13.07.2018
(Braun)Kohle stellt sich dem marktgetriebenen Ausstieg in den Weg
Am 10. Juli veröffentlichte der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (BDW) eine Pressemeldung mit dem Untertitel: „Anteil der Erneuerbaren steigt um 10 Prozent gegenüber Vorjahreszeitraum“. Darin ist zu lesen, dass die Erneuerbaren Energien im ersten Halbjahr 2018 bei der Stromerzeugung erstmals vor der Braun- und Steinkohle lagen. So haben nach ersten Schätzungen die Erneuerbaren mit fast 118 Mrd. kWh (=118 TWh) zur Bruttostromerzeugung beigetragen, was einem Anstieg von über 10 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum entspricht. Ihr Anteil an der Stromerzeugung lag demnach im ersten Halbjahr 2018 bei rund 36 Prozent. Dagegen ist die Stromerzeugung aus Braun- und Steinkohle mit etwa 114 TWh deutlich zurückgegangen, auch bei Erdgas ist ein Rückgang auf unter 40 Mrd. kWh im ersten Halbjahr 2018 zu beobachten. Die Kernenergie lieferte rund 37 TWh Das Fazit des BDEW, welches er auch bei Twitter verkündete: „Marktgetriebener und schrittweiser Kohleausstieg ist in vollem Gange!“
Aber stimmt das denn so auch? Sieht man sich speziell die Nettostromerzeugung an und betrachtet dabei Steinkohle und Braunkohle differenziert, lässt sich ein ganz anderer Trend erkennen: Demnach findet kein Ausstieg aus der Kohle, sondern lediglich einer aus der Steinkohle, statt. Die immer flexibler werdenden Braunkohlekraftwerke erleben dagegen eine gewisse Renaissance. Von einem Kohleausstieg sind wir demnach weit entfernt. Neben dem Rückgang der Stromerzeugung durch Steinkohle ist auch ein solcher beim Erdgas zu beobachten. Nun egal wie man zu der Erdgaspolitik der Bundesregierung stehen mag, der Trend weist nicht zu den „vermeintlich“ sauberen Gaskraftwerken sondern vielmehr zu schmutzigen Braunkohlekraftwerken. Diese sind wegen ihrer CO2-Emissionen nicht nur klimaschädlich, sondern eine Quell meldepflichtiger Emissionen, die in immer größeren Mengen ausgestoßen werden. Darunter finden sich Arsen, Blei, Cadmium, Chrom, Kupfer, Nickel, Quecksilber, Zink Distickoxid, Benzol, Chlor, Dioxine, Furane, Feinstaub, Fluor, Kohlenmonoxid, Schwefeloxide und Stickoxide. Im Gegensatz zu den Emissionen der Steinkohlekraftwerke nehmen sie sogar, absolut wie auch spezifisch, sogar noch zu.
Nicht zu vergessen: Bei Bruttostromzahlen werden auch die Verluste der Kraftwerke als Verbrauch gerechnet, die Zahlen sind deshalb nur bedingt zu gebrauchen. Bei der Nettostromerzeugung sieht es im ersten Halbjahr gemäß ersten Hochrechnungen wie folgt aus: Erneuerbare Energien: 118.31 TWh (wie bei der Bruttostromerzeugung), der Zuwachs gegenüber dem ersten Halbjahr 2017 (104,02 TWh) liegt bei 12%. Ihr Anteil an der Stromerzeugung beträgt 41% (Brutto: 36%), Braun- und Steinkohle produzierten zusammen 109,49 TWh (114 TWh).
Die Mär, dass der Einspeisevorrang und somit die Zunahme an erneuerbaren Strom im Netz die dreckigen fossilen Energien verdrängen ist im Übrigen auch nicht ganz richtig, da die dreckigen Kraftwerke, siehe vor allem Braunkohle, munter weiter Strom produzieren und dieser Strom dann in den Export geht. Dieser Zuwachs an billigem Strom führt letztendlich auch dazu, dass in Europa so manche umweltfreundlichere Stromerzeugung unrentabel wird. Folglich verzerrt auch die Aussage „Erneuerbare Energie aus Deutschland gehen in den Export“ die Realität, da es vor allem die nicht abgeregelten Kohlekraftwerke sind, die sich, um in der Sprache des BDEW zu bleiben, einem marktgetriebenen und schrittweisen Ausstieg verweigern.
Hier können Sie detaillierte Informationen zu der bundesdeutschen Stromerzeugung des ersten Halbjahrs 2018 nachlesen.
Matthias Hüttmann
Linktipp: Braunkohle stark, Ökostrom stärker von Sandra Kirchner (klimareporter)