11.05.2018
Die Energiezukunft scheint rußig-schwarz
Ewiges Leben für Kohle und Öl? Agenda 21: Weiß noch jemand, was dieses Kürzel bedeutet? Nein, es hat überhaupt nichts mit der sozialdemokratischen Agenda 2010 zu tun, mit der Einführung des als „Hartz IV“ bekannten Arbeitslosengelds II. Dessen langzeitarbeitslose Bezieher sind laut dem aktuellen CDU-Bundesgesundheitsminister bekanntlich „nicht arm“. Agenda21: Das ist jenes „von 172 Staaten auf der Konferenz für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen (UNCED) in Rio de Janeiro 1992 beschlossene Aktionsprogramm der Vereinten Nationen, das Leitlinien für das 21. Jahrhundert, vor allem zur nachhaltigen Entwicklung gesetzt“ hat. So steht es im www-Lexikon Wikipedia.
Doch wir meisten Menschen haben die Agenda21 völlig aus den Augen verloren. Da geht es uns nicht anders als fast allen damals beteiligten Regierungen. In der Agenda 21 hatten nicht nur wir Deutschen ja beispielsweise versprochen, den CO2-Ausstoß nachhaltig zu senken. Inzwischen gibt es gerade bei uns eine gegenläufige Tendenz: Die Industrie in der Ex-DDR lässt sich halt nicht ein zweites Mal plattmachen. Aber genau das hatte den ersten CO2-Einbruch hierzulande ausgelöst.
Unsere Regierung traut sich auch nicht, den Kohleausstieg ernsthaft festzuschreiben, Jahreszahlen zu nennen, Alternativen zu fördern. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien wird nicht erst seit Start der jetzigen GroKo II bewusst behindert. Grund genug für den Solarenergie-Förderverein Aachen (SFV), nun eine „Verfassungsbeschwerde gegen die Bundesregierung wegen Verletzung des Grundrechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit durch Vernachlässigung der notwendigen Klimaschutzanstrengungen“ loszutreten. Auch Prof. Volker Quaschning von der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin will als Einzelkläger neben dem SFV vor das Bundesverfassungsgericht ziehen.
Doch während Umweltverbände oder Klimawissenschaftler spätestens für das Jahr 2050 eine CO2-neutrale Energieversorgung fordern – sektorübergreifend für Strom, Wärme, Verkehr, wohlgemerkt – schwärmt die Öllobby von ihrer „VISION 2050“. Die „soll den Weg zu klimaschonender Raffinerie ebnen“, haben die Herren (von Damen ist nicht viel zu sehen) der europäischen Mineralölwirtschaft dieser Tage auf ihrem „Raffinerie-Forum“ in Brüssel verkündet.
Kathrin Hartmann hat über solches „Greenwashing“ ein brandaktuelles Buch geschrieben: „Die grüne Lüge - Weltrettung als profitables Geschäftsmodell“ heißt es. „Wer die Macht hat, kann alles nach Belieben definieren, ist Hartmanns große These“, hat ein Kritiker das Werk treffend zusammengefasst.
Und so ist es eigentlich unglaublich, aber laut Hartmanns These auch wieder ganz normal: „Dominique Ristori, der Chef der Generaldirektion Energie der EU-Kommission (DG Energy), erinnerte an die strategische Bedeutung der Raffinerieindustrie für die europäische Energiewende“, steht in einer Presseerklärung des Mineralölwirtschaftsverbands MWV zu besagtem „Raffinerie-Forum“.
Wohlgemerkt: Der MWV ist ein eingetragener Verein (e.V.). Eigentlich habe ich bislang gedacht, e.V.s hätten die Pflicht, etwas für die Allgemeinheit zu tun. Der Verbrauch von Ressourcen und das Hinausblasen von CO2 in die Luft sind jedenfalls nicht gut für die Allgemeinheit.
Was der menschengemachte Klimawandel der Natur und der Allgemeinheit antut, haben sich übrigens die Großkoalitionäre in dieser Woche hautnah ansehen können: Vom Zugspitzgipfel aus konnten sie auf den zusammenschmelzenden Schneeferner blicken, einen der letzten Gletscher Deutschlands. Doch statt etwas für Erneuerbare und gegen die Altenergien zu tun, haben die drei GroKo-Fraktionsführenden Dobrindt Kauder und Nahles auf heile Welt gemacht und sich gesonnt. Vielleicht lösen sich mit dem Schneeferner-Eis auch die letzten Reste der Agenda 21 auf. Die Greenpeace-Projektion an der Felswand konnten die Groß-Koalitionierenden von ihrer hohen Warte aus jedenfalls nicht sehen.
Es ist zu befürchten, dass CDU, CSU und SPD stattdessen bald dem Ruf der Mineralölwirtschaft Folge leisten werden. Der MWV hat ja nicht nur die Generaldirektion Energie aufgerufen, sondern die ganze EU, sie bei der Umsetzung ihrer „VISION 2050“ zu unterstützen. Also jene grüngewaschene Raffinerie, die ja wohl die rußige Zukunft der Energieversorgung sicherstellen soll.
Noch einmal sei die Hauptthese aus Kathrin Hartmanns Buch zitiert: „Wer die Macht hat, kann alles nach Belieben definieren.“ Offenbar haben gewählte Regierungen nicht diese Macht. Sonst würden sie sich stattdessen ernsthaft für die Agenda 21 einsetzen.
Heinz Wraneschitz