04.08.2017
Krokodilstränen rund um den Dieselpakt
Die Spitzen aus deutscher Politik und Automobilindustrie haben als „Erfolg“ ihres Treffens am Mittwoch in Berlin den „Dieselpakt“ verkündet. Er soll dazu führen, dass die Stickoxid-Emissionen (NOx) verringert bzw. die Abgasnormen wieder eingehalten sowie Fahrverbote vermieden werden. Die im Dieselpakt versammelte erlauchte Runde – natürlich ohne Teilnahme von Umweltschützern – hat sich fest vorgenommen, die Dieseltechnologie zu retten. Als Zaubermittel wird ein neues Softwarepaket propagiert, das bei 5,3 Millionen Dieselfahrzeugen der Abgasnorm Euro-5 und 6 angeblich kostenfrei bis Ende 2018 von den Autofirmen aufgespielt werden soll. Der NOx-Ausstoß dieser Fahrzeuge könne so um 25 bis 30 Prozent gesenkt werden. Dieselfahrzeuge nach den älteren Euronormen 1 bis 4 bleiben davon unberührt. Teure Motor-Nachrüstungen wurden nicht vereinbart, da war die industrielle Phalanx vor. Denn Nachrüstsysteme am Motor kosten angeblich pro Wagen mehr als das Zehnfache. Die Autobranche denkt stattdessen darüber nach, besonders alte Diesel mit Abwrackprämien (wohl aus Steuergeldern) von der Straße zu holen und durch moderne und effiziente - jawoll - Dieselfahrzeuge zu ersetzen. Damit Länder und Gemeinden - letztere sind potenzielle Vollstrecker von Fahrverboten - dem Pakt wohlgesonnen gegenüberstehen, sollen sie mit einem Förderprogramm "Nachhaltige Mobilität für die Stadt" und 500 Millionen Euro – zur Hälfte jeweils von Bund und Industrie – beglückt werden. Welche Rolle den ausländischen Herstellern zukommt, die gut ein Viertel der Diesel auf deutschen Straßen stellen, blieb offen, man hatte sie in der Aufregung wohl vergessen, rechtzeitig einzubeziehen. Das Konstrukt des Dieselpaktes mit seiner Losung des „weiter so“ erinnert an Asterix und Obelix, bei denen hatte ja auch ein Schlückchen Zaubertrank Wunder bewirkt.
Kaum war die große Runde vorüber, wurden die Erfolgsmeldungen über alle Medien verkündet. Das war erkennbar als Ausgangspunkt für „ganz großes Kino“ gedacht, das neben der Verharmlosung der Schieflage der deutschen Autobauer zugleich als Wahlkampfinszenierung der Parteien dienen sollte. Während Verkehrsminister Alexander Dobrindt sich in die neue Rolle des Kritikers noch einüben muss - irgendwie fehlt noch der passende Gesichtsausdruck, kam er doch bislang nur wie ein Ministrant rüber, der dem Pastor die Kerzen voranträgt – traute er sich vollmundig, eine „neue Verantwortungskultur“ zu fordern. Er zeigte sich überzeugt, das neue Softwarepaket sei der große Renner. Umweltministerin Barbara Hendricks machte dagegen auf kritisch. Sie sieht im Softwarepaket „nur einen ersten Schritt“ und verlangt von der Autoindustrie „Nachrüstungen bei der Hardware“ und zudem scharfe Überprüfungen in der Praxis des Straßenverkehrs. Auch sie versuchte sich auf der Klaviatur von Schuld und Sühne. Es mangle der Branche an „Demut und Einsicht“. An die Verstrickung der eigenen Regierungspolitik schien sie dabei nicht zu denken. Eine besondere Duftmarke setzte VW-Boss Matthias Müller, der Umbauten an den Fahrzeugen kategorisch ablehnte, deren Wirkung sei „fragwürdig“. Er wolle seine Ingenieure lieber mit Zukunftsaufgaben beschäftigen. An Elektroautos schien er dabei aber nicht gedacht zu haben.
