07.07.2017
SuedLink-Gleichstromtrasse als Fakt
Dabei auf einer HGÜ-Antragskonferenz: Emotionen kaum zu spüren
Wir waren bei der „Antragskonferenz Bundesfachplanungsverfahren Brunsbüttel – Großgartach (Vorhaben Nr. 3 des Bundesbedarfsplans) Abschnitt E: Arnstein – Großgartach“ in Würzburg dabei: Für Werner Schaller von der Bundesnetzagentur (BNetzA) ist der Termin in Würzburg nur der vorletzte einer ganzen Reihe ähnlicher Sitzungen in den letzten Wochen. Am nächsten Dienstag (11. Juli) folgt die letzte Antragskonferenz zur Großteils unterirdischen SuedLink-Gleichstromtrasse. Dann ist erstmal Schluss mit den Treffen zwischen Planern, Betroffenen und der Netzbehörde.
Schaller leitet die Tagung mit viel Routine und ohne sichtbare emotionale Beteiligung. Auf gut Deutsch: Keine Regung lässt erkennen, ob ihm das Gesagte nahegeht. Für ihn ist es schlicht „der erste formelle Schritt im Bundesfachplan-Verfahren“ auf dem Weg zur vergrabenen Hochspannungsleitung zwischen dem ehemaligen Atomkraftwerk (AKW) Brunsbüttel im Norden und dem Umspannwerk Großgartach.
Großgartach sorgte bisher für die Verteilung des Stroms aus dem AKW Neckarwestheim; künftig soll es den Windstrom aus dem Norden der Republik an die Industrieverbraucher in Baden-Württemberg und Bayern verteilen. So jedenfalls lautet der offizielle Plan, den die Bundesregierung nach der „Energiewende“, dem Atomausstiegsbeschluss 2011, in viele Gesetze gepackt hat. Vor allem das Bundesbedarfsplangesetz und das Netzausbaubeschleunigungsgesetz NABEG stehen hier im Blick – und bei vielen Ausbaugegnern in der Kritik.
Deshalb ermahnt Schaller die Teilnehmer gleich zu Beginn: „Es geht heute und hier ausschließlich um die Suche nach dem Trassenverlauf, nicht mehr um die Notwendigkeit der Trasse.“ Nach dem Konferenzmarathon sei das nächste „Ziel ein 500 bis 1.000 Meter breiter Korridor. Danach folgt die Planung des genauen Trassenverlaufs.“ Außerdem wolle die BNetzA nach den Antragskonferenzen „festlegen, was die Vorhabenträger noch vorzulegen haben“. Vorhabenträger – Schaller nennt diese auch Antragsteller – sind bei SuedLink die TransnetBW GmbH in Stuttgart und die TenneT TSO GmbH aus Bayreuth.
Diesen beiden Übertragungsnetzbetreibern (ÜNB) hat die BNetzA zwar den Auftrag erteilt, SuedLink zu planen, bauen und betreiben. „Aber unsere Auftragnehmer sind die nicht“, unterbricht Werner Schaller einen Redner, als dieser genau dieses Wort verwendet. Das genaue aktuelle Vertragsverhältnis zwischen der Bundesbehörde und den ÜNB bleibt aber offen.
Auf der Bühne jedenfalls sitzen sie getrennt: Links die BNetzA-Männer und ihr „externer Berater“ von der Planungsgruppe Umwelt PGU aus Hannover; rechts die Abordnungen von Trans- und Tennet mit ihren Umweltgutachtern für verschiedene Arbeitsfelder.
In der Halle des Vogel-Verlags, die eher an Maschinenbau als an Konferenz erinnert, sind die vorderen, mit Tischen ausgestatteten Reihen ziemlich gut besetzt. Dahinter mehrere 100 leere Stühle. Eine Wohlfühlstimmung könnte sich hier wohl nie einstellen. Soll sich wohl auch nicht. Denn an diesem Tag sollen immerhin 18 Tagesordnungspunkte abgehandelt werden. Zwischen Begrüßung und Ausblick steht unter anderem als TOP 6.3.1. die Strategische Umweltprüfung für Menschen und menschliche Gesundheit. Bei TOP 6.3.5. werden Kultur- und Sachgüter diskutiert. Die Konverterstandorte und deren Anbindung stehen als TOP 8 im Plan.
Antragskonferenzen seien etwas ganz Neues; Stefan Drygalla-Hain von der BNetzA lobt diese als „frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit und das Rederecht. Das war bisher nicht Standard.“ Dass möglicherweise die vorhergehende Ausbau-Gesetzgebung nicht nach den Vorgaben des UN-Aarhus-Vertrags aufgestellt wurde, das ficht die BNetzA nicht an, heißt es auf unsere Nachfrage.
Stattdessen wird die Broschüre „SuedLink DER ANTRAG“ als Grundlage genommen. Darin haben die beiden ÜNB „das Vorhaben allgemein verständlich zusammengefasst“: Wie wurden die Korridor-Varianten ausgesucht, wie der Vorschlagskorridor bestimmt? Nun sollen die Betroffenen der BNetzA und den Antragstellern „in der Bundesfachplanung sagen, welche Unterlagen aus ihrer Sicht für eine sachgerechte Entscheidung noch erforderlich sind; ob es in Frage kommende Alternativen gibt, die noch nicht betrachtet wurden; aus welchen Gründen vorgelegte Alternativen nicht sinnvoll sind“. Das laufe vergleichbar mit einem Raumordnungsverfahren.
