01.12.2017
Förderung trotz Neun-Prozent-Rendite: EU schiebt Südlink-Stromtrasse an
Der Südlink ist eine jener neuen Stromleitungen, mit denen offiziell Windstrom aus dem Norden in die Verbrauchsregionen im Süden Deutschlands transportiert werden soll. Von Schleswig-Holstein nach Bayern und Baden-Württemberg soll Südlink führen, meist in der Erde vergraben als Hochspannungs-Gleichstromübertragung (HGÜ). Nun verspricht die EU dafür sogar Förderung.
Am 17. März 2017 hat die Arbeitsgemeinschaft der zwei regional zuständigen Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) TenneT und TransnetBW „den Antrag auf Bundesfachplanung nach § 6 Netzausbaubeschleunigungsgesetz (NABEG) bei der Bundesnetzagentur eingereicht“, ist auf der Webseite zu lesen.
Schon die Beschleunigung für den Leitungsbau durch NABEG selbst ist in Deutschland umstritten. Denn das Gesetz hebelt die Regeln der Aarhus-Konvention aus. Dieses europaweit grundsätzlich geltende Verfahren fordert auch hierzulande bei umweltrelevanten Großprojekten: Klägern müsse der Gerichtszugang möglich sein, bevor die relevanten Planungen beginnen. Im NABEG dagegen sind frühzeitige Klagen ausdrücklich ausgeschlossen. Und das so genannte „Umweltrechtsbehelfsgesetz“, das mit NABEG direkt zusammenhängt, unterstreicht diesen Aarhus-ignorierenden Ablauf noch. Eine „Völkerrechtswidrigkeit“, meinen Stromtrassengegner und gehen deshalb seit Jahren gegen die Bundesrepublik juristisch vor. Denn „wenn in Planungsverfahren Fehler begangen werden, die gegen die Aarhus-Konvention verstoßen und die nicht „heilbar“ sind, also nicht korrigiert werden können, dann sind diese Projekte Schwarzbauten“, ist man sich beispielsweise bei der Aarhus-Konvention-Initiative in Marktredwitz sicher.
Doch beim Südlink sollen die Trassenplaner durch die EU-Kommission noch weitere „Vorteile“ bekommen:
- a) "gestraffte Genehmigungsverfahren (mit einer verbindlichen Höchstdauer von dreieinhalb Jahren),
- b) bessere, schnellere und straffere Umweltverträglichkeitsprüfungen,
- c) eine einzige nationale zuständige Behörde (einzige Anlaufstelle), die alle Genehmigungsverfahren koordiniert."
So steht es in einer Presseerklärung der EU-Kommission vom 27. November. Zur Begründung führt die EU-Bürokratie an: „Es werden beträchtliche Anstrengungen unternommen, um die Netze zu verbessern, aber die Verzögerungen bei wichtigen Projekten sind beträchtlich, auch wegen des politischen Widerstands.“ Wegen „spürbaren Nutzens für mindestens zwei EU-Mitgliedstaaten“ verspricht Maroš Šefčovič, Vizepräsident der EU-Kommission und zuständig für die Energieunion, den Trassenplanern in einer Presseerklärung sogar „Förderung“. Es gebe konkrete „finanzielle Unterstützung im Rahmen der Fazilität „Connecting Europe“ (CEF) in Form von Zuschüssen und innovativen Finanzierungsinstrumenten“. In EU-Papieren steht dazu: „Dabei geht es darum, erneuerbare Energiequellen grenzüberschreitend einzubinden.“ (http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-17-4708_de.htm)
Ein EU-Sprecher führt gegenüber unserer Redaktion als Begründung an: „Außer Deutschland haben auch alle Anrainerstaaten Deutschlands – vor allem im Osten – einen Nutzen aus Südlink.“ Die Kommission bestätigt damit also: Die Leitung ist beileibe nicht nur für den „Transport von Windstrom von Schleswig-Holstein nach