12.10.2018
Erdgas als Ersatz für Kohle untauglich
Der Artikel zum Erdgas vom 31. August 2018 mit der provozierenden Überschrift „Erdgas ist klimaschädlicher als Kohle“ hat ein lebhaftes Echo in unserer Leserschaft hervorgerufen. Dabei sind einige Schwächen des Textes kritisiert worden, es kam aber auch eine große Nachdenklichkeit hervor sowie die Bereitschaft, sich mit diesem Thema intensiver auseinanderzusetzen. Vor allem im Bereich der Wärmeversorgung ist die Erdgas-Brennwerttechnologie gewissermaßen immer noch gesetzt und der Glaube herrscht vor, ohne ginge es auf dem Weg zur Energiewende nicht oder, wie die Zeitschrift emv in ihrem Heft 3/2018 schrieb, Gas sei Teil der Lösung. Es erscheint deshalb sinnvoll, das komplexe Thema Gas, vom Erdgas bis zu den sogenannten grünen Gasen, genauer unter die Lupe zu nehmen. Und zwar von der Frage der stofflichen Zusammensetzung bis hin zu den Konzernstrategien und der Weltpolitik, in der Gas eine zunehmend bedeutendere Rolle spielt. Das wird in einem Text alleine nicht abzuhandeln sein. Deshalb wird es wohl zu einer kleinen Trilogie führen, die wir in den kommenden Wochen hier in den DGS News anbieten wollen. Dabei geht es auch um Begrifflichkeiten, die vielen Solarfreunden noch wenig geläufig sein mögen.
Wir greifen deshalb hier die Diskussion auf, die eingesetzt hat und noch immer läuft. Begonnen werden soll erst einmal mit einer Kritik des Artikels vom August. Wie Hermann Ramsauer in seinem Leserbrief richtig anmerkte, besteht Erdgas fast vollständig aus Methan. Die von mir gewählte Formulierung mit dem Methan als „Kompanion“ war verunglückt und falsch. „Die DGS sollte an der Sache dranbleiben, aber sauber recherchiert die Argumente auf den Tisch legen“. Und als notwendige Bemerkung zum Narrativ, Erdgas sei eine Brückentechnologie. „Erdgas ist ein fossiler Brennstoff und als solcher natürlich keine Technologie. In Deutschland verwendetes H-Erdgas aus den GUS-Staaten besteht aus circa 98 % Methan, 1 % weiteren Alkanen (Ethan, Propan, Butan, Pentan) und 1 % Inertgasen“. Die Frage müsste also korrekt lauten, ob eine Verwendung von Erdgas weniger klimaschädlich sei, als andere fossile Brennstoffe. So richtig gestellt, führt dies zu der Beweisführung für die These von der besseren Klimaverträglichkeit. Wie bereits schon im Artikel vom August angeführt, arbeiten die Vertreter dieser These mit einem Trick. Sie betrachten alleine den Verbrennungsprozess und dabei auch nur den Faktor der CO2-Emissionen.
Abgesehen von anderen Stoffen, die bei der Verbrennung entstehen, existieren sogenannte Vorkettenemissionen, soll heißen, das Erdgas, welches verbrannt wird, hat bereits eine Vorgeschichte, zu der Leckagen und Emissionen gehören. Dazu stellt der Naturschutzbund Deutschland NABU in seiner Stellungnahme gegen die Nord Stream 2 Pipeline durch die Ostsee fest: „Bereits geringe Methanemissionen verleihen Erdgas einen enormen Treibhausgas-Fußabdruck. Wenn neben den beim Verbrennen entstehenden CO2-Emissionen auch die bei Förderung und Transport anfallenden Methanleckagen berücksichtigt werden, fällt die Klimabilanz von Erdgas nach jüngsten Messergebnissen in den USA deutlich schlechter aus als zunächst angenommen. Bereits bei dem sogenannten konventionellen (d.h. ohne Fracking gewonnenen) Erdgas entweichen über drei Prozent der gesamten Produktion in die Atmosphäre. Dies geschieht durch Leckagen und Druckentlastung an der Förderstelle, während der Lagerung und beim Transport zum Abnehmer. Gemäß den aktuellen Zahlen des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) ist der Treibhauseffekt von Methanemissionen in den ersten 20 Jahren 84 bis 87 mal stärker und in den ersten 100 Jahren 34 bis 36 mal stärker als der von CO2. (NABU Stellungnahme Nord Stream 2, S. 6). Angesichts von Kipppunkten im Klimasystem, die schon kurzfristig in den nächsten 10 bis 20 Jahren zu abrupten und irreversiblen Klimaänderungen führen können, ist es unerlässlich, die extrem schädlichen Klimaeffekte von Methan in den ersten 20 Jahren zu berücksichtigen“.
Auch wenn von sachkundigen Lesern argumentiert wird, „die Methan-Emissionen aus den Pipelines für den Export von Erdgas von Russland nach Europa sind sehr gut erforscht“, hat dieses Argument den Makel, dass diese Untersuchungen weit über 15 Jahre zurückliegen. Bezogen sind sie zudem auf die Pipelineinfrastrukturen außerhalb Russlands, die alleine für solche Messungen zugänglich waren. Auch der Einwand, in „einigen Gasverteilnetzen in Russland selbst“, die dem lokalen Bedarf dienen, könne es anders ausschauen, dies habe „aber mit dem Export nach Europa nichts zu tun“, ist kein wirklich schlagendes Argument. Dem Klima jedenfalls dürfte es egal sein, wo die Leckagen auftreten. Für den NABU zählt aber noch ein anderes Argument: „Methanemissionen aus der Aufsuchung und Produktion von Kohlenwasserstoffen [sind] in Deutschland nicht von Aufsichtsbehörden oder unabhängigen Instituten gemessen, sondern lediglich von der Öl- und Gasindustrie geschätzt worden“.
Das interessante an der Diskussion ist auch, dass in diesem Zusammenhang ein Unterschied gemacht wird zwischen konventionell gefördertem Erdgas, vornehmlich aus Russland und Westeuropa und dem Frackinggas aus USA. So schreibt ein Leser, „Die Infrastrukturen in den USA sind generell sehr schlecht (meistens Schrott). Dort zählt nur der schnelle Gewinn. In Wartung und Instandhaltung der Gasnetze wird wenig investiert“. Das gelte besonders für das Fracking. Mehrere 10.000 kleine Fracking-Felder seien angeschlossen worden und die dazugehörigen feinverteilten Sammelleitungen würden mehr Methan verlieren, als die dicken Leitungen in Russland. Die Fracking-Erdgasfelder in den USA können nur wenige Monate Erdgas in nennenswerter Menge fördern. Es gebe „wenig empirische Daten … über die Methanemissionen aus Fracking-Feldern. Man hat lediglich erheblich höhere Methankonzentrationen über Regionen in den USA gemessen, in denen Erdgas über Fracking gefördert wird.“ Die Zuordnung und die Ursachen - Leckagen aus Bohrungen, aus Sammelleitungen, Wanderung von Methan über Risse im Gestein nach Frackingvorgängen nach oben, aus Bränden – all das sei bislang wenig untersucht. Und mit Donald Trump als Präsident , der einen Klimaleugner als Leiter des EPA installiert hat, werde die Forschung hier nicht so schnell vorankommen. Auch das alles keine Empfehlungen für Erdgas und vor allem nicht für das Vorhaben der Bundesregierung, eine LNG-Infrastruktur auch in Deutschland aufbauen zu wollen. Für diese trommelt der US-Präsident gegenwärtig heftig.
Was ist also die Aussage "Mit Gaskraftwerken lassen sich CO2-Emissionen deutlich reduzieren", die als Ergebnis einer von Öko-Institut und Greenpeace Energy beauftragten Studie im November 2016 veröffentlicht wurde, wert? Die unterstellte Rangfolge, der zufolge Gas die sauberste fossile Energie sei, ist nicht haltbar. Dazu meint Christfried Lenz: „Da ist dem Erdgas … ein günstiges Image verpasst worden, das darauf beruht, dass Faktoren nicht beachtet wurden. Die Erdgasindustrie schlachtet dieses Image jetzt natürlich aus, in der Hoffnung, dass wenn ein Kohleausstieg erfolgt, die Kohle dann nicht (oder jedenfalls nicht vollständig) durch Erneuerbare Energien ersetzt wird, sondern durch Erdgas.“
Klaus Oberzig