07.09.2018
Nordostpassage als Alternative für Erdgastransport
„Wir werden Deutschland zum Standort für LNG-Infrastruktur machen“. Dieser kurze Satz aus der Koalitionsvereinbarung 2018 schien keine große Bedeutung zu haben. Deutschlands Verbraucher werden ja über riesige Erdgaspipelines, zum großen Teil aus Russland, versorgt. Im Blickfeld der öffentlichen Diskussion steht die Nord Stream 2 Pipeline, die gegenwärtig als Erweiterung der schon vor Jahren durch die Ostsee gelegten Nord Stream 1 gebaut wird. Im Übrigen wird LNG als verflüssigtes Erdgas (liquefied natural gas) mehr mit dem Fracking-Gas aus USA in Verbindung gebracht, seit Präsident Trump lautstark einen Marktzugang speziell in Deutschland gefordert hat. Auch wenn hierzulande bislang kein Anlandeterminal für LNG existiert, beziehen deutsche Gasversorgungsunternehmen den Stoff in überschaubaren Mengen über benachbarte Staaten - Belgien, Niederlande, oder andere europäische Häfen. Das erste LNG-Terminal in Deutschland soll wohl im schleswig-holsteinischen Brunsbüttel entstehen, in Konkurrenz dazu sind auch das niedersächsische Stade bzw. Wilhelmshaven im Gespräch.
Jetzt kommt Bewegung in das Thema LNG und das hat mit dem Klimawandel zu tun. „Die Container-Reederei Maersk schickt ein Schiff durch die Nordostpassage“, schrieb am 31. August 2018 die Süddeutsche Zeitung und lenkte den Blick auf eine Entwicklung, die zwar seit längeren bekannt ist, bislang aber nicht groß zur Kenntnis genommen wurde. Das Eis auf den Polarmeeren zieht sich immer weiter zurück und eröffnet neue Seewege. Die Nordostpassage ist ein Seeweg im Nordpolarmeer entlang der Nordküste Eurasiens, der Atlantik und Pazifik verbindet. Dieser ist rund 6.500 Kilometer lang und führt vom Weißen Meer durch die Barentssee bis zur Beringstraße. Aufgetaut und zumindest in den Sommermonaten passierbar, wäre sie für viele Schiffe von Asien nach Europa kürzer als die südliche Strecke durch die Straße von Malakka bei Singapur und den Suezkanal.
Moskau möchte den Verkehr auf der Nordostpassage ausbauen und investiert in Eisbrecher und Häfen. Denn der Hauptteil der Strecke liegt innerhalb der russischen Wirtschaftszone. Wer sie befahren möchte, braucht die Zustimmung von Putins Behörden. Noch ist das Transportaufkommen gering, aber in Erwartung des weiteren Klimawandels setzte Präsident Putin erst im Mai dieses Jahres schon mal ehrgeizige Ziele für die neue Strecke: Bis 2024 sollen 80 Millionen Tonnen Güter über die Nordostpassage verschifft werden. Auch China ist am Ausbau dieser Strecke massiv interessiert und arbeitet an einer Arktis-Strategie. Nun ist der Verlauf des Klimawandels weder planbar noch vorhersehbar. Deswegen sind Reedereien wie die dänische Maersk naturgemäß vorsichtiger. Aber das ist ja nur ein Aspekt.
Für die Erschließung neuer Erdgasfelder im Norden Russlands, vor allem in Sibirien, dürfte der nördliche Seeweg eine zentrale Rolle spielen. Denn ab einer kritischen Länge sind Pipelines in wirtschaftlicher Hinsicht unrentabel und bereiten auch ökologisch große Probleme. Bislang spielte LNG für Europa als Art der Beförderung eine untergeordnete Rolle, da insbesondere der Energiebedarf für die aufwändige Verflüssigung bei etwa 10 bis 25 Prozent des Energieinhaltes des Gases liegt. Nach Angaben von Wikipedia besteht die Transportwirtschaftlichkeitsgrenze von LNG bei etwa 2.500 km Entfernung zum Verbraucher, darunter ist der Transport per Pipeline als verdichtetes Erdgas (CNG, Compressed Natural Gas) energetisch günstiger. In LNG-Terminals kann das Flüssigerdgas tiefgekühlt in isolierten Lagertanks und unter atmosphärischem Druck bis zum weiteren Transport oder bis zur Regasifizierung zwischengespeichert werden. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass die Transportkette durch Umladen auf kleinere Tanker oder Fahrzeuge sowie nach einer Umwandlung in den gasförmigen Zustand in Rohrleitungen recht flexibel erscheint.
Bereits heute produziert auf der relativ weit westlich gelegenen Halbinsel Jamal, südöstlich der Insel Nowa Semlja, das russische Unternehmen Nowatek seit Ende 2017 LNG. Investoren sind dabei der russische Staatskonzern Gazprom sowie der französische Konzern Total, aber auch der chinesische Energiekonzern CNPC. Zum Jamal-Projekt gehören 15 neue, eisgängige Tankschiffe. Diesen gelang es bereits im Frühjahr 2018 ohne Eisbrecherbegleitung ihre kalte Fracht nach Europa und auch nach China zu bringen. In Deutschland ist es eine German LNG Terminal GmbH, wie sich das Betreiberkonsortium der niederländischen Unternehmen Gasunie und Vopak sowie des großen deutschen Tanklagerbetreibers Oiltanking GmbH nennt, die federführend den Bau einer LNG Infrastruktur plant und eine Bauentscheidung bis 2019 erreichen will. Eine Inbetriebnahme könnte dann im Jahr 2022 erfolgen. Der Klimawandel eröffnet neue lukrative Geschäftsfelder und strategische Kooperationsmöglichkeiten für die alte Energiewirtschaft. Das große Karussell ums Erdgas dreht sich eine Stufe weiter.
Klaus Oberzig
Links:
German LNG Terminal GmbH
Gasunie
Vopak
Oiltanking GmbH