13.07.2018
Europas größte Redox-Flow-Batterie
Die Vögel zwitschern, der Himmel ist klar auf einem Berghügel der badischen Gemeinde Pfinztal in der Nähe von Karlsruhe. Naturidylle pur, nur ein Wegweiser leitet weiter auf den Berg hinauf, hin zum Fraunhofer Institut für Chemische Technik (ICT). Dort entsteht derzeit nichts weniger als Europas größte Redox-Flow-Batterie.
Das Institutsgelände ist groß, rund 550 Mitarbeiter sind hier tätig. Hier werden Leichtbau-Konzepte für die Automobilindustrie erstellt, chemische Verfahren entwickelt, Treibstoffe für die Raketen getestet und Sprengstoffe erforscht. Ein Teil des ICT beschäftigt sich mit Energieforschung; Chemikaliengewinnung und Rohstoffeffizienz sowie Speichertechnik sind die wichtigsten Schwerpunkte. Ein Windrad mit 2 MW und 100 m Nabenhöhe demonstriert das Thema Energie weithin sichtbar.
Im Projekt „RedoxWid“ wird derzeit eine riesige Redox-Flow-Batterie aufgebaut, die mit dem Windrad gekoppelt wird. Ein ganzes Gebäude wurde dafür errichtet, der Keller ist derzeit zum Teil mit riesigen Tanks aus doppelwandigem Gfk gefüllt. Darüber liegt eine Etage, in der sich die Umformer und weitere Technik befinden.
Wie funktioniert diese Batterie? Die Redox-Flow-Technologie ist im Prinzip simpel: Im Gegensatz zu üblichen Li-Ionen-Batterien wird die Energie hier in einer Flüssigkeit chemisch gespeichert, dazu stehen mehrere Elemente als Möglichkeiten zur Verfügung. In Pfinztal wird dazu Vanadium (in verschiedenen Ionisierungen verwendet. Die unterschiedlichen Ionisierungen äußern sich dann auch in unterschiedlichen Farben der Flüssigkeiten (siehe Bild 3).
Der Hauptvorteil der Redox-Flow-Batterie: Die Größe der Tanks bestimmt die Kapazität der Batterie. Je größer die Tanks, desto mehr Strom kann darin gespeichert werden. Die Tanks können (wie im Pfinztal) auch in einer Reihe angebracht oder später noch um weitere Einheiten ergänzt werden. Das System ist also sehr flexibel.
Völlig unabhängig von der Tankgröße ist die Größe des Umformers, der beim Speichern den Strom in chemische Energie umgewandelt und beim Ausspeichern den Vorgang umkehrt. Die Größe des Umformers bestimmt die Leistung der Redox-Flow-Batterie. Leistung und Energieinhalt sind also technisch vollständig entkoppelt, eine Redox-Flow-Batterie kann in der Planungsphase mit beiden Parametern unabhängig voneinander optimiert werden. Entsprechende Umformer-Stacks für den großtechnischen Einsatz sind derzeit auch noch nicht am Markt erhältlich und werden daher im Rahmen dieses Projektes entwickelt und optimiert.
Die Redox-Flow-Technik befindet sich momentan noch im Forschungsstadium, wenngleich es bereits vor einigen Jahren eine solche Großbatterie eines Anbieters auf dem Markt gab. Auch die ersten kleinen Anlagen in Größenordnung für Mehrfamilienhäuser sind schon verfügbar. Diese Anlagen sind mit den Li-Ionen-Systemen aber derzeit noch nicht konkurrenzfähig und werden daher nur in kleinsten Stückzahlen verkauft.
Der Stand der Technik zeigt sich auch bei der Großbatterie in Pfinztal: Hier mussten sehr viele Komponenten der Anlage erst entwickelt oder als Muster eingekauft werden. Standard-Produkte waren hier weder für die Tanks noch für die Anbindung der Umformer am Markt verfügbar. Eine besondere Schwierigkeit stellte auch das eingesetzte Vanadium dar, da es nicht viele Materialien gibt, die langzeitresistent gegen diese Flüssigkeit sind. Deshalb wurden Tanks aus GfK und viele Komponenten der Pump- und Rohrleitungsanlage aus der Schwimmbadtechnik eingesetzt, die ja (durch die Chlorung von Badewasser) auch aggressiven Flüssigkeiten ausgesetzt sind.
Beachtet werden müssen auch die hohen Sicherheitsanforderungen an ein Redox-Flow-System. So müssen Tanks und Umformer mit Auffangwannen versehen sein, falls ein Leck auftreten würde. Da die derzeitigen Anlagen auch noch einen recht niedrigen Wirkungsgrad haben, muss auch eine enormer Abwärmeleistung abgeführt werden. Zusätzlich gibt es ein Sicherheitskonzept, falls eine Störung der Anlage vorliegt, um möglichst rasch die Energie aus dem System herauszunehmen: In diesem Fall würden in Pfinztal die unterschiedlichen Vanadium-Tanks einfach umgepumpt und vermischt, die Reaktionsenergie dabei in zusätzliche Abwärme umgewandelt werden. Hier hat das Redox-System einen klaren Vorteil zur Li-Ionentechnik, bei der bei einem „thermischen Durchgehen“ einer Batterie ein kaum zu beherrschender Brand entstehen kann.
Die Redox-Flow-Batterie in Pfinztal hat eine weitere Besonderheit: Sie wird direkt an den Gleichstrom-Zwischenkreis der großen Windkraftanlage gekoppelt. Es entsteht damit eine Einheit aus Energieerzeuger und Speicher. Auch die Entwicklung der Steuerung dieser Kombination ist Aufgabe der Projektmitarbeiter.
Derzeit werden, nach einem bestandenen Inbetriebnahmetest, nun die ersten großen Tanks befüllt und die ersten Umformer-Elemente in Betrieb genommen. In der endgültigen Ausbaustufe soll die Anlage eine Speicherkapazität von 20 MWh und eine Maximalleistung von 2 MW haben. Damit könnte die Leistung der Windkraftanlage bei nahezu Volllast über einen halben Tag aufgenommen und zwischengespeichert werden.
Der Windstrom dient – neben der Forschung mit der Speicherung - zur Eigenversorgung, falls die Windanlage mehr als benötigt erzeugen würde, wird sie abgeregelt. Die Windkraftanlage darf nicht in das öffentliche Stromnetz einspeisen, da sie aufgrund des Forschungsanlagen-Charakters dazu nicht berechtigt ist.
In Pfinztal ist man zuversichtlich, dass die Forschung im Bereich der Redox-Flow-Batterien vorankommt und die große Anlage neue Erkenntnisse zur Chemie, der Umformtechnik und dem Betrieb einer solchen Batterie liefert. Nicht heute oder morgen, aber vielleicht übermorgen kann diese Technik dann in großem Maßstab kommerzialisiert werden und bei der Glättung von Fluktuationen, die aus dem höheren Anteil der erneuerbaren Energieerzeugung stammen, helfen.
Jörg Sutter