06.10.2017
Gerhard Schröder und die effiziente Gasheizung
In den entwickelten Industriegesellschaften herrscht Konsens über die Notwendigkeit regenerativ erzeugter Energie und deren gleichmäßiger Verteilung.“ Dieser Satz eröffnete kürzlich einen Artikel, der sich mit dem Umstieg von fossilen auf Erneuerbare Energien befasste und davon ausging, dass wir heute nur noch das Problem der gleichmäßigen Verteilung zu lösen hätten. Wie weit diese Sichtweise von der Realität entfernt ist, zeigte vor einer Woche der Medienhype um Altkanzler Gerhard Schröder. Dieser war zum Vorsitzenden des Aufsichtsrates beim größten russischen Energiekonzern Rosneft gewählt worden. Das hatte eine Welle der medialen Empörung ausgelöst. Durch nahezu alle politischen Lager ging ein Aufschrei. Dieser Schritt sei „nicht in Ordnung“ (Kanzlerin Merkel) und es sei moralisch nicht vertretbar, so viele Sozialdemokraten, dass er seine Verbindungen in dicke Kohle umsetze. Schließlich sei Rosneft ein zentraler Baustein im russischen Machtgefüge rund um Präsident Wladimir Putin. Ganz nach dem Motto, wie könne man sich nur beim Feind verdingen. Einzig das Online-Magazin telepolis hatte bezweifelt, ob ein substanzieller Unterschied zwischen einem Aufsichtsratsposten bei Rosneft und Volkswagen bestünde.
Manch einem Leser wird die Frage auf der Zunge liegen, was der Altkanzler denn mit dem oben zitierten Satz zu tun habe. Eine einfache Antwort könnte lauten: nichts. Schröder hat mit Erneuerbaren Energien nichts am Hut und engagiert sich nach eigenen Aussagen bewusst in Sachen Völkerverständigung zwischen Russland und Deutschland. Das klingt nach Außenpolitik und setzt an der historischen Erkenntnis an, dass es für Deutschland und Europa immer gut war, wenn das Verhältnis zu den östlichen Zaren stimmte. Das mag gar nicht verwerflich und politisch sogar verständlich sein. Viel interessanter ist aber das, was nicht thematisiert wurde und hinter dem lauten Streit um Moral verborgen blieb. Der Energieriese Rosneft hat handfeste ökonomische Interessen in Westeuropa. Und damit sind wir bei der etwas komplizierteren Antwort. Die russische Gazprom, ein anderer Teil des russischen Energiekonglomerats, betreibt seit Jahren zusammen mit deutschen Partnern die Ostseepipeline Nord Stream. Über sie wird Deutschland mit russischem Erdgas beliefert. Schröder führte bereits den Aktionärsausschuss von Nord Stream 1, beim aktuellen Projekt Nord Stream 2, deren Bau ansteht, leitet er seit 2016 den Verwaltungsrat. Da rundet sich das Bild von Schröders Engagement. Die energiepolitischen Interessen beider Seiten und politische Spannungen passen nicht zusammen. Hier kann und soll der Sozialdemokrat Abhilfe schaffen.
Mit Nord Stream 2 sollen jährlich weitere 55 Milliarden Kubikmeter russisches Erdgas ins deutsche Netz gepumpt werden. Das steht allerdings im direkten Gegensatz zu dem obigen Zitat. Es existiert in keinster Weise ein Konsens über den Einsatz regenerativ erzeugter Energie und deren gleichmäßiger Verteilung. Nicht nur mächtige Fraktionen der deutschen Energiewirtschaft wollen an den fossilen Energien weiterhin verdienen, auch wichtige Repräsentanten aus der Politik stützen dies. Obwohl der Shitstorm gegen Schröder ein anderes Bild vermittelte, ist dieser doch kein einsamer Wanderer in der politischen Steppe zwischen West und Ost. Trotz aller Sanktionen laufen die Geschäfte mit der fossilen Energie glänzend – wofür bräuchte man denn sonst eine Erweiterung der Gaspipeline.
