09.12.2016
Der Atomausstieg ist verfassungskonform und lässt an den Kohleausstieg denken
Am 6. Dezember 2016 hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe sein Urteil zu den Klagen von Eon, RWE und Vattenfall gegen die AKW-Laufzeitverkürzungen nach dem Super-GAU von Fukushima verkündet. Das Abschalten der AKWs ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Damit sind die Milliardenforderungen der drei Atom-Konzerne – die EnBW als Unternehmen im Staatsbesitz hatte sich der Klage nicht angeschlossen – im Wesentlichen vom Tisch. Sie hatten eine „Entschädigung“ für die Rücknahme der 12-jährigen Laufzeitverlängerung angestrebt, die sich bei Erfolg auf rund 19 Mrd. € belaufen hätte. Bis auf wenige Details ist die Verkürzung der Laufzeiten im Jahr 2011 ohne staatliche Kompensationszahlungen rechtens. Wie hoch eventuelle Restzahlungen ausfallen, steht noch nicht endgültig fest, es soll sich um einige hundert Mio. € handeln.
Die damalige schwarz-gelbe Regierung hatte im Jahr 2011– mit Zustimmung von SPD und Grünen – die erst im Dezember 2010 beschlossene AKW-Laufzeitverlängerung weitgehend wieder zurück genommen. Für jeden der 17 Reaktoren wurde die jeweilige Betriebsgenehmigung terminiert. Acht Anlagen mussten sofort vom Netz gehen, die restlichen neun sollen in Etappen bis Ende 2022 folgen. Während die Stromkonzerne dies als Enteignung anprangerten, sieht das höchste deutsche Gericht darin nun eine „Risikominderung von ganz erheblichem Ausmaß“. Die Eigentumsfrage sei nur in so weit tangiert, als der Gesetzgeber das Nutzungsrecht eingeschränkt habe. Über dieses Recht verfüge der Staat im Rahmen seiner Gesamtverantwortung aber eindeutig, da es sich bei der Atomkraft um eine „Hochrisikotechnologie …mit extremen Schadensfallrisiken handelt“, die zudem „mit bisher noch nicht geklärten Endlagerproblemen belastet ist“. Das Atom-Risiko nach dem Super-Gau in Japan neu zu bewerten und daraus Konsequenzen zu ziehen, sei „ein legitimes Regelungsziel“ und bewege sich im Rahmen der verfassungsgemäßen Aufgaben von Regierung und Parlament, so das Gericht. Atomkraftwerke sind nach Auffassung der Karlsruher Richter „Eigentum mit einem besonders ausgeprägten sozialen Bezug“ was den Gesetzgeber befuge, dieses Eigentum auch zu beschränken.
Die Bewertungen, die durch die Medien gingen, waren recht unterschiedlich und reichten, je nach Blickwinkeln, von „Niederlage“ oder „Teilerfolg für die Konzerne“ bis „Konzernen steht Entschädigung für Atomausstieg zu“ (Die Welt). Natürlich ist die Frage der Entschädigung für die klagenden Konzerne von Bedeutung. Ist ihr Geschäftsmodell mit der atomaren und fossilen Verbrennungstechnik im Zentrum, das seit Mitte der dreißiger Jahre so erfolgreich und unumstritten war, auch von den Erneuerbaren Energien auf den Müllhaufen der Geschichte befördert worden, so kämpfen sie doch mit großer Entschlossenheit gegen ihren Untergang. Da reiht sich der Gang vor das Bundesverfassungsgericht nur als ein Baustein in eine Gesamtstrategie ein. Erinnert sei an das verbale Umschwenken der Konzern seit den Energiewendegesetzen 2011 auf das „Ja zur Energiewende“, das immer ein „Ja aber… „ war. Es hat RWE und Co. nicht daran gehindert, nach Karlsruhe zu gehen, um aus dem Atomausstieg noch Kapital schlagen zu wollen. Mit langem Arm bremsen sie nicht nur den Ökostrom aus – wir kennen die Verdrehung des EEG in sein Gegenteil - sie lassen sich auch Teile ihrer unrentablen Kohlekraftwerke als Kapazitätsreserve vergolden. Und auch die in diesem Jahr getroffene Regelung über die Rücklagen für den Rückbau der Atommeiler sind letztlich ein Milliardengeschenk für die AKW-Betreiber, den mit 23 Mrd. €, die sie nur noch aufbringen müssen, kommen sie spottbillig dabei weg. Es handelt sich um 32 AKW’s, für deren Abriss sie nicht einmal eine dreiviertel Milliarde aufbringen müssen. Den Rest darf der Steuerzahler zahlen. Um die Größenordnungen zu verdeutlichen: Die Kosten für den Abriss des AKW in Lubmin nahe Greifswald belaufen sich inzwischen auf rund sechs Mrd. € – und das Monster ist noch weit entfernt davon, umweltverträglich beseitigt zu sein. Gegen diese Größenordnungen sind die Tricksereien mit der Brennelementesteuer, deren Abschaffung die Konzerne der rot-grünen Koalition ins Stammbuch geschrieben haben, eigentlich nur „peanuts“.
