13.07.2018
Hat Biomasse wirklich den guten Ruf verloren?
„Holzenergie wurde lange Zeit als eine der beliebtesten und nächsten Lösungen für den Klimawandel gehypt. Doch heute wird Biomasse zunehmend als Teil des Problems betrachtet.“ Das sagt Sabine Froning, Geschäftsführende Gesellschafterin der Hamburger Agentur Communication Works.
Im Forum „Holzenergie im gesellschaftlichen Dialog“ des diesjährigen Carmen-Symposiums hatte Froning offenbar die Aufgabe, zu provozieren. Zwar stimmen alle Zuhörer mit ihr überein, dass Holzenergie ihren guten, unbefleckten Ruf verloren hat. Selbst Moderator Herbert Borchert von der Bayerischen Landesanstalt für Wald- und Forstwirtschaft bemerkt „den Wind, der uns aus allen Richtungen entgegen bläst“. Doch warum ist das so? Vielleicht, weil „Biomasse Opfer ihres eigenen Erfolgs geworden“ ist? Oder „weil Sie im digitalen Raum nicht präsent sind. Dann überlassen Sie die Diskussion den Kritikern. Die Auseinandersetzung findet nicht hier im Konferenzsaal statt“, macht Froning klar. Es gehe heute nicht mehr an, nur in Insider-Zirkeln oder mit der Politik zu reden: „Man kommt an den Bürgern nicht mehr vorbei. Die Bürger müssen beteiligt werden.“
Dass sie einen wunden Punkt trifft, zeigt die Reaktion von Thomas Siegmund. Der Geschäftsführer des Fachverbands Holzenergie, auch in Europa lobbymäßig aktiv, widerspricht der Kommunikations-Fachfrau vehement. Zur Rechtfertigung drischt er auf die „Tagesmedien als Trendfolger des Internet“ ein: „Ein einziger Skandal wird ausgelutscht.“ Aber irgendwann erkennt selbst Siegmund an: „Ein großes Defizit der Holzbranche ist die positive Kommunikation“; stattdessen würde man „sich gegenseitig das Leben schwer machen“.
Da ist er sich zwar wieder mit Sabine Froning einig. Dennoch kann die Kommunikatorin dem Titel von Siegmunds eigenem Vortrag „RED II – Nachhaltigkeitskriterien für die Holzenergie“ nicht viel abgewinnen. „Wer auf der Straße weiß, was RED II ist?“ fragt sie in die Runde. Und sie erntet selbst bei einigen der anwesenden Fachleute zustimmendes Nicken. Dabei hat die Europäische Union diese Mindeststandards für die Effizienz von Biomasseanlagen schon lange verkündet. 2021 treten sie in Kraft, also in weniger als zweieinhalb Jahren. Wenn Thomas Siegmund von Anlagen-Herstellern und –Betreibern fordert, bereits jetzt über die Zertifizierung nachzudenken, fühlt man sich an die Diskussion um die Datenschutzgrundverordnung DSGVO in diesem Mai erinnert: Viele Firmen und Behörden gingen erst in den letzten Wochen vor Ende der Übergangsfrist an die Umsetzung; zuvor ignorierten sie die DSGVO geflissentlich.
Wegen der „nicht trivial einzuhaltenden Kriterien“ sieht Siegmund „RED II für Deutschland als großen Bürokratismus“: Es werde kaum Holz importiert, und inländische Bäume würden ohnehin nachhaltiger bewertet. Doch der Holzenergie-Geschäftsführer vermisst bei vielen Betroffenen schlicht das Nachdenken, was nach 2021 sein wird. Siegmund sieht sogar die Gefahr, dass Biomasse noch weiter in die Negativschlagzeilen rutschen könnte: Die von der EU geforderte Mindesteffizienz von 38 Prozent für reine Strom- aus Holz-Kraftwerke „öffnet Tür und Tor, alte Kohleblöcke weiter zu betreiben, dann eben mit Holz.“ Dass die Holzbranche „hier mit den Umweltverbänden einer Meinung“ ist, das kommt aber bisher in der Öffentlichkeit nicht an. Vielleicht helfen den Holzleuten ja für diese Kommunikation Fronings bewusste Provokationen?
Ein Beispiel, wie man „Energiewende und Waldbiodiversität“ anschaulich rüberbringen kann, liefert Prof. Stefan Wittkopf von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf in seinem gleichnamigen Vortrag. Denn wer kann schon etwas mit der Information anfangen, dass auf jedem Hektar in Bayerns Voralpenwäldern jedes Jahr 14,1 Kubikmeter mehr Holz wächst als geerntet wird? Wittkopf macht diese Zahlen verständlich, indem er einen Holzquader hochhält, 14,1 cm lang und 10x10 cm² dick. „So viel wächst pro qm Waldfläche zu“, verändert er die Sichtweise. „Und mit diesem Status Quo bei der Holzernte können wir die Ökologie des hiesigen Waldes erhalten“; auch dafür zeigt der Professor anschauliche Bilder.
Elena Käppler von der Fachhochschule Vorarlberg wiederum liefert den von Sabine Froning ebenfalls geforderten „Beweis der Nachhaltigen Wirtschaft“ für eine Holzvergasungsanlage. Und zwar mit vielen, eindrucksvollen Bildern und meist wenig Text. Einer von vier Sätzen ihres „Fazit: Eine ökologisch sinnvolle Alternative zu rein thermischen Biomassekesseln“ sei der Holzvergaser in dieser Anwendung. Nur den Titel ihrer Masterarbeit hätte Elena Käppler etwas allgemeinverständlicher formulieren können: „Lebenszyklusanalyse der Strom- und Wärmeerzeugung einer Holzvergasungsanlage inklusive Nahwärmenetz am Beispiel des Schwebefestbettvergasers des Energiewerk Ilg“ lautet der…
Förderpreis ins Fichtelgebirge
Apropos Holzvergaser: Der jährlich auf dem Carmen-Symposium vergebenen „Förderpreis Nachwachsende Rohstoffe“ der Bayerischen Staatsregierung ging heuer gemeinsam an die SWW Wunsiedel GmbH und die ZukunftsEnergie Fichtelgebirge GmbH: www.z-e-f.info. Ausgezeichnet wurde deren regionales Energieversorgungskonzept mit Holz, sowie das Projekt Fichtelgebirgsstrom. Beim SWW-Konzept spielt unter anderem das Nahwärmenetz im Ortsteil Schönbrunn eine große Rolle: Seit über fünf Jahren liefert hier ein Holzgas-Blockheizkraftwerk Strom und Wärme aus Pellets. Und die werden sogar vor Ort hergestellt.