02.12.2016
Erneuerbare Energien im medialen Abseits
In den letzten Wochen sorgt sich die Welt wieder mehr um die Energieversorgung. Aber nicht dass man auf falsche Gedanken kommt, es geht hier nicht um die Erneuerbaren. Vielmehr plagt uns der Status quo und dessen Zukunft: Was passiert mit unserer fossilen Grundversorgung, müssen wir Einschnitte befürchten? Hier ein paar Beispiele der jüngsten Berichterstattung.
Atomkraft
Mit großer Erleichterung und viel Prominenz wurde der Reaktor 4 in Tschernobyl, Ausgangspunkt einer der größten menschengemachten technischen Katastrophen, mit einer Schutzhülle versehen. Mit mehr als 100 Meter Höhe, 250 Meter Breite und einer Länge von 150 Metern soll er den Reaktor vor Umwelteinflüssen schützen. Der Ukrainische Präsident Petro Poroschenko jubilierte, schließlich soll der neue Sarkophag 100 Jahre Sicherheit vor Strahlung garantieren. In dem Katastrophenreaktor befinden sich immerhin noch etwa 200 Tonnen geschmolzene nukleare Brennstäbe, deren tödliche Strahlung nach 100 Jahren nahezu der heutigen entspricht. Ebenso vor Ort war der ehemalige Generaldirektor der Atomenergie-Organisation IAEO Hans Blix. Er zeigte sich sehr optimistisch und vermied jede Kritik an der Atomkraft, pries im Gegenteil „neue kleine Reaktoren“ als Lösung an, da sie gefahrlos betrieben werden könnten. Nukleartechnik und Erneuerbare Energien sind für ihn schlicht die Zukunft.
Erdgas
Deutschland hält nach wie vor an der Gaspipeline „North Stream 2" durch die Ostsee fest. Über sie soll Gazprom noch mehr Gas nach Deutschland liefern können, ohne den Umweg über die Ukraine, die baltischen Staaten und Polen machen zu müssen. Interessant ist, dass die bestehende North Stream Pipeline längst nicht ausgelastet ist. Weshalb dann eine neue Direktverbindung zum russischen Monopolisten notwendig sein soll leuchtet nicht ein. Es ist deshalb anzunehmen, dass ein Ende der fossilen Energien in absehbarer Zeit überhaupt nicht auf der politischen Agenda steht. Das Zementieren fossiler Abhängigkeiten und das Präferieren von effizienter Gastechnik sind keine Option, sondern nur ein Verschieben der Probleme in die Zukunft.
Erdöl
Die OPEC, der nicht mehr ganz so mächtige Verbund erdölfördernder Staaten, hat sich tatsächlich wieder einmal geeinigt. Über die schwierigen politischen Grenzen hinweg beschloss man die tägliche Fördermenge im ersten Halbjahr 2017 um 1,2 Mio. Barrel zu reduzieren. Aktuell werden gut 30 Mio. Barrel/Tag aus dem Boden geholt. Auch wenn das Ölkartell gerade einmal über 40 Prozent der weltweiten Erdölproduktion und gut drei Viertel der weltweiten Erdölreserven verfügt, hat ein solcher Beschluss durchaus Gewicht. So zogen die Ölpreise an den Weltmärkten auch sofort deutlich an.
Hintergrund der Einigung sind wohl die „klammen Kassen“ im Iran, Irak wie auch Saudi-Arabien. Die Einigung ist auch ein Eingeständnis, dass die Strategie, die Schiefergas-Industrie in den USA mit den niedrigen Preisen wieder aus dem Markt zu drängen, nicht gegriffen hat. Damit die amerikanische Fracking-Unternehmen in der Zwischenzeit nicht pleite gingen, wurden sie durch die US-Regierung stets gestützt. Das hat sich ausgezahlt, mittlerweile sind auch große Unternehmen nordamerikanischer Erdölbranche hier involviert. Kurz nach Verkündigung der Einigung kündigte man an die unkonventionelle Förderung wieder zu steigern. Dank höherer Ölpreise ist dies auch wieder lukrativer. Die Börse reagierte positiv. Alles wieder in bester Ordnung.
EU-Effizienz
Passend zur Jahreszeit stellte die Europäische Kommission mit ihrem „Winterpaket“ eine Sammlung von Gesetzesinitiativen, Berichten und Verordnungen zu Klima und Energie vor. Das freut die konventionelle Energiebranche, vor allem das produzierende Gewerbe. Die Ambitionen bei den Erneuerbaren Energien sind dagegen enttäuschend. Peter Liese, umweltpolitischer Sprecher der europäischen Volkspartei EVP, einer Fraktion aus christlich-demokratischen und konservativ-bürgerlichen Parteien, ist dagegen schon fast begeistert: „Es ist sehr gut, dass die Europäische Kommission Ernst macht mit dem Prinzip, Energieeffizienz zuerst“. Schließlich, so Liese, sei Energieeffizienz der kostengünstige Teil der Energiewende.
Aber werden hier nicht Begriffe miteinander verknüpft, die gar nicht kausal zusammengehören? Wie wir an dieser Stelle bereits mehrfach geschrieben haben fokussiert sich Energieeffizienz auf Vorhandenes und strebt keine neuen Lösungen an. Wir müssen mit der Energiewende jedoch nicht Bestehendes besser machen, sondern vor allem Dingen Neues schaffen. Statt „Energieeffizienz zuerst“ muss die Devise deshalb lauten: „Erneuerbare zuerst“. Sicherlich, kann man das eine tun, ohne das andere zu lassen. Aber „Energieeffizienz zuerst“ suggeriert, dass alles gar nicht so falsch ist, was wir tun, es genügt erst einmal es nur besser zu machen. Auch wenn effiziente Systeme bei Erneuerbaren Energien meist sinnvoll sind ist der Ansatz zunächst die Effizienz zu verbessern der falsche Weg. Wir halten Erneuerbare grundsätzlich für das effektivere System.
EU-Erneuerbare
Die EU ist offensichtlich für das Jahr 20130 mit einem Anteil von 27 Prozent Erneuerbaren zufrieden. Das ist ernüchternd, lässt es doch erkennen, wie ernst man es mit dem Pariser Weltklimaabkommen vom vergangenen Jahr wirklich meint. Wenn nun noch zu lesen ist, dass man den Einspeisevorrang für Erneuerbare Energien kippen möchte wird das Bild noch klarer. Hebt man den Vorrang für Erneuerbare auf, sobald mehr als 15% der jährlich erzeugten elektrischen Energie aus erneuerbaren Quellen stammt ist das ein riesengroßer Rückschritt. Durch eine solche Regelung könnte dann erneuerbarer Strom nicht nur aus technischen, sondern auch aus finanziellen Gründen zu Gunsten von Braunkohle- oder Kernkraftwerkstrom abgeregelt werden.
Duck and Cover
Durch das Verschieben von notwendigen Klimaschutzmaßnahmen aus wirtschaftlichen und wahltaktischen Gründen verlagert man das Problem lediglich auf spätere Generationen. Das Bevorzugen von Einsparmaßnahmen verschafft zwar eine gewisse Atempause, vergrößert den Maßnahmendruck aber letztendlich nur. Wenn beispielsweise die CDU nach einem Bericht des Spiegels erwägt die Förderung von erneuerbarem Strom möglichst schnell komplett zu beenden, dann kommt es letztendlich zum Atemstillstand unserer Klimaschutzbemühungen. Jenen, den es nicht um eine Förderung der Erneuerbaren, sondern um die Abschaffung des EEG geht, handeln unverantwortlich, sie sind Energiewendehälse par excellence.
Irgendwie erinnert vieles an einen Zivilverteidigungsfilm für Kinder, der in den 50’er Jahren in den USA unter dem Titel „Duck and Cover“ lief. Er erklärte auf spielerische Weise wie man sich im Falle einer Atombombenexplosion zu verhalten habe. Adäquat zu dem Verhalten von Schildkröten müsse man sich ducken und bedecken, z.B. in dem man sich unter einem Tisch versteckt und mit dem Gesicht zum Boden eng zusammen kauert. Auch wenn das in gewisser Weise hilfreich sein kann, nützt es natürlich nicht gegen die Gefahren des anschließenden Fallouts und einer Verstrahlung. So ist es auch mit der Klimaschutzpolitik: Abtauchen und Abwarten ist keine Lösung.