Der Kampf um jeden Euro, wie es das Beispiel gerade der Brennelementesteuer zeigt – das Auswechseln ausgelutschter Brennelemente wird bis zum 1. Januar 2017, dem Datum des Wegfalls dieser Steuer hinausgezögert – zeigt die strategische Ausrichtung. Das alte Geschäftsmodell soll nicht auf immer und ewig erhalten werden. Mit dem Geld soll Zeit erkauft werden, bis es gelungen ist, ein neues Geschäftsmodell zu etablieren. Dem dient die Aufspaltung der Konzerne RWE und Eon in jeweils eine bad und eine good comany, ganz nach dem Vorbild der Banken. Innogy von RWE und Uniper von Eon sind deshalb in diesem Jahr an die Börse gebracht worden. Sind sie stabil und ertragreich genug, können die Altgesellschaften vom Markt genommen werden. Soll heißen, mit der alten Technologie und all dem was dran hängt, in den Konkurs gehen. Und man kann vermuten, dass diese Strategen dies nicht zu Lasten der hoffnungsvollen Neukonzerne abwickeln wollen, sondern dem Steuersäckel die Hauptrolle zuschustern wollen. Allerdings soll das noch bis in die Mitte der vierziger Jahre hingezogen werden.
Darin manifestiert sich der andere Ansatz der Energiewende, mit dem die Bürgerenergie nun konfrontiert ist. Die alten Konzerne verfolgen ein Konzept der Energiewende mit großen zentralen Kraftwerkseinheiten, seien es GuD oder Offshore Wind - Solar ist zu kleinteilig – vor allem aber mit einer weitgehend zentralen Systemverantwortung im Strom- bzw. Energiesystem. Denn alles entwickelt sich in Richtung Sektorkopplung und das verspricht ein neues Goldgräberfeld für Strom. Unter diesem Gesichtspunkt lohnt es, das Grünbuch Energieeffizienz aus dem Hause Gabriel zu lesen. Strom für die Mobilität und für die Wärme lautet die Botschaft. Ob die Zeit für die Freunde dieser dunkelgrauen Energiewende reicht, ist offen. Ob ein Ausstieg aus der Kohleverstromung 2025 beginnt oder erst 2045 dürfte für das Monopolkonzept Energiewende der Knackpunkt sein. Vor diesem Hintergrund ist die Argumentation des Bundesverfassungsgerichtes interessant. Denn die Kohleverstromung ist auch eine „Risikotechnologie von ganz erheblichem Ausmaß“ und deren Beseitigung ein legitimes Regelungsziel. Die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts passt zu den Beschlüssen der Pariser Klimakonferenz.
Links:
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Wortlaut
Der Staat darf Atomkraftwerke abschalten – und es kostet wenig, ausgestrahlt 07.12.16
RWE kündigt Milliardengewinne der „Öko-Tochter“ Innogy an, DGS-Online vom 05.08.16