Uni Bayreuth letzte Woche mit dieser Aussage für Aufsehen. Für Wissenschafts-Staatsministerin Prof. Marion Kiechle ist „die Gründung von BayBatt die konsequente wissenschafts- und wirtschaftspolitische Antwort auf aktuelle und zukünftige Energie- und Mobilitätsfragen – ein Leuchtturmprojekt für die Region Oberfranken in dem wissenschaftlichen Zukunftsfeld Batterieforschung und -entwicklung“.
Klingt toll. Doch was steckt genau dahinter? Über fünf Jahre wolle die Staatsregierung 25 Mio. Euro in den Aufbau des BayBatt investieren, heißt es. Am Ende solle es „zwölf Professuren mit 114 Stellen“ in Bayreuth geben. Die Ziele hat die Ministerin hoch gesteckt: „BayBatt soll Brücken bauen zwischen den Forschungseinrichtungen zu Batteriematerialien einerseits und den ingenieurwissenschaftlichen Lehrstühlen und Forschungseinrichtungen großer Automobil- und Gerätehersteller, die an den Komplettsystemen arbeiten, andererseits.“
Dazu sei BayBatt über „Verbundprojekte oder Industrieaufträge mit der einschlägigen Wirtschaft vernetzt, was einen zügigen Transfer der Ergebnisse in die Praxis sicherstellt“. So ist es üblicherweise heute bei vielen Forschungszentren. Nach Angaben der Uni werde sich „BayBatt – deutschlandweit einzigartig – in Forschung und Lehre der gesamten Wertschöpfungskette von Batterien widmen, vom Material über intelligente Systeme und vernetzte Speicher bis hin zur Batteriesicherheit“. Doch ist das, was BayBatt vorhat, wirklich neu? Für Bayern wohl ja. Aber schon beim südwestlichen Blick wenige km über Bayerns Landesgrenzen hinaus sieht das als Fehlinformation aus. Dort gibt es nämlich bereits seit 1988 das „Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg“ (ZSW).
Zwar wurde die gemeinnützige Stiftung ganz allgemein gegründet, um „Erkenntnisse der Grundlagenforschung auf dem Gebiet der Erneuerbaren Energien und der rationellen Energiewandlung beschleunigt in vermarktungsfähige Anwendungstechnik umzusetzen und an die Wirtschaft des Landes zu transferieren“. Doch heute beschäftigt sich nach ZSW-Angaben am Standort Ulm fast die Hälfte der weit über 300 Mitarbeitenden mit „Elektrochemischen Energietechnologien“. In den 2010er Jahren seien in die dortigen 10.000 qm Forschungsinfrastruktur etwa 60 Mio. Euro Bundes- und Landesmittel investiert worden. Seit Jahren existiere in Ulm eine industrielle Produktionsanlage für Speichersysteme – vorher gab es bereits Einrichtungen im Labormaßstab.
Zehn Fachgebiete habe das ZSW. Aber „im Forschungsalltag werden Projekte und Aufgaben auch quer zu den Fachgebieten bearbeitet, was dem Kunden eine größere thematische Breite und optimale Synergieeffekte bietet“. Klingt sehr ähnlich dem, was in Bayreuth erst entstehen soll. Die Idee zum ZSW hatte ein echter Pionier der Solarforschung. Prof. Werner H. Bloss leitete später parallel das Institut für Physikalische Elektronik (IPE) der Universität Stuttgart auf dem Gebiet nichtkonventioneller Energieumwandlung. Seine Vision war, Sonnenenergie effizient in Nutzenergie umzuwandeln und auch als Sekundärenergieträger speicherbar und transportierbar zu machen. Das ZSW und das IPE ergänzten sich nach Institutsmeinung „bestens“.
Wohlgemerkt: Der Start war vor 30 Jahren, 1988, noch vor der deutsch-deutschen Wiedervereinigung. Und in den 1990er Jahren bekam Prof. Jürgen Garche, der damalige Leiter des Ulmer ZSW-Teils für die Batterieforschung zeitweise „mehr Geld aus Japan, als die ganzen deutsche Batterieforschungsmittel zusammen“. Was in Baden-Württemberg seit 30 Jahren passiert – das ZSW hat heute einen Jahreshaushalt von etwa 45 Mio. Euro - das will Bayern jetzt schnell mal in fünf Jahren überholen. Ein sehr mutiges Ziel, das sich das Bayreuther Team Prof. Michael Danzer da gesetzt hat.
Vier wissenschaftliche Schwerpunkte gibt es im BayBatt: „Sichere High-Performance-Materialien, Grenzflächenphänomene und Transportprozesse, intelligente Batterien sowie vernetzte Batteriespeicher.“ Und dazu viele Ankündigungen: Ein Bachelor- und ein Masterstudiengang >Batterietechnologie und Batteriesystemtechnik< „soll entwickelt werden“, genauso wie „ein wissenschaftliches Fortbildungsangebot >Batterietechnik< für Interessierte mit natur- oder ingenieurwissenschaftlicher Vorbildung“ an der Campus-Akademie. Ein „Innovationsökosystem auf dem Gebiet der Batterieforschung und -entwicklung“ werde man laut Kanzler Zanner aus all diesen Komponenten schaffen. Nicht zu vergessen werde natürlich „der Technologietransfer ebenso wie Industriekontakte gefördert und neue Geschäftsmodelle, Start-ups und Spin-Offs unterstützt“.
Das alles startet in Bayreuth im Jahr 2018, wenige Wochen vor der Bayerischen Landtagswahl. Dabei hatte der frühere Sprecher des Bayerischen Clusters Energietechnik Prof. Jochen Fricke die Entwicklung elektrochemischer Speicher viele Jahre lang dringend angemahnt. Bereits vor dem Start der „Energiewende“ nach der Reaktorkatastrophe Fukushima 2011. www.vdi-nachrichten.com/Technik-Wirtschaft/Energiespeicher-ungeloeste-Problem-zukuenftigen-Stromversorgung
Noch ein paar Jahre weiter zurück hörte der Autor diesen Satz: „Speicher sind das ungelöste Problem der elektrischen Energieversorgung.“ Der stammt von Horst Küch. Der Professor der damaligen Nürnberger Ohm-Fachhochschule wollte damit seine Energietechnikstudenten anspornen. Das ist beinahe 40 Jahre her.