02.03.2018
Überparteiliche Resolution gegen überdimensionierten Leitungsausbau
Nein zu „P44mod“ und andere Übertragungs-Trassen
Die neuen Trassenkreuze am Umspannwerk Altdorf-Ludersheim im Nürnberger Land sind mehr als ein Symbol: Wenige Meter entfernt unterschrieben am Mittwoch zahlreiche Bürgermeister und die Landräte der Kreise Nürnberger Land und Bamberg eine Resolution gegen die geplante neue Leitungstrasse "P44mod".
Es war eine parteiübergreifende Demonstration. Direkt neben dem Umspannwerk Ludersheim, einer Stromkreuzung vieler schon bestehender Höchstspannungsleitungen, beurkundeten Armin Kroder (Freie Wähler, Kreis Nürnberger Land), Johann Kalb (CSU, Kreis Bamberg), Erich Ödörfer (ebenfalls CSU, Altdorf), Martina Baumann (SPD, Neunkirchen am Sand) und viele andere Kommunalchefs und -chefinnen gemeinsam: „Wir sind gegen die geplante Stromtrasse P44mod! Diese netztechnisch ineffiziente, umweltschutzfachlich schädliche, gesundheitsschädlich und unwirtschaftliche Variante lehnen wir ab.“ Aber die BürgermeisterInnen und Landräte sagen nicht nur, wogegen sie sind, sondern auch, wofür sie stehen: „Wir sehen die Lösung unserer Energieversorgung in einer dezentralen Aufstellung der Erzeugungsanlagen.“
Auf gerade mal 17 Zeilen haben sie ihre Kritik an den Stromnetz-Entwicklungsplänen von Bundes- und Bayerischer Staats-Regierung sowie der Bundesnetzagentur zusammengefasst. Die lässt an Klarheit nichts zu wünschen übrig. Doch die Resolution zeigt auch, wie die Kommunalpolitiker sich eine wirkliche Energiewende vorstellen: „Im Sinne einer dezentralen Energieversorgung muss versucht werden, an bestehenden Netzknoten die notwendige Reserveleistung zu installieren. Damit bleibt die energiewirtschaftliche Wertschöpfung in den Regionen mit all den Vorteilen für die Kommunen“, steht darin.
Bei ihrem parteiübergreifenden Nein zur Stromtrasse P44mod, die immer noch als Alternative im Gespräch ist, „wie auch zum gesamten überdimensionierten Ausbau des Netzes“ (Landrat Kroder) haben sich die Politiker Unterstützung geholt. Auf dem Podium sitzen auch Dörte Hamann vom „Aktionsbündnis gegen die Süd-Ost-Trasse“, und ebenso Rainer Kleedörfer vom Nürnberger Versorger N-Ergie. Der sieht durch die vielen neuen Trassen die „Gefahr, dass ein zentral ausgeprägtes Energieversorgungsnetz entsteht, in dem dezentrale Stadtwerke und kleine Energieunternehmen keine Chance mehr haben“. Dabei schreiben sich „kommunale Unternehmen die Daseinsvorsorge auf die Fahnen. Wenn institutionelle Investoren hineingehen, ist das anders“. Doch genau das passiere gerade: Chinesische Konzerne wollen sich bei hiesigen Übertragungsnetz-Betreibern einkaufen, weiß Erich Odörfer zu berichten. „Es darf nicht sein, dass Große den Strompreis diktieren“, erklärt er mit Verweis auf „die Bürger vor Ort. Wir müssen deren Sorgen den Mandatsträgern in München und Berlin übermitteln. Optimistisch“ sei er, dass die mögliche künftige Große Koalition das auch zur Kenntnis nehmen werde. Deshalb wünschen sich Kalb und Co, dass noch viele Kollegen ebenfalls die Resolution unterschreiben.
Dörte Hamann ist da skeptisch. Sie erlebe seit einiger Zeit „bei den Spitzen in Berlin und München die totale Blockade“. Mit den Bürgerinitiativen (BI), ob pro Dezentrale Energie oder gegen Leitungen, rede man gar nicht mehr. Und bei der Trassendiskussion gehe es „nur noch um das Wie, nicht mehr um das Ob“.
Bambergs CSU-Landrat Kalb aber meint, „wir haben noch Chancen, man ist dort nicht verbohrt“. Stattdessen bemerkt er: „Die P44mod spaltet die Bevölkerung, zum Beispiel im Landkreis Coburg“ erkennt er ein St.-Florians-Prinzip: Wo keine Leitung geplant ist, herrscht Ruhe. Doch „es geht um‘s Grundsätzliche. Der Bedarf ist nicht da. Deshalb brauchen wir die Leitung nicht.“ Dieses Plädoyer seines Parteifreunds Erich Odörfer für ein „Ja zu einer dezentralen Energiewende“ trägt Kalb wie die anderen Kommunalpolitiker mit.
Und sie alle wollen mit ihrer Resolution wieder Bewegung in die Energiewende-Diskussion bringen, „mit einer gemeinsamen Stimme gegen den überzogenen Netzausbau protestieren, uns gegenseitig unterstützen“, fasst Martina Baumann aus Neunkirchen zusammen. Da haben sie viel Arbeit vor sich. Hat doch in dieser Woche der designierte künftige CDU-Energieminister Peter Altmeier den „Netzausbau zum zentralen Punkt der Energiewende“ erklärt.
„Fehlerhafte Netzentwicklungspläne ohne Kohleausstieg – das geht nicht“, stellt hierzu BI-Sprecherin Dörte Hamann fest. Und Nürnberger-Land-Chef Armin Kroder nennt gar „neue Trassen das Ende der Energiewende“.
Übertragungsnetzausbau und P44mod
„Das Monster P44mod lebt weiter: Die Stromtrasse ist weiterhin für den Ausbau zur Höchstspannungsleitung vorgesehen“, stand 2016 im Fränkischen Tag. Von Redwitz (Kreis Lichtenfels) über Würgau (Kreis Bamberg) bis nach Ludersheim (Nürnberger Land) soll sie führen. Einst nur als Spannungserhöhung einer bestehenden 220 Kilovolt (kV)-Leitung auf 380 kV geplant, wird inzwischen ganz offen von einer neuen Trasse gesprochen. Zwar heißt es im Netzentwicklungsplan (NEP): „Die Projekte P44 und P44mod sind alternativ zueinander zu sehen. Bei Bestätigung eines der beiden Projekte entfällt das andere.“ Ob die Planer der Bundesnetzagentur mit dieser Unsicherheit hoffen, die jeweiligen Trassengegner gegeneinander ausspielen zu können?