So ist es wohl kein Zufall, dass über Schröders Hauptaufgabe, die fossilen Gas- und Ölexporte aus Russland abzusichern, kaum berichtet wurde. Die vielfachen Beteuerungen von Ökoenergiefreunden während der letzten Wahlkampfmonate, man wolle nun endliche eine Wärmewende angehen, stehen denn auch auf wackeligen Beinen. Mehr als Absichtserklärungen, sind das erst einmal nicht. Abgesehen davon, dass bei den Solarfreunden keine Konzepte vorhanden sind, wie man eine Transformation im Wärmesektor überhaupt realisieren könnte – die These, man werde in Zukunft mit Strom heizen ist kein Konzept - scheinen sich viele handfeste Illusionen über die Phalanx der Fossilen zu machen.
Denn die Befürworter von Erdgas finden sich in der großen Koalition, vor allem im Bundeswirtschaftsministerium, zuhauf. Ob mit der Begründung vom Erdgas als Brückentechnologie oder mit den Schlagwort von der Energieeffizienz, demzufolge erst die technologischen Möglichkeiten bei konventionellen Verbrennungstechnologien ausgereizt werden müssten, ehe man an regenerative Wärme denken könne, sie alle stehen dem Expansionskurs beim Erdgas aufgeschlossen gegenüber. Insofern ist Altkanzler Schröder weder isoliert, noch vertritt er innerhalb des Parteiestablishments eine Minderheitenmeinung. Was stört ist höchstens, dass er sein extraordinäres Salär so ungeniert zeigt.
Wie weit das Bündnis der Erdgasfreunde reicht, zeigt sich auch an der Geschäftspolitik der Heizungsbauer. Erinnert sei hier nur noch einmal an die Aussage von Uwe Glock, Chef von Bosch Thermotechnik, an Wärmepumpen könne erst gedacht werden, wenn der Markt mit Gasbrennwerttechnik gesättigt sei. Der Wärmemarkt in Deutschland umfasst bei Erdgas, Kohle und Öl ein jährliches Volumen von rund 100 Mrd. Euro. Der in ganz Europa sicherlich ein Mehrfaches. Er ist so attraktiv, dass selbst Energiekonzerne aus den USA mit Fracking-Gas in Form von LNG nach Europa drängen. Das ist die Situation, wie sie sich vor den Freunden der regenerativen Wärme aufbaut. Schröder mag der bekannteste und bunteste Vertreter dieser Gassparte sein, er ist auch ein trickreicher. Denn er spielt auch mit der Karte, dass er der Kanzler ist, unter dem das EEG verabschiedet wurde.
Die Geschichte des EEG spielt heute in der Diskussion um eine mögliche Beteiligung der Grünen an einer Jamaika-Koalition wieder eine große Rolle. Das EEG sei der Beweis dafür, dass eine Regierungsbeteiligung Fortschritte für die Energiewende bringen könne. Betrachtet man die Positionen von Schröder und seinem Adlatus Sigmar Gabriel, so wird eher deutlich, dass sich ein Fenster der Möglichkeiten, wie es damals kurzeitig existierte, heute kaum öffnen dürfte. Schröders großspuriger Auftritt anlässlich seiner Wahl zum Aufsichtsratsvorsitzenden belegt eher die Geschlossenheit des fossilen Imperiums, dessen Teil er ist. Der Weg zu einer solaren Modernisierung im Wärmebereich führt über andere Pfade und er wird lang sein. Von deren Interessenvertretung VKU, dem Verband Kommunaler Unternehmen, erhielten wir bis dato keine.
Links:
Gerhard Schröder wird Rosneft-Aufsichtsratschef, die Zeit, 29.9.2017
Grünbuch Energieeffizienz: Gabriels Abkehr von 100% EE bis 2050, DGS News 19.08.2016
Claudia Kemfert: Schröder bei Rosneft, Wirtschaftswoche