09.02.2018
Klimamanipulation oder "Was kann da schon schief gehen?"
Vor drei Wochen hatten wir in unserem Artikel "Bad Policy oder wie schlecht unsere Regierung wird" die Befürchtung geäußert, dass Geo-Engineering ein wichtiges Instrument eines langfristigen, strategischen Ziels unserer Regierung ist. Denn möglicherweise orientiert man sich im Merkel-Berlin längst an einer ganz anderen Art von Klimafahrplan. In ihm dienen die Begriffe „Brückentechnologie“ und „Technologieoffenheit“ dazu, zunächst alle wirtschaftlichen Möglichkeiten der Verbrennung fossiler Rohstoffe auszuschöpfen, um anschließend das neue epochale Zeitalter des Geo-Engineering (oder Climate Engineering) zu verkünden. Das ist nur eine Vermutung und hat wie bereits geschrieben nichts mit Verschwörungstheorie zu tun.
Geo-Engineering steht für eine Politik, der es nicht um die Bekämpfung der Klimakatastrophe, sondern vielmehr um den Profit daraus geht. Gerne wird in dem Zusammenhang auch immer wieder von einem „bezahlbaren Klimaschutz ohne Strukturbrüche“ gesprochen. Dass Geo-Engineering keine akzeptable Lösung ist beschreibt ein aktueller Artikel des Londoner Guardians. Er zeigt auf, dass die Klimaziele mit Technologien des Geo-Engineerings nicht erreicht werden können, da sie entweder große Umweltschäden verursachen bzw. zuzulassen oder sehr kostspielig sind. Anbei eine freie Übersetzung.
- „In einer Veröffentlichung der europäischen Wissenschaftsakademien (EASAC) wird gewarnt, dass die Möglichkeiten, Kohlenstoffdioxid aus der Luft abzusaugen, nicht in dem Ausmaß funktionieren werden, wie es für die Bekämpfung des Klimawandels notwendig wäre. Sowohl die einfache Baumpflanzung (siehe Artikel Von Biomasse-Plantagen und stofflicher Holznutzung aus der letzten Woche) als auch die Filterung von CO2 aus der Luft, alle diese "Wunderwaffen" zur Eindämmung der globalen Erwärmung, sind entweder ein riesiges Umweltrisiko oder wahrscheinlich sehr kostspielig. Nahezu alle Wege, die der Ausschuss für Klimaänderungen (IPCC) der Vereinten Nationen zur Erreichung der Ziele des Pariser Abkommens beschreitet, erfordern in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts den massiven Einsatz so genannter negativer Emissionstechnologien (NET).
Der Grund dafür ist, dass die Reduzierung der CO2-Emissionen zu langsam erfolgt und ein Level der Null-Emissionen zu spät erreicht wird, so dass die Überschreitung später mittels NET wieder aufgefangen werden müsste. Der IPCC rechnet damit, dass nach 2050 etwa 12 Mrd. Tonnen pro Jahr erfasst und gespeichert werden müssen – was etwa einem Drittel aller weltweiten Emissionen heute entspricht. Einer der Autoren des Berichts, Prof. John Shepherd von der Universität von Southampton, gab zu bedenken, dass die NET zwar sehr interessant seinen, aber keine keine Alternative zu tiefgreifenden und schnellen Emissionsreduktionen darstellen. Diese allein bleiben die sicherste und zuverlässigste Option, die wir haben.
Der neue Bericht der EASAC, welcher die Europäische Union berät und sich aus den nationalen Wissenschaftsakademien der 28 Mitgliedsstaaten zusammensetzt, warnt davor, dass die Verwendung von NET anstelle von Emissionssenkungen scheitern und zu einer starken globalen Erwärmung und "ernsten Folgen für künftige Generationen" führen könnte. Der Bericht bewertet die Bandbreite möglicher Technologien, darunter "Bioenergie mit Kohlenstoffabscheidung und -speicherung" (BECCS), auf die sich die IPCC-Szenarien stark stützen. Bei BECCS werden Bäume gezüchtet, die der Atmosphäre CO2 entziehen. Diese werden anschließend für die Stromerzeugung thermisch verwertet, dabei entstehende Emissionen werden aufgefangen und vergraben.
