06.07.2018
100% Erneuerbare im Jahr 2050. Aber nur, wenn Windkraft wieder erlaubt wird
Offiziell war es „nur“ die Präsentation studentischer Semesterarbeiten. Doch am Ende geriet die Konferenz zur „Energieentwicklung der Europäischen Metropolregion Nürnberg (EMN)“ zu einem politischen Statement pro Windkraft und contra 10-H-Regelung in Bayern. Wie kann die EMN das ehrgeizige, selbst gesteckte Ziel erreichen, „Modellregion für eine dezentrale Energiewende in Deutschland“ zu werden? Diese Frage wollten 15 Studierende der Fakultät Maschinenbau und Versorgungstechnik der TH Nürnberg, kurz „Ohm“, gemeinsam beantworten. Dazu hatten sich von Professor Matthias Popp animieren lassen, der am Ohm die „ganzheitlich ökonomische Optimierung regenerativer Versorgungssysteme“ erforscht.
An zwei Jahresdaten orientierten sich die Semesterarbeiten: 2030 und 2050. Für letzteres Datum steht im 2012 von der EMN beschlossenen Klimapakt „die Einsparung von 80 Prozent der CO2-Emmisionen und zudem eine 100-prozentig regenerative Stromerzeugung“ als klares Ziel. Doch schon 2030, also in zwölf Jahren, soll die EMN aus 60 Prozent Erneuerbaren Energien versorgt, der Rest-Strombedarf mit Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen erzeugt und der CO2-Ausstoß um 40 Prozent gegenüber 1989 reduziert werden.
Gut; auch die Studierenden haben sich bei ihren Analysen und Vorschlägen großteils auf die Endenergie Strom konzentriert. Sie verhalten sich damit wie die meisten politisch Verantwortlichen: Wärme, der Energiesektor, der mehr Verbrauch aufweist als der von Strom, taucht kaum in den Zukunfts-Gedankengängen auf.
Zum dritten Sektor Mobilität haben Politiker heute meist nur die Elektroautos im Kopf. Hier denken Studierende offensichtlich ohne Scheuklappen und deshalb auch über andere Alternativen nach. So wie Markus Kuczmann. Der hatte die „Dekarbonisierung des Mobilitätssektors durch Methan aus Power-to-Gas“ (P2G) als Studienthema gewählt. Wenn auch mit dem ernüchterndem Ergebnis: „Die Kopplung mit dem Straßenpersonenverkehr ist nicht die beste!“ Denn es bräuchte in der EMN „fast 2.000 P2G-Anlagen. Machbar wären aber gerade 20.“ Doch P2G trüge zum Klimaziel 2050 eh nur ein schlappes Prozent CO2-Ersparnis bei.
Da brächten E-Mobile erheblich mehr, egal ob mit oder ohne Solarzellen in der Karosserie, hat Tobias Weldi herausgefunden. Ein besonders bemerkenswertes, konkretes Ergebnis seiner Studie: Er beantwortete die öffentlich dauernd gestellte Frage nach dem zusätzlichen Strombedarf für Elektroautos mit gerade mal „ein Prozent bis 2030“. Dann sollen auf Deutschlands Straßen sechs Mio. E-Fahrzeuge unterwegs sein. Und die wären demnach für das Stromland Deutschland verkraftbar. Nicht nur deshalb sind die Ergebnisse der Nürnberger Studierenden über die EMN hinaus verwend-, weil im Wesentlichen übertragbar.
So sei die Stromversorgung auch dann kein Problem, wenn nach den Atom- auch Kohle- oder Gaskraftwerke abgeschaltet seien: Es müssten halt viele Speicher installiert werden, ob elektrochemische, Pump- oder Stülpmembranspeicher: Über all diese wurde berichtet. Ergebnis: Sie seien realisierbar, man müsse nur politisch wollen.
Dann könnten auch „Micro Grids“ eingerichtet werden, Stromzellen also, die jeweils für sich allein, autark funktionieren. Tobias Berg sprach sogar davon, dass solche „topologischen Kraftwerke die Versorgungssicherheit steigern“ würden. Vorausgesetzt, es gebe bis dahin ein Energiemanagement auf Basis der Block Chain-Technologie. Denn diese stehe für „die 4D-Eckpfeiler der Energiewende: Dezentralität, Digitalität, Demokratie, Dekarbonisierung. Jeder Teilnehmer der Block Chain ist beteiligt, niemand dominiert einen anderen“, erklärte Berg.
Doch einen großen, politischen Haken hat die Energiekonferenz der Studierenden zu Tage gefördert: die Windkraftpolitik der bayerischen Staatsregierung. Die müsse dringend geändert werden. Denn in fast allen Teiluntersuchungen, vom Optimal-Mix aus regenerativen Energien über das Energie-Potential von Photovoltaik, P2G oder Speichern bis zu Microgrids, Lastflüssen und Marktmodellierung einer regenerativen Selbstversorgung: Die Windkraft sei unerlässlich, so alle Studienergebnisse. 640 Windräder, jeweils mit 4 Megawatt Leistung, seien bereits 2030 notwendig für den optimalen Energiemix der EMN. Das hat zum Beispiel Lisa Herrmann in ihrer Potentialanalyse mit Technologievergleich herausgefunden.
Gerald Höfer, der Geschäftsführer der Main-Donau Netzgesellschaft (MDN) stellte deshalb am Ende der Konferenz klar: „Das müssen wir öffentlich machen und politisch nutzen.“ Denn wegen der aktuell geltenden 10-H-Abstandsregelung in Bayern sei momentan kaum ein neues Windrad mehr möglich: 2,5 km Abstand zu den 250 Meter hohen Windkraftwerken gebe es fast an keinem eigentlich geeigneten Standort.
Zu den Projektskizzen: www.th-nuernberg.de/nc/person/popp-matthias/