Zu jedem einzelnen Punkt erläutert ein ÜNB-Gutachter, warum der Korridor so gewählt wurde, wie es der Plan zeigt. Dann dürfen die reden, die sich mit Nummer registriert und in eine Rednerliste eingetragen haben. Wie Dieter Wagner, der 2. Bürgermeister von Bergrheinfeld, jener Gemeinde, in der das AKW Grafenrheinfeld über Jahrzehnte für viel Gewerbesteuer sorgte. Wagner ist anzumerken, er ist sauer. Denn er fürchtet, die HGÜ-Leitung nach Bergrheinfeld „kommt scheibchenweise“, obwohl die BNetzA genau das Gegenteil versprochen hat.
„Wir werden uns gegen Grafenrheinfeld als Verteilerzentrum des Stroms wenden. Nehmen sie zur Kenntnis: Wir werden uns in aller Form dagegen wehren, wenn es über Grafenrheinfeld hinaus mit Gleichstrom nach Großgartach geht“, droht er bereits jetzt mit Klagen gegen eine mögliche, im Plan blau eingezeichnete HGÜ-Trassenvariante. „Sie fordern heute eine Gesamtlösung. Doch Bedarfsfragen werden in der Netzentwicklung alle zwei Jahre vom Gesetzgeber behandelt. Heute geht es nur um den Trassenkorridor“, lässt Netzagenturmann Schaller den Bürgermeister kühl abblitzen.
Andere Redner zitieren aus Schriftsätzen, die sie der BNetzA bereits geschickt haben. Brigitte Ziegra-Schwärzer beispielsweise, die Regionsbeauftragte für die Region Würzburg. Sie kritisiert, „bei den Querungen des Mains sind die Übergänge nicht ordentlich geprüft“, verweist auf Bodenschätze, FFH-Gebiete, die durch die Trasse gefährdet würden, und auf den gültigen Regionalplan. Doch BNetzA-Mann Christian Koch kontert mit einer „rechtlichen Unsicherheit von Regionalplänen“. Schon kommt der nächste Redner.
Und was ist mit Gebieten, die internationalen Schutz als FFH-(Flora Fauna Habitat) oder Vogelschutz-Gebiet genießen? „Da gibt es den Ablauf: FFH-Vorprüfung, dann Verträglichkeitsprüfung, dann Abweichungsprüfung, v.a. ob zumutbare Alternativen zu geringeren Beeinträchtigungen führen“, antwortet die Gutachterin der ÜNB. Klingt, als ob am Ende die Leitung kommt, egal ob etwas geschützt ist oder nicht.
Oder aber, „es wird geschoben. Je nachdem, wohin, sind halt andere betroffen“, kritisiert Wieland Gsell das Verfahren. Der Grüne 1. Bürgermeister der Marktgemeinde Zellingen ist einer von wenigen, die sich nicht an des Tagungsleiters Vorgabe halten: „Das Nova-Prinzip ist verletzt, es gibt keine Verbesserungen an den Leitungen, sondern nur Neubau. Speichermöglichkeiten sind auch nicht berücksichtigt. Und nicht Wind- sondern Braunkohleregionen speisen ein. Wir sind die kompletten Verlierer, die die ganze Last tragen müssen.“
Gsell zweifelt die Planungsgrundlagen an. Wobei seine Gemeinde wohl gute Chancen hat, dass die Trasse an ihr vorüberzieht: „Die Spanische Flagge ist eine Herausforderung“, ein seltener Rotlistenfalter, der in Zellingen heimisch ist, könnte laut Planeraussage ein Ausweichgrund sein. „Auch eine archäologische Prospektion muss im Voraus kommen, klar“, sagen die ÜNB-Gutachter zu. Denn in Zellingen gibt es jede Menge unerforschter Bodendenkmale bis in die Vorgeschichte hinein.
Auf Nachfrage gibt Bürgermeister Gsell zu, er sei „hilflos. Man kann am Grundsatzbeschluss nichts mehr machen. Das NABEG stoppen wäre für mich das allererste“, sagt uns der von dezentraler Energie Überzeugte. Für ihn sind die neuen HGÜ-Trassen „nicht notwendig. Warum müssen wir das unter allen Umständen durchziehen?“
Dabei verweist Wieland Gsell auf eine Zahl in den Plänen, die nachdenken lässt: Erst für 2025 ist die Inbetriebnahme von SuedLink vorgesehen. Das sind drei Jahre nach dem Abschalten des letzten AKW in Deutschland. Was passiert in den Jahren dazwischen mit der Stromversorgung der süddeutschen Industrie? „Kein Problem, wird überbrückt“ erklärt uns ein BNetzA-Sprecher. Doch wenn es drei Jahre funktioniert, warum geht es dann nicht länger ohne Ausbau?
Zum Schmunzeln zu schade
Ob den Besuchern nur das Lachen im Halse stecken blieb? Jedenfalls war kein Mucks zu hören, als Bernd Lang vom bundesland-eigenen Übertragungsnetzbetreiber und Monopolisten TransnetBW allen Ernstes erklärte: „Wir und Tennet sind mittelständische Unternehmen.“