07.09.2018
Der Strompreis und die Subventionen: Die irre Unterstützung für Energieträger
„Wer erklärt mal mit verständlichen und deutlichen Worten, weshalb es zwar eine EEG-Umlage, aber noch nie eine Atom- oder Kohleumlage im Strompreis gegeben hat?“ Da war sie, die Anfrage eines Abonnenten der DGS-News aus dem Norden Deutschlands. Wobei der Mann an einem Punkt selbst sofort zurückgerudert hat: „Ok, da war mal ein Kohlepfennig.“ Der so genannte Kohlepfennig: Das war seit 1974 ein gesetzlicher Aufschlag, um die teurere Kohleförderung in Westdeutschland gegenüber Billig-Importen wettbewerbsfähig zu machen. Das Bundesverfassungsgericht (BVG) hat diesen 1994 als „verfassungswidrige Sonderabgabe“ eingestuft.
Ein Jahr später war es mit dem Kohlepfennig im Westen zu Ende. Doch seither werden die Verbraucher in ganz Deutschland geschröpft, und zwar über ihre Steuerlast. Denn nun „wird der Steinkohleabbau aus dem Staatshaushalt subventioniert. Zwischen 1975 und 2002 betrug die Gesamthöhe der Subvention insgesamt etwa 80 bis 100 Milliarden Euro (Preisstand 2003)“, hat Wikipedia errechnet. Somit ist auch schon die zweite Frage unseres Abonnenten halb beantwortet: „Mit wieviel Milliarden wurden Atom und Kohle mit Steuermitteln gepuscht?“ Nach dem Kohlepfennig übernahm der brave Steuerbürger. Nur solche Konzerne, die ihre Firmensitze auf kleinen Inseln im Atlantik oder sonst wo in der Welt haben, beteiligen sich am Gemeinwohl hierzulande bis heute nicht.
Bliebe noch die Atomfrage. Bekanntlich laufen immer noch sieben unter Stahlbeton versteckte Atomabfallproduzenten – andere nennen sie AKW. Nach dem „Energiewendebeschluss“, den Kanzlerin Angela Merkel im Jahr 2011 kurz nach der mehrfachen Fukushima-Atom-GAU-Katastrophe herbeigeführt hat, werden die allerletzten drei Meiler am 31. Dezember 2022 in den Ruhestand geschickt. Die meisten der etwa 30 Leistungs-AKWs in Ost und West wurden in den 1970er und 1980er Jahren in Betrieb genommen. „Genau damals wurde Strom teurer. Dieser Aufschlag wurde nie zurückgenommen“, sagt uns auf Nachfrage Hans-Josef Fell, einer der Erfinder des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) und heute Präsident der World Watch Group. Er erinnert noch einmal daran: Die auf den Strompreis aufgeschlagene EEG-Umlage wurde damals gewählt, weil der ebenfalls diskutierte „Solarpfennig“ wie der Kohlepfennig wohl nicht verfassungsgemäß gewesen wäre.
Deshalb „trägt die Gesellschaft im Jahr 2016 bei einer Kilowattstunde (kWh) Windstrom ungerechnet Kosten von 9,0 Cent und bei Wasserstrom 8,9 Cent“, hat das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V. (FÖS), Berlin im Auftrag von Greenpeace Energy kürzlich errechnet. Doch was nicht im Strompreis auftaucht: „Die Gesamtkosten für Strom aus Braun- und Steinkohlekraftwerken. Die summieren sich zu 14,3 bzw. 13,4 Cent; für Atomenergie auf mindestens 15,1 Cent je kWh“, so zumindest die FÖS-Kalkulation der konventionell verursachten „externen Kosten durch Umwelt- und Klimaschäden“.
