04.05.2018
Die Fronten werden deutlicher
Die Schaufensterreden der Koalitionsverhandlungen sind verklungen, die neue-alte Koalition amtiert und macht weiter wie bisher. Seit dem 23. April liegt nun ein Referentenentwurf aus dem Bundeswirtschaftsministerium für ein "Gesetz zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes und weitere Bestimmungen des Energierechts" vor. Es mag überraschen, dass so kurz nach Amtsantritt des neuen Wirtschaftsminister Altmaier schon ein 67 Seiten starkes Anpassungsgesetz vorgelegt wird. Aber während über Koalitionen verhandelt wurde, hat die Bürokratie im Wissen darüber, dass sich wohl nichts ändert, auf der alten Linie weiter gearbeitet. Ohne Sympathie für Erneuerbare Energien und ohne Rücksicht darauf, was in den Koalitionsverhandlungen versprochen worden war.
Am augenfälligsten ist dabei, dass die angekündigten Sonderausschreibungen für Wind und Photovoltaik nicht enthalten sind. Angeblich sind sie auf die Zeit nach der Sommerpause verschoben. Das macht misstrauisch, denn eine präzisere Festlegung wurde nicht geliefert. Wie man hört, gibt es in der Koalition heftige Auseinandersetzungen darüber. Der niedersächsische Umwelt- und Energieminister Olaf Lies (SPD) gab in einer Äußerung denn auch einen kleinen Insiderhinweis, worum es geht. Die Aufnahmefähigkeit der Netze könne "kein Argument gegen Sonderausschreibungen sein". Das klingt nach grundsätzlichen Kontroversen um das Thema Netzsynchronität. Also wegen fehlender Netzkapazitäten könnte der Erneuerbaren-Ausbau nicht stattfinden. Man erinnere sich, dass im Koalitionsvertrag das "65 Prozent-Ausbauziel für Erneuerbare bis 2030" schon unter den Vorbehalt der Netzsynchronität gestellt wurde. Wie das gemeint war, sehen wir jetzt.
Dafür ist eine Senkung des Höchstpreises bei PV Ausschreibungen von 8,91 auf 6,50 Cent pro Kilowattstunde vorgesehen. Da die aktuellen Zuschlagswerte eh schon bei rund 4 Cent angelangt sind, hat das höchstens noch einen Schau-Effekt. Was dagegen wieder handfeste Behinderung beim Ausbau Erneuerbarer Energien ist, findet sich bzw. fehlt im Kleingedruckten zur Sicherung der Akteursvielfalt. Die Begünstigungen für Bürgerenergiegesellschaften und Genossenschaften, die nach der ersten Windausschreibung wieder kassiert worden waren - Stichwort gefakte Bürgerenergiegesellschaften - wird nicht überarbeitet bzw. präzisiert, sondern bleibt kassiert.
Während die Anpassungsnovelle, von Kritikern auch Entwurf zum "100-Tage-Gesetz" genannt, mit einer "zeitkritischen Anpassungen" an EU-Bestimmungen begründet wird, kommen aus Brüssel Nachrichten, dass Minister Altmaier und die Bundesregierung bessere Rahmenbedingungen für eine klimafreundliche und dezentrale Art der Energieerzeugung massiv behindern. Denn EU-Kommission und Europäisches Parlament fordern aktuell, dass alle Bürgerinnen und Bürger erneuerbaren Strom problemlos selbst erzeugen, nutzen und weiterveräußern können.
In der kommenden Erneuerbaren-Energien-Richtlinie wollen die Parlamentarier es den europäischen Prosumern ermöglichen, auch über den eigenen Haushalt hinaus Strom in die Nachbarschaft abzugeben, ohne durch hohe Abgaben und komplizierte Auflagen dabei behindert zu werden. Aber genau diese Abgaben, Umlagen und Steuern will die Bundesregierung erhalten. Ein Abbau sei nicht "kostenorientiert" (cost-effectiv) und könne die Finanzierung der Energiewende verhindern, so die scheinheilige Begründung aus dem Bundeswirtschaftsministerium. Mit einer Petition will das Bündnis Bürgerenergie (BBEn) dazu beitragen, dass die Bundesregierung ihre Blockadehaltung aufgibt und der visionäre Vorschlag des EU-Parlaments für mehr Prosumerrechte umgesetzt wird (siehe auch Meldung in diesen News).
"Bei den derzeit stattfindenden Verhandlungen in Brüssel sollte Deutschland im Interesse einer dezentralen und ökologischen Energiewende dem besonders prosumerfreundlichen Vorschlag des Europäischen Parlamentes zustimmen - und so endlich den Weg ebnen für Bürger- und Nachbarschaftsstrom in den Städten Deutschlands und Europas", so René Mono, Vorstand bei BBEn.
Die Fronten werden also vor dem Hintergrund der Entwicklungen in Berlin und Brüssel deutlicher. Die Bundesregierung ist nach wie vor kein Freund der mittelständischen Bürgerenergie und präferiert stattdessen das zentrale Energiewendemodell der Konzerne. Das Bündnis Bürgerenergie versucht die mittelständischen Betreiber von PV- und Windparks mobilisieren und will die Petition noch vor dem geplanten Abschluss der EU-Verhandlungen im Juni Bundeswirtschaftsminister Altmaier persönlich in Berlin übergeben. Interessierte können die Petition auf der Kampagnenplattform WeAct unterstützen: https://weact.campact.de/p/prosum
Links:
Referentenentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie