12.01.2018
Verteilernetzkomponenten: Hirnrissige Aufschläge bei Gemeinsamer Ausschreibung PV/Wind
Das Erneuerbare Energien-Gesetz EEG 2017 enthält eine auf den ersten Blick spannende, neue Art der Vergabe von Baukonzessionen für Ökokraftwerke: „Gemeinsame Ausschreibung“ heißt diese. Planer sollen Photovoltaik- und Windkraftwerke anbieten, und egal welche Technologie, egal wo im Land: Jeweils die preiswerteren Projekte kommen zum Zuge. So weit, so gut.
Die Grundlage ist – neben dem § 39i im EEG - die „Verordnung zu den gemeinsamen Ausschreibungen für Windenergieanlagen an Land und Solaranlagen (Verordnung zu den gemeinsamen Ausschreibungen – GemAV)“ . Diese Verordnung ist gerade mal zwölf Seiten lang – überschaubar also für eine Vorgabe, nach der immerhin zwei Mal pro Jahr von 2018 und 2020 je etwa 400 Megawatt (MW) Kraftwerksleistung vergeben werden sollen.
Im EEG 2017 sind bereits Höchstwerte festgelegt, die von den Anbietern nicht überschritten werden dürfen. Für Photovoltaikstrom (PV) stand als Start-Höchstpreis 8,91 C/kWh im EEG-§ 37 b. Und der „verringert oder erhöht sich ab dem 1. Februar 2017 monatlich entsprechend § 49 Abs. 1 bis 4“. Bekanntlich wurden bei den reinen technologie-Ausschreibungen im Jahr 2017 aber PV-Preise angeboten und erhielten Anlagenbauer den Zuschlag für um die 5 C/kWh. Für Windkraftwerke gelten regional unterschiedliche Extrempreise.
Im April 2018 soll nun die erste „gemeinsame Ausschreibung“ laufen. Deshalb hat die Bundesnetzagentur (BNetzA) am 18.12.2017 jene GemAV erlassen: Die Anlagenbauer sollten entsprechend viel Zeit haben, sich darauf einzustellen. Doch ob die Planer wirklich schon wissen, was auf sie zu kommt? Ein von uns befragter, ziemlich aktiver Projekteur jedenfalls war bass erstaunt, als er das Wort „Verteilernetzkomponente“ hörte: Nein, kenne er nicht, vernahmen wir. Nachdem wir ihm den Internetlink geschickt hatten, verabschiedete er sich schnurstracks in Richtung seines Anwalts.
Denn in dieser GemAV sind „Verteilernetzausbaugebiete“ festgelegt. Offenbar meint die BNetzA, beim Verteilnetz ist jeder Landkreis, jede Kreisfreie Stadt autonom: Jedenfalls gibt es für 401 „Schlüsselnummern“ einzelne Verteilnetzgebiete, von Flensburg Stadt bis Altenburger Land. Und hinter jedem Orts- oder Kreisnamen folgen zwei wichtige Kästchen: „VNKWind“ und „VNKPV“, jeweils in Cent/kWh angegeben. VNK wiederum ist die Abkürzung für „Verteilernetzkomponente“. Doch nicht das Wort, sondern die Zahlen darunter haben es in sich. Die reichen nämlich von 0,00 bis 0,58 bei Wind bzw. bis 0,88 bei PV.
Was die VNK soll, beschreibt die BNetzA in „Gründe I“ so: „Bei diesen Ausschreibungen soll unter anderem die Netzsituation unterhalb der Höchstspannungsebene abgebildet werden und Landkreise identifiziert werden, in denen die Rückspeisung der bereits in Betrieb genommenen EE-Anlagen höher als die dort installierte Höchstlast ist. … Damit die Geschwindigkeit des Zubaus in den Verteilernetzausbaugebieten und mit ihr einhergehend die des weiteren Netzausbaubedarfs verringert werden, haben Gebote für Anlagen im Verteilernetz, die sich auf Gebiete beziehen, einen Malus hinzunehmen.“ Malus: Das ist genau der Betrag jeder einzelnen Landkreis-Verteilnetzkomponente VNK. Dieser Betrag wird auf den Angebotspreis aufgeschlagen. Aber nur, um das Angebot einzureihen, bevor der Zuschlag erteilt wird. „Die Zahlungen werden wieder aufgrund des Gebotswerts berechnet“, schreibt die BNetzA.
Klingt – ja wie eigentlich? Jedenfalls nicht gerade sinnvoll. Denn wenn in zwei Nachbarlandkreisen - beispielsweise Fürth mit VNKPV 0,00 und Ansbach mit VNKPV 0,88 – fast ein Cent künstliche Differenz beim Preisangebot erzeugt wird, dann dürften für diese Ausschreibung kaum Angebote aus AN eingehen. Obwohl dies der flächengrößte und Fürth der flächenkleinste Landkreis in Bayern ist, sprich: Im Kreis Ansbach sind weit mehr freie Stellen für PV-Anlagen vorhanden als im dicht bebauten Kreis Fürth.
Und auch das zweite Argument der BNetzA sticht hier kaum. Während ein Sprecher der Agentur behauptet, die Verteilnetzgesellschaften seien in die Berechnung der VNK eingebunden gewesen, heißt es auf Nachfrage von der Main-Donau-Netz GmbH MDN aus Nürnberg: „Bei der Ausgestaltung der Verteilernetzkomponenten, die die Bundesnetzagentur für verschiedene Verteilernetzausbaugebiete beschlossen hat, spielen die Verteilnetzbetreiber keine aktive Rolle.“ Die MDN ist im Übrigen der Verteilnetzbetreiber für beide Landkreise AN und FÜ.
Ähnliches zeigt sind beim Thema Wind in den direkt nebeneinander liegenden Landkreisen Neumarkt/Opf. (NM) und Nürnberger Land (LAU): Während NM eine VNKWind-Malus von 0,42 ertragen müsste, käme LAU mit 0,00 ohne Aufschlag davon. Interessant dabei: Es gibt sogar bereits landkreisgrenzen-übergreifende Windprojekte. Aber an neue Windkraftanlagen denkt ohnehin in Bayern zurzeit kaum jemand – dank Seehofers 10H-Gesetz. Doch das ist ein ganz anderes Thema.
Doch noch einmal zu Anlagen über Landkreisgrenzen hinweg: Was wäre, wenn jemand beispielsweise eine große Freiflächen-Anlage anböte, die sich dank fehlender Mauern auf zwei benachbarte Landkreise verteilt? Welcher VNK gülte dann? Eine Frage, auf die die BNetzA die lapidare Antwort hat: „Eine juristisch sichere Antwort können wir nicht geben. Rufen Sie beim Bundeswirtschaftsministerium an.“ Bei jenem Ministerium also, das die BNetzA mit der Durchführung der Gemeinsamen Ausschreibung beauftragt hat.
Link zu den wichtigsten Unterlagen einschließlich VNK-Excel-Tabelle