12.01.2018
Im Gespräch mit Sabine Nallinger (Stiftung 2Grad)
Unternehmen für Klimaschutz – Fragen an die „Stiftung 2Grad“
In der „Stiftung 2°“ haben sich deutsche Unternehmen zusammengeschlossen, die die globale Erderwärmung unter 2 Grad halten wollen und sich dafür engagieren. Die Stiftung ist eine Plattform zur aktiven Zusammenarbeit beim unternehmerischen Klimaschutz. In einem Gastkommentar meinte Dr. Michael Otto vom gleichnamigen Handelskonzern: „Der Klimaschutz ist eine große Chance zur Modernisierung unserer Wirtschaft und unseres Landes.“ Herr Dr. Otto ist Vorsitzender des Präsidiums und des Kuratoriums der Stiftung 2°.
Wir hatten die Möglichkeit, einige Fragen an Sabine Nallinger zu stellen, die seit September 2014 Vorständin der Stiftung mit Sitz in Berlin ist.
Frau Nallinger, wie sehen Sie rückblickend die Weltklimakonferenz in Bonn? Sind Sie mit den Ergebnissen zufrieden?
Bei der COP 23 in Bonn wurde das diplomatische Pflichtprogramm erfüllt, lange jedoch noch keine Kür geleistet. Bei einem der wichtigsten Ziele der Weltklimakonferenz – der Erarbeitung der Umsetzungsregeln des Pariser Klimaabkommens, dem sog. Paris Rulebook – wurden wichtige Fortschritte erzielt. Damit ist wichtige Vorarbeit geleistet, um die Umsetzung des Pariser Abkommens transparent und vergleichbar zu machen. Mit 266 Seiten ist der Entwurf des Regelbuchs aber noch viel zu lang, sodass hier noch eine Menge Verhandlungsarbeit reinfließen muss. Wichtig ist auch, dass der sogenannte Talanoa-Dialog gestartet wurde, mit dem ambitionierte Klimaziele erreicht werden sollen. Alles in allem denke ich, dass man zufrieden mit den Bonner Ergebnissen sein kann, es ist aber noch lange keine Steilvorlage für eine erfolgreiche COP 24 im polnischen Katowice – hier liegt noch einiges an Arbeit vor uns.
Hat die Konferenz auch konkrete Auswirkungen auf Ihre Arbeit bei der Stiftung 2° gehabt?
Auf jeden Fall fühlen wir uns bestärkt in unserer Arbeit, da gerade Unternehmen – gemeinsam mit substaatlichen Akteuren wie Regionen, Städten und Kommunen – eine wichtige Rolle bei der COP 23 gespielt haben, nämlich als Treiber. Denn klar ist, dass es gerade auf Unternehmen ganz zentral ankommen wird bei der Erreichung der Pariser Klimaziele. Die Wirtschaft muss dabei als Partner ins Boot geholt werden, um ihre Innovationsfähigkeit für die Transformation zu einer treibhausgasneutralen Welt zu nutzen. Hierfür alle an einen Tisch zu bringen – gerade die Unternehmen – darin sehe ich einen wichtigen Auftrag für die Stiftung 2° und vergleichbare Akteure in anderen Ländern.
Sie haben im November eine Unternehmenserklärung veröffentlicht, in der 52 deutsche namhafte Großunternehmen ihr Bekenntnis zum Klimaschutz abgeben. Das hat in der Zeit der Jamaika-Sondierung durchaus große Beachtung gefunden. Welche Resonanz bekamen Sie darauf?
Die Resonanz auf diese Unternehmenserklärung war wirklich gewaltig, nicht nur in den Medien sondern auch in Verbänden und den Verhandlungskreisen selbst. Ich denke, wir haben damit ein starkes unternehmerisches Unterstützungssignal aus der Wirtschaft für ambitionierten Klimaschutz gesendet und damit wichtige Debatten angestoßen. Dabei ging es nicht nur um einen planbaren und sozialverträglichen Kohleausstieg – was ja besonders stark in den Medien vorkam. Sondern auch um eine ganze Reihe von Themen wie Wärme- und Verkehrswende oder auch einen CO2-Preis. Wichtig ist mir, dass keineswegs nur Unternehmen eine solche Erklärung mitgezeichnet haben, die von der Energiewende profitieren. Vielmehr ist eine ganze Reihe von Unternehmen dabei, die vor riesigen Herausforderungen bei dieser Transformation stehen. Die aber wissen: Die CO2-arme Wirtschaft kommt. Und sich sagen: Dann bringe ich mich lieber mit meinen Interessen ein und setze mich an die Spitze dieser Entwicklung.
Die Unternehmenserklärung haben Betriebe aus unterschiedlichsten Branchen, von Bau bis Nahrungsmittel unterschrieben. Warum ist da aber keine Versicherung dabei? Diese Branche ist ja am direktesten mit den Auswirkungen der Klimaänderung konfrontiert?
Also, bei unserer internationalen Unternehmenserklärung, die auch auf das Thema finanzielle Klimarisiken eingegangen ist und die die Stiftung 2° anlässlich des „One Planet Summit“ in Paris initiiert hat, war z.B. die Allianz dabei. Oder auch Investmentfirmen, z.B. aus Afrika. Aber unabhängig davon, ob nun das ein oder andere Unternehmen bei einer Erklärung dabei war oder nicht, sehe ich, dass auch die Finanz-, Investment- und Versicherungsbranchen sehr klar vor Augen haben, wie die Wirtschaft sich entwickeln muss und welche Rolle ihre Branchen dabei spielen müssen. Alleine schon aus reinen Geschäftsinteressen. Denn heute noch in Geschäftsmodelle zu investieren, die von fossilen Energieträgern abhängig sind, kann schnell zur fragwürdigen und sehr risikobehafteten Entscheidung werden. Das stimmt mich zuversichtlich, da mit klimaverträglichen Investitionen sehr viel und sehr schnell in Bewegung kommen kann und wird.
Welche konkreten Maßnahmen im Bereich Energie-/Wärme- und Verkehrswende sollten von der neuen Regierung in Deutschland -sofern diese gefunden wird – aus Ihrer Sicht am schnellsten umgesetzt werden?
Am meisten drückt der klimapolitische Schuh sicherlich im Verkehrsbereich, wo die Treibhausgasemissionen nicht sinken. Das ist neben der Klimapolitik aber auch ein Problem für den Wirtschaftsstandort Deutschland, da unsere Automobilkonzerne die Trendwende zur Elektromobilität zu verpassen drohen. Für wichtig halte ich es zudem, dass Deutschland seine 2020-Klimaziele einhält und hierbei insbesondere die besonders klimaschädliche Kohleverstromung schrittweise, aber sehr zügig verringert. Hierfür einen Kohlekonsens zu entwickeln, der nicht nur den Unternehmen ihre Bedenken hinsichtlich der Versorgungssicherheit und auch Strompreise nimmt, sondern auch die betroffenen Regionen nicht zurücklässt – das sollte ganz oben auf die Agenda einer neuen Bundesregierung. Nicht zuletzt halte ich es für notwendig, eine wirksame CO2-Bepreisung einzuführen. Als marktwirtschaftliches Instrument sollte ein CO2-Preis eine zentrale Rolle spielen.
Welche weiteren aktuellen Projekte hat die Stiftung derzeit?
Die Stiftung 2° treibt eine ganze Reihe von Aktivitäten voran, eine möchte ich jedoch hervorheben: Mit dem Verbundprojekt „Auf dem Weg in die <2°-Wirtschaft“ bringt die Stiftung 2° gemeinsam mit dem WWF Unternehmen zusammen, die über Unternehmensgrenzen hinweg und entlang von Wertschöpfungsketten in den drei Themenclustern Verkehr, Gebäude und industrielle Produktion emissionsmindernde Projekte entwickeln. Dafür haben wir gemeinsam mit den Unternehmensvertretern einen Blick in die Zukunft – genauer gesagt das Jahr 2050 – geworfen, um uns dann die Frage zu stellen: Was müssen wir heute tun, um später dort zu laden, wo wir hinwollen? Nämlich hin zu einer treibhausgasneutralen Wirtschaft. Das ist ein sehr spannendes Projekt und ich freue mich nicht auf die weitere Entwicklung der einzelnen Projekte, sondern hoffe auch, dass das ein oder andere übertragbar und nutzbar sein wird für weitere Unternehmen und Branchen.
Welche Motivation haben die Firmen, der Stiftung 2° beizutreten?
Für die Förderunternehmen der Stiftung 2° ist Klimaschutz nicht nur eine moralische Frage, sondern auch eine wirtschaftliche Chance. Daher setzen sich die Unternehmen in der Stiftung 2° dafür ein, die Rahmenbedingungen zu schaffen, die unternehmerischer Klimaschutz braucht, um erfolgreich zu sein. Die Stiftung 2° ist eine CEO-Initiative, in der Unternehmer aus ganz unterschiedlichen Branchen zusammenkommen, die nicht nur reden, sondern auch handeln. Dass man hier gemeinsam etwas für den unternehmerischen Klimaschutz bewirken und bewegen kann, das ist für viele der Förderer sicherlich eine wichtige Motivation ihrer Mitarbeit.
Ich vermute, da ist viel Überzeugungsarbeit und Organisatorisches zu leisten, bis ein Unternehmen dabei ist, oder? Bei wem ging das am schnellsten?
Uns ist wichtig, dass wir die gesamte Wirtschaft in der Stiftung 2° abgebildet haben. Und wir sind gerade auch an den Unternehmen und Branchen interessiert, die nicht direkt und automatisch zu den Gewinnern der Energiewende zählen, die diese Transformation aber mitgehen und mitgestalten wollen. Daher kann es auch mal länger dauern, sich gegenseitig kennenzulernen. Am schnellsten sind CEOs aber meistens zu überzeugen, wenn ihnen andere CEOs von der Stiftung berichten und ihnen direkt sagen, warum ihnen die Stiftungsarbeit wichtig ist.
Weitere Informationen: www.stiftung2grad.de.
Die Fragen stellte Jörg Sutter (DGS).