13.07.2018
Lieber 2 Prozent für Rüstung als 2 Grad fürs Klima
US-Präsident Donald Trump hat auf dem NATO-Gipfel Mitte der Woche eine scharfe Attacke gegen Deutschland geritten. Mit der geplanten Pipeline Nord Stream 2 mache Berlin sich noch abhängiger von Moskau. Deutschland sei ein „Gefangener Russlands“. Zugleich kritisierte er, dass Berlin die Verteidigungsausgaben nicht erhöht habe. Die USA geben vier Prozent ihres Bruttosozialprodukts für Verteidigung aus, Deutschland erreicht bei Weitem nicht die abgemachte 2-Prozent-Hürde, liegt stattdessen bei 1,25 Prozent. Es ist nicht das erste Mal, dass Trump massiv gegen Nord Stream 2 schießt. Schon Mitte Mai berichtete das Wall Street Journal, der Präsident habe als eine der Bedingungen für ein Handelsabkommen mit Europa – das keine höheren Zölle auf Stahl und Aluminium beinhaltet hätte – gefordert, dass Deutschland Nord Stream 2 fallen lasse. Schon seit Beginn seiner Amtszeit versucht er, den führenden Politikern der EU den Import von amerikanischem Flüssigerdgas (LNG) nach Europa schmackhaft zu machen.
Auch wenn es für jeden offensichtlich ist, der US-Präsident will amerikanisches Fracking-Gas anstelle von russischem Erdgas in den deutschen und westeuropäischen Markt drücken, macht der Vorgang doch deutlich, mit welchen Problemen die „Brückentechnologie Erdgas“ der Merkel-Regierung behaftet ist. Nicht nur die Energieeffizienzstrategie mit Gas-Brennwertkesseln im Wärmesektor und den großen GuD-Kraftwerken als Nachfolger der Kohlekraftwerke sind klimafeindlich, auch die politischen Friktionen im postglobalen Westen sorgen für ungeahnte Spannungen. Hinter der These von der „Brückentechnologie Erdgas“ steht eine strategische Ausrichtung der deutschen Politik insgesamt, die sich in der Energiepolitik nicht mal von einer Äquidistanz leiten lässt. Diese Nähe zu Russland wird auch von Teilen der Energiewendebewegung übersehen oder verdrängt. Die großflächige Versorgung Westeuropas, die seit Kanzler Schröder von den großen Energie- und Gasimporteuren mit großzügiger Regierungshilfe aufgebaut wurde, erfordert natürlich ein strategisches Bündnis mit den russischen Energiekonzernen und der Putin-Regierung. Sie war von Anfang an ein Ritt auf des Messers Schneide. Ob Krim-Annexion oder der Krieg in Syrien, die Merkel Union konnte diesen Kurs nur mithilfe der SPD, die bis heute Schröder Erbe verpflichtet ist, durchziehen. Inzwischen gehen die Bücklinge deutscher VIPs schon bis zu Olympia und der Fifa-WM.
Natürlich ist das für die beteiligten Konzerne in Westeuropa wie in Russland ein höchst profitables Geschäft. Dass bei der Verbrennung von Erdgas weniger CO2-Emissionen anfallen, konnte zur positiven Konnotation dieser Strategie genutzt werden. Erdgas wurde als Brücke zur Energiewende hochstilisiert und damit konnte die Zustimmung nicht unwesentlicher Teile der Bevölkerung, ja sogar der Solargemeinde, erschlichen werden. Vor allem die hilflosen Rufe nach einer Wärmewende sprechen Bände, in welche Sackgasse diese Politik die Energiewendebewegung gebracht hat. Auch wenn viele Solarfreunde wenig bis gar keine Sympathie für Putin und die russischen Oligarchen empfinden, erschien ihnen die Notwendigkeit einer Zwischenlösung Erdgas plausibel und sie schluckten schweren Herzens die Kooperation mit den Despoten. Mehr noch, sie schlucken sogar weitgehend, wie das anfangs gute und hoffnungsfrohe deutsch-polnische Verhältnis auf dem Altar des Deals der Ostseepipeline Nord Stream 1 geopfert wurde. Natürlich war klar, dass die polnischen Nachbarn aus dem Gasgeschäft herausgehalten werden sollten. Es wurden aber auch sehenden Auges in Polen die alten Ängste wiederbelebt, die immer dann entstanden und entstehen, wenn Deutsche und Russen sich über die Köpfe unserer polnischen Nachbarn hinweg einigen. Das ruinierte deutsch-polnische Verhältnis, inklusive der Auswirkungen auf die EU, ist augenfällig.
Aber auch die Energiewendebewegung hat sich durch diesen lauwarmen Kompromiss mit der „Brückentechnologie Erdgas“, der von Anbeginn auf Monopolprofite und gegen die Solarisierung gerichtet war, keinen Gefallen getan. Sie hat sich eine bittere Niederlage eingehandelt. Der friedensstiftende Aspekt der Sonnenenergie, dass um sie keine Konflikte und Kriege geführt werden müssen, weil sie jedem Menschen auf dieser Erde frei zur Verfügung steht, ist weitgehend unter die Räder gekommen.
Kein Wunder, dass die Energiewendebewegung jetzt hilflos den Trump‘schen Unverschämtheiten gegenüber steht. Vielen Anhängern der Theorie von der Brückentechnologie erscheint dies als Wahl zwischen Pest und Cholera. Vielleicht kommt so Manchem die alte Linie der Solarbewegung - 100 % Erneuerbare Energien bis 2050 - wieder in den Sinn. Denn damit wird deutlich, dass dies energie- und klimapolitisch, aber auch friedenspolitisch den einzigen Weg für diesen Planeten darstellt. Möglicherweise fällt ja anhand der Duplizität der aktuell gehandelten Zahlen auf, dass mit der strategischen Ausrichtung der Bundesregierung kein Kurs der „Sonne für alle“ machbar sein wird. Denn ironischerweise fordert Trump ein Limit von 2 Prozent der Rüstungsausgaben bezogen auf das Bruttosozialprodukt Deutschlands, während die Pariser Klimakonferenz ja ein 2 Grad-Limit für den Klimaschutz fordert. Es ist schon erstaunlich, wie schnell sich die Kanzlerin auf das eine 2 Grad-Dictum einlässt, während sie dem verfehlten anderen Ziel keine Träne nachweint. Was kann ihre innere Einstellung besser dokumentieren?
Klaus Oberzig