Prof. Michael Norton, der Programmdirektor der EASAC, sowie ein weiterer Autor des Berichts, befürchten gravierende Nachteile. Dazu gehören der enorme Flächenbedarf und der Energiebedarf für die Herstellung und Lieferung des Kraftstoffs. Darüber hinaus könnte es den bereits eingetretenen enormen Verlust an Wildtieren – das sechste Massensterben - noch verschlimmern. Die Auswirkungen auf die Biodiversität in der geplanten kolossalen Größenordnung wären gravierend", so Norton. Die Aufforstung neuer Wälder und die Verbesserung der Böden könnten CO2 zu relativ geringen Kosten aus der Luft entfernen, aber derzeit verliert die Welt Bäume und Boden, die Umkehrung dieser Trends ist somit bereits eine gewaltige Herausforderung. Die Hightech-Perspektive besteht darin, CO2 direkt aus der Luft zu filtern. Jedoch existiert derzeit weltweit aber nur eine einzige solche Anlage, welche gerade mal 1.000 Tonnen pro Jahr einfängt. Abgesehen von den technischen Schwierigkeiten gibt zudem noch keine signifikante Steuer auf CO2-Emissionen. Im Moment wird das auch niemand anschieben, denn niemand möchte dafür bezahlen", sagte Shepherd.
Nichts desto trotz heißt es im Bericht, sollte die Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der NET fortgesetzt werden, da sie eine wichtige, kleinere Rolle bei der Bewältigung von Emissionen spielen könnten, die, wie etwa in der globalen Luftfahrtindustrie, nur schwer zu vermeiden sind. Auch wenn heute über elektrische Flugzeuge gesprochen wird, erwarte ich nicht, dass ich in meinem Leben in einem davon fliege", sagte Shepherd. "Es könnte billiger sein, einen Weg zu finden, es aus der Atmosphäre zu entfernen und die Flugzeuge weiter fliegen zu lassen." Der neue Bericht ist wissenschaftlich fundiert und politisch wichtig", sagte Phil Williamson von der britischen Universität von East Anglia (Ostanglien).
Die Kernaussage ist klar genug: Eine Sanierung darf nicht um 50 Jahre verschoben werden, wie es derzeit bei den meisten Emissionsszenarien zur Vermeidung von Klimachaos der Fall ist. Die Prioritäten bleiben aber gemäß ihrer Größenordnung: die Reduzierung der unrealistischen Nutzung negativer Emissionen in Klimamodellen und die ambitionierte Ausweitung der Netto-Null-Emissionen, um diese so schnell wie möglich zu erreichen.“
In dem Buch „Madhouse Effect“ des amerikanischen Klimaforschers Michael E. Mann, das in Kürze in einer aktualisierten Fassung auch in Deutsch erscheinen wird, schreibt er unter anderem (Das Buch widmet ein ganzes Kapitel dem Thema Geo-Engineering):
- "The fundamental problem of geoengineering solutions is the monumental danger of tinkering with a complex system that we don’t fully understand—Earth’s climate system and the delicate, complex web of ecosystems that it supports. A crudely applied speculative mechanical fix might make things worse, not better. It is simply impossible to know or game out all the unintended consequences of deploying an untested technology on such a massive scale.
Compare this scenario with an experimental new treatment for a disease. “What’s wrong with experimental medical treatments?” you ask. Well, consider the history of medicine. It is a history of many wrong turns and, unfortunately, many fatal results. Gains have accumulated over time, but a lot of time is required to get a treatment right. And in the case of global warming, there is only one patient, planet Earth, and we can’t afford a fatality. There are no opportunities for controlled, randomized trials. There can be no control group. You may be treating the malady with aspirin, or you may be treating it with thalidomide. The proposed cure could well be worse than the disease. Indeed, it could prove fatal.
Although the threat the planet is facing is huge in scale, its cause is profoundly simple: an unhealthy dose of carbon dioxide. The simplest and safest solution is to address the problem at its root cause."
Auf dem Blog Clean Energy findet man eine Übersicht über die fünf negativen Emissionstechnologien auf Basis des Reports des European Academies‘ Science Advisory Council. Dort wird sehr gut erklärt, warum diese im Großformat nicht so leicht umsetzbar sind.
Eine große Gefahr von Klimamanipulationen liegt letztendlich darin, dass ihre Anwendung möglicherweise nur zu einem temporären Abbremsen der Klimaerwärmung führt. Je erfolgreicher die Manipulation, umso geringer könnte unser Bestreben werden, weniger CO2 in die Atmosphäre abzuladen. Lösen wir das Problem vor allen technologisch, könnte jede Unterbrechung der Maßnahmen, zu einem noch schnelleren Anstieg der globalen Temperatur führen. Da das Problem des Klimawandels nicht nur der Temperaturanstieg als solches, sondern vor allem die Geschwindigkeit der Klimaänderung ist, könnte der Begriff des abrupten Klimawandels eine ganz neue Bedeutung erhalten.
Links
The Guardian: ‘Silver bullet’ to suck CO2 from air and halt climate change ruled out
Carbon Brief: Negative emissions have ‘limited potential’ to help meet climate goals
Clean Energy: Fünf negative Emissionstechnologien – Rettung für Pariser Klimaabkommen?
Huffington Post: The Largest Number Of Scientists In Modern U.S. History Are Running For Office In 2018