10.08.2018
Auf ein Wort: Claudia Kemfert
Claudia Kemfert leitet seit 2004 die Abteilung „Energie, Verkehr, Umwelt“ am DIW in Berlin und ist seit 2009 Professorin für Energieökonomie an der Hertie School of Governance in Berlin. Sie hatte auf der Messe Intersolar Europe 2018 in München unter Moderation von Franz Alt einen Gastvortrag für den Georg-Salvamoser-Preis gehalten. Die DGS bekam einen der Preise für die Arbeitsgruppe PVPlug überreicht. Anlässlich der Veranstaltung konnte DGS-Vizepräsident Jörg Sutter ihr ein paar Fragen stellen:
DGS: Welche Bedeutung haben Preise wie der Georg-Salvamoser-Preis in der Erneuerbaren-Szene?
Kemfert: Derartige Preise und Auszeichnungen haben grundsätzlich eine wichtige Bedeutung, da sie zum einen Preisträger auszeichnen, die sich in besonderer Weise für die Energiewende und Erneuerbaren Energien verdient gemacht haben. Ein solcher Preis ist daher sowohl eine enorme Auszeichnung für die jeweiligen Preisträger und vor allem auch Motivationshilfe. Zum anderen erhöht der Preis die Aufmerksamkeit für das Thema und kann ein guter Ansporn für alle Akteure der Energiewende sein.
DGS: Sie haben auf der Messe selbst von einer Facebook-Gruppe für Ihren Einsatz einen Preis verliehen bekommen. Das war auch etwas Besonderes, oder?
Kemfert: Durchaus! Der Preis „Energieheld 2018“ wurde von Facebooknutzern mittels Abstimmung ermittelt. Dass ich den Preis gewonnen habe, obwohl die Konkurrenz durchaus groß war, macht mich stolz und glücklich. Ich freue mich riesig über diese Auszeichnung, sie ist ein Beleg dafür, dass es durchaus zahlreiche Akteure und aktive BürgerInnen gibt, die sich auch in den sozialen Netzwerken positiv für die Energiewende einsetzen. Dies ist besonders wohltuend in einer Zeit, wo immer mehr Ablehnung auch gegen die Energiewende in immer aggressiverer Form auch in den sozialen Netzwerken um sich greift.
Ihr Gastvortrag trug den Titel „Klimaschutz jetzt! Ökonomische Argumente für die Energiewende“. Was hat sich in der Umsetzung der Energiewende die letzten Jahre ökonomisch verändert?
Kemfert: Das Wichtigste ist, dass die Kosten Erneuerbarer Energien immer weiter sinken und zunehmend wettbewerbsfähig werden. International fließen immer mehr Investitionen in Erneuerbare Energien, was Innovationen und somit technologische Vorteile mit sich bringt, zudem werden die Wertschöpfung und Arbeitsplätze im Bereich der Erneuerbaren Energien erhöht. Je mehr Erneuerbare Energien eingesetzt werden, desto weniger fossile Energien müssen importiert werden, dies lindert die Anfälligkeit für fossile Energie-Konflikte.
Welche Themen sollte die Politik in Berlin aus Ihrer Sicht aktuell am schnellsten anpacken, damit die Energiewende erfolgreich wird?
Kemfert: Die Erneuerbaren Energien sollten deutlich schneller ausgebaut werden, es sollten Anreize für den lastnahen Zubau samt optimierten Lastmanagement und dezentraler smart grids und Speicher geschaffen werden. Zudem muss der Kohleausstieg heute eingeleitet und bis 2030 abgeschlossen sein. Energiesparmaßnahmen im Gebäudebereich sollten forciert und die nachhaltige Verkehrswende inklusive Elektromobilitätsquote und Erhöhung der Dieselsteuer sowie Einführung der blauen Plakette eingeführt werden.
Glauben Sie daran, dass die sog. „Kohlekommission“ eine gesellschaftlich konsensfähige Lösung zum Kohleausstieg zustande bekommt?
Kemfert: Dies bleibt abzuwarten. Monate hat es allein gedauert, bis die im Koalitionsvertrag vereinbarte Kohlekommission eingesetzt wurde, lange hat man gerungen und gestritten, wer in dieser Kommission vertreten sein sollte. Allein dies ist ein Zeichen, wie uneins sich Bundes- und Landesregierungen bei der Ausgestaltung des Kohleausstiegs und der Erarbeitung eines klugen Strukturwandels sind. Um die Klimaziele noch zu erreichen, sollten in einer ersten Phase alte und ineffiziente Kohlekraftwerke vom Netz, um dann mehr Flexibilität der Kapazitätsdrosselungen und -anpassungen der verbleibenden Kraftwerke zu haben. Der Kohleausstieg muss spätestens bis 2030 oder 2035 abgeschlossen sein. Welche Empfehlungen die Kommission erarbeiten wird, bleibt abzuwarten. Fakt ist jedoch: je länger man wartet, desto schwieriger wird es.
Wie stehen Sie zu Einsatz von Stromspeichern und Elektromobilität? Werden wir in 20 Jahren all-electric sein?
Kemfert: Da die Erneuerbaren Energien im Zentrum des künftigen Energiesystems stehen werden, ist eine direkte Elektrifizierung des Verkehrs technologisch und wirtschaftlich effizient und mit einem realisierbaren Zubau der Anlagen vereinbar. Die Einbindung von Batterien kann künftig systemdienlich zur Stromspeicherung und Entlastung der dezentralen Netze beitragen. Der Güterverkehr kann ebenso mit elektrischen LKWs oder aber direkt auf der Schiene stattfinden. Für lange Distanzen bieten sich flüssige Treibstoffe an, die aus Erneuerbaren Energien gewonnen werden, wie beispielsweise Power to Gas. Der großflächige Einsatz von Power to Gas oder Wasserstoff für alle Verkehrsbereiche würde einen bis zu siebenfachen Mehr-Ausbau Erneuerbarer Energien nach sich ziehen. Und es bedarf einer adäquaten Infrastruktur, die heute errichtet werden muss. In 20 Jahren wird man es kaum erreichen können, aber die Weichenstellungen müssen heute getätigt werden.
Gab es auf der Intersolar Europe Produkte oder Firmen, die Sie besonders beeindruckt haben?
Kemfert: Mich hat auf der Intersolar besonders begeistert, dass die Sektorenkopplung, d.h. die Verbindung von Stromproduktion aus Erneuerbaren Energien und dem Einsatz im Mobilitäts- und Gebäudebereich in vollem Gang ist. War vor Jahren noch die Stromproduktion mit Solarenergie im Fokus, werden heute Kombinationsmöglichkeiten mit Mobilität samt Speicher nicht nur für Individualnutzer sondern auch energieintensive Industrien und ganze Stadtquartiere angeboten. Das ist gelebte Energiewende pur und zeigt die Innovationskraft dieser Branche.
Sie kennen unseren Verband, die DGS, z.B. durch die Arbeitsgruppe PVplug, die in München den Preis für ihr Engagement für Balkon-PV-Anlagen erhielt. Was können Sie uns als Solarverband mit gut 2.500 Mitgliedern auf den Weg geben?
Kemfert: Solarenergie wird immer bedeutsamer, da sie konkurrenzfähig ist und immer mehr Länder aktiv den Klimaschutz und Energiewende fördern. Gerade dezentrale Anlagen haben enorme Potentiale, nicht nur weil sie preiswerter sind sondern auch und gerade weil es gelebte Bürgerenergie ist. Wichtig ist, dass transparente Informationen über Potentiale und Kostenvorteile von Solarenergie bei den Menschen direkt ankommen, und dass sowohl für Mieter, Hauseigentümern und auch Handwerker. Oftmals herrscht noch immer eine Unkenntnis vor, die nur dann behoben werden kann, wenn breit und transparent informiert wird. Dazu kann auch die DGS beitragen.