In der Studie „Was Strom wirklich kostet“ heißt es deshalb auf Seite 5: „Würde man also die Belastungen des Staatshaushalts und die externen Kosten durch die konventionellen Energieträger nach EEG-Methode auf den Verbrauch der nicht privilegierten Stromabnehmer umlegen, dann läge diese „Konventionelle-Energien-Umlage“ im Jahr 2016 bei umgerechnet 11,4 Cent pro kWh“; 2017 kalkulieren die Forscher mit einer ähnlichen Zahl. Das zahlt die schweigende Allgemeinheit ohne Murren mit. Dagegen regen sich viele über die EEG-Umlage auf. Vor allem wohl wegen der immer wieder von Konzernlobbyisten vorgetragenen Forderung, das EEG abzuschaffen. Das würde zwar für den Verbraucher kaum etwas bringen, denn heute kommen neue Groß-Solar- oder Windparks mit Zuschlägen von um die 1C/kWh aus, um wirtschaftlich zu arbeiten: Das ergaben so genannte „Auktionen“ der letzten Jahre.
Dieser „Trendmeinung“, das EEG sei schuld, begegnet man seitens des Internationalen Wirtschaftsforums Regenerative Energien IWR mit „Fakten. Fakt ist, dass der Staat keine Förderung oder Subventionen zahlt und auch keine Steuermittel einsetzt. Der staatlich verordnete Verkauf des EEG-Ökostroms an der Börse führt seit 2010 zu fallenden Strom- und Einkaufspreisen. Dadurch steigt paradoxerweise die EEG-Umlage. Die höhere EEG-Umlage wird von den Stromversorgern bzw. Stadtwerken an die Verbraucher sofort weitergegeben, sinkende Einkaufspreise für Strom häufig dagegen nicht.“
Und das FÖS hat zusammengezählt, wie viel Fördergelder denn über die Jahre an die einzelnen Energieträger geflossen sind. Von 1970 bis 2016 bekamen die Steinkohle 337, die Braunkohle 100, die Atomenergie 237 Milliarden (Mrd.) Euro geschenkt. Allen Erneuerbaren zusammen flossen von Staatsseite dagegen lediglich gut 30 Mrd. Euro zu. 115 Mrd. EEG-Umlage kamen dazu – bezahlt aber von den Normal-Stromverbrauchern. Viele Groß-Stromabnehmer sind ja davon befreit. Dass die Endverbraucherkosten jemals wieder sinken werden, scheint ob der Historie deutscher Strompreise ziemlich unwahrscheinlich. Das passierte nämlich lediglich zwei Mal nach dem 2. Weltkrieg: Mitte der 1960er Jahre, und um das Jahr 2000 herum.
Nach 1999 – wer erinnert sich noch? – versuchten die einst fünf großen deutschen Stromkonzerne nach einer Konferenz in Ossiach/Kärnten, die Stadtwerke unter Druck zu setzen durch 20 Mrd. Euro, die sie kurzfristig der Atomrückstellung entnahmen (Anmerkung: Der Autor war bei jener „Neue Welten“-Konferenz anwesend). Das Ansinnen der „Großen Fünf“ misslang bekanntlich. Und seit 2002 steigen die kWh-Preise wieder kontinuierlich. Und zwar wesentlich stärker, als die immer wieder vorgeschobene EEG-Umlage nach oben ging. „Als Laie kann ich nur Lobbypolitik dabei erkennen. Gibt es andere Gründe?“, fragt unser Abonnent weiter. „Ja. Was sonst?“, wäre die einfachste Antwort. Aber sie stimmt nicht ganz. Zwar stellen die Kohle- und Energiekonzerne eine Lobbymacht dar. Aber wenn die Politiker und –innen sich überlegen würden, wie wenige Arbeitsplätze es in den Kohlekellern dieser Republik noch gibt, und ob es nicht sinnvoller wäre, diese Leute am Tageslicht alternativ zu beschäftigen – zum Beispiel in der Solarenergieproduktion – dann hätten sie wohl keine Angst, ihre Wiederwahl dadurch zu gefährden.
Doch bei vielen politisch Verantwortlichen – nicht nur in Deutschland – bekommt man mehr und mehr das Gefühl: Das Denken, das ist so eine Sache, die nicht jede/r beherrscht. Man denke nur an das neue Buch über den US-Präsidenten, in dem Menschen seines Umfelds ihn als „Idioten“ und „am Sechstklassniveau Hängengebliebenen“ bezeichnen. Trump ist übrigens ein Kohleverteidiger. Genau wie Ministerpräsidenten in Deutschlands westlicher und östlicher Mitte.