Auch wenn die Kritik am Dieselpakt sofort losbrach, tat sie sich schwer, die Alternativen angemessen zu diskutieren. Eine "Marionettenshow von Bund, Ländern und Autoindustrie" kritisierte Jürgen Resch, der Leiter der Deutschen Umwelthilfe (DUH), die ja das Urteil des Stuttgarter Verwaltungsgerichtes zu möglichen Fahrverboten erwirkt hatte. Beim Dieselpakt ginge es nur darum, sich über die Bundestagswahl am 24. September zu retten. Das Ergebnis habe bereits im Vorfeld festgestanden, dies hätten die Autokonzerne der Politik diktiert. Als besonders verwerflich kritisierte er, die Softwarelösung beinhalte eine Ausnahmeklausel, nach der die Abgasreinigung bei Temperaturen unter 10 Grad einfach abschaltet. Er rechne deshalb nur mit einer Abgasreduktion übers Jahr von 2 bis 3 Prozent. Und Grünen-Chef Cem Özdemir forderte zwar eine fossilfreie Mobilität, kalauerte aber, mit einem Mausklick ließe sich das Abgasproblem nicht beheben. Die Linke stellte in den Vordergrund, dass für die Verbraucher neben den Schäden durch den Abgasschwindel auch nach dem Dieselpakt jede Menge Fragen offen geblieben seien.
Konkreter bezüglich der Alternative E-Auto waren die Äußerungen von Dieter Teufel, Leiter des Heidelberger Umwelt- und Prognose Instituts (UPI) im Deutschlandradio. Das E-Auto sei nach heutigem Stand auch nicht sauberer, da der Strom in der Regel aus Kohlekraftwerken stammt, die, neben anderen Klimagasen, auch NOx in die Umwelt pusten. Letztlich befinde sich nur der Auspuff an einem entfernten Ort. Diese Einschätzung ist leider zutreffend. Sie vergisst aber, dass Ökostrom durchaus vorhanden ist bzw. in größerer Menge als heute verfügbar sein könnte, wenn die Bundesregierung nicht den Ausbau drastisch gedrosselt hätte. Aber die Kappung des PV-Zubaus ist nicht das einzige Problem, wenn es um die elektrische Alternative geht. Sicher hat Teufel recht, wenn er die fehlende Ladeinfrastruktur bemängelt. Da es viele Einfamilienhäuser mit PV auf dem Dach gibt, wäre nämlich andererseits eine größere Anzahl von E-Autos mit Ökostrom denkbar. Aber auch da hat die Bundesregierung mit ihren Abgaben beim Eigenverbrauch eine Tür verriegelt, die sehr negativ auf die Entwicklung der E-Mobilität wirkt. Als sie diese Regelungen ins EEG schrieb, hatte sie nicht nur PV-Strom für die Heizung, sondern sehr wohl auch die Behinderung für das E-Auto im Blick gehabt.
Wie wir auch schon in der vergangenen Woche zum Thema geschrieben hatten, stellt sich deutlich heraus, dass diejenigen Politikvertreter, die am vollmundigsten für Energiewende und die sogenannte Sektorkopplung sprechen, sie am hinterfotzigsten mit bürokratischer Heimtücke hintertrieben haben. Wenn die Kritiker des Dieselpaktes zwar in der Einschätzung einig sein mögen, dies sei eine Politik des „weiter so“, verkennen sie jedoch, dass dahinter weder Dummheit noch Überheblichkeit stecken. Die fossilen Strategen sind sich eher sicher, die Alternative E-Auto im nationalen Rahmen erfolgreich eingefriedet zu haben. Und diese Sicherheit hat sogar einen doppelten Boden. Würden heute nämlich mehr E-Autos auf deutschen Straßen fahren, wären sie zumeist Kunden bei RWE und Co. Wären die Auswirkungen auf Gesundheit und Klima nicht so übel, müsste man ob dieser strategischen Verhinderungspolitik den Hut ziehen.
Angesichts des Dieselpaktes wird deutlich, wo die Schwächen der Solarvertreter liegen. Einer einheitlich vorgetragenen politischen Strategie zum Erhalt der Verbrennungstechnologien sind separat denkende und organisierte Vertreter der regenerativen Energien unterlegen. Natürlich sind PV, Wind, Solarthermie und Geothermie als singuläre Technologien entstanden. Wenn sie aber der Klimakrise begegnen und die Gesellschaft solarisieren wollen, müssen sie im Verbund denken und handeln. Elektromobilität lässt sich nicht ohne PV auf dem Dach, Solar- und Windparks in der Fläche und die Verbindung mit der solaren Modernisierung im Wärmebereich denken. Neben der Empörung über den Betrug bei Dieselgate oder dem Erschrecken, dass diese Schlüsselindustrie mit einem globalen Markteinbruch bei Dieselfahrzeugen den Bach runter gehen könnte, ist dies die andere Seite der Medaille. Die Freunde der Solarisierung müssen sich neu und anders aufstellen.