05.05.2017
Lilium Jet – eine neues Konzept für Elektroflugzeuge
Im Himmel über Bayern hat Anfang April 2017 der Lilium Jet, das erste Elektroflugzeug, das sowohl senkrecht starten und landen kann, seinen Erstflug absolviert. Wie die Lilium GmbH mit Sitz in München mitteilte, führte der zweisitzige Prototyp, zwar noch unbemannt aber erfolgreich, nach dem senkrechten Start auch die Transition vom Schwebe- in den Vorwärtsflug durch, bei dem die Maschine ihren Auftrieb konventionell von den Tragflächen erhält. Senkrecht startende und landende Flugzeuge, sogenannte VTOL Flugzeuge (Vertical Take-Off and Landing) unterscheiden sich von Hubschraubern dadurch, dass sie über normale Tragflächen verfügen und nur in der Starphase mit dem Schub der Triebwerke abheben. Sie existieren bislang nur im militärischen Bereich, da sie durch die erforderliche hohe Leistung Spritfresser sind, die in der zivilen Luftfahrt nicht konkurrenzfähig wären. Bekannt sind der britische Jagdbomber Harrier, der über voll schwenkbare Triebwerks-Austrittsdüsen verfügt und die amerikanische CV 22B Osprey, ein zweimotoriges Transportflugzeug, bei dem die komplette Fläche samt Motoren zum Star gedreht bzw. gekippt werden kann.
Der Lilium Jet wendet keine dieser bekannten Techniken an. Er geht konstruktiv sowohl bei der Auslegung von Rumpf und Tragwerken wie beim Antrieb neue Wege. Der aerodynamisch optimierte Rumpf, der sich an der Form eines Pinguins orientiert, wurde mit der Canard-Bauweise kombiniert, die im vorderen Bereich mit kleinen Tragflächen (Entenflügeln) und großen Tragflächen hinten ausgestattet ist. Als Antrieb dienen 36 Elektromantelpropeller, von denen jeweils zwölf an den beiden hinteren und je sechs an den vorderen Tragflächen eingebaut sind. Diese elektrischen Turbofan-Triebwerke sind als bewegliche Klappen direkt an der Hinterhand der Flügel angebracht. Zum Start werden die Klappen nach unten gerichtet, um senkrechten Auftrieb zu erzeugen. Ist der Jet in der Luft, bewegen sich die Klappen langsam in eine horizontale Position, und erzeugen so Vorwärtsschub. Wenn sie horizontal stehen, wird der komplette Auftrieb, der benötigt wird um das Flugzeug in der Luft zu halten, aerodynamisch durch die Luftströmung generiert, die an den Flügelflächen anliegt.
Bei den Triebwerken wird der elektrisch angetriebene Propeller mit einer Ummantelung kombiniert, wie sie aus dem herkömmlichen Triebwerksbau, etwa für Verkehrsflugzeuge bekannt ist. Dieser Düseneffekt erhöht die verfügbare Leistung des Propellerantriebs und bringt zudem Vorteile beim Schwenken der Triebwerke. Durch diese Konzeption verbraucht das Flugzeug nach Angaben seiner Hersteller bis zu 90% weniger Energie als etwa drohnenähnliche Luftfahrzeuge. Der Lilium Jet, von dem eine fünfsitzige Version geplant ist, soll eine Reichweite von über 300 km bei einer Höchstgeschwindigkeit von 300 km/h erreichen. Gleichzeitig soll eine Fläche von 15 x 15 Metern als Start- und Landeplatz ausreichen. Denn die Neukonstruktion braucht keine herkömmlichen Startbahnen, um in die Luft zu kommen. Zudem sei die Neuentwicklung mit ihren elektrischen Mantelstrompropellern sehr leise. Der Lilium Jet ist ein „Light Sport Aircraft“, für das eine Sportpilotenlizenz (SPL) ausreichen soll, so jedenfalls der Hersteller.
Auch wenn der Lilium Jet auf der Webseite des Herstellers als eine Art Autoersatz gepriesen wird, der von Jedermann durch die Luft kutschiert werden könne (Aircraft for Everyone), ist die Neuentwicklung vor allem deshalb bemerkenswert, weil sie sich nicht auf eine Innovation beschränkt. Hier wird ein neues elektrisches Antriebskonzept zugleich mit einer neuen aerodynamischen Konzeption kombiniert, die es offenbar gestattet, neue Wege jenseits der fossilen Antriebe zu gehen. Die Lilium GmbH ist eine Ausgründung der Technischen Universität München. Das Unternehmen existiert seit Anfang 2015 und wird von der Europäischen Raumfahrtagentur (European Space Agency, Esa) gefördert. Zu den Geldgebern zählen einige namhafte Investoren aus Deutschland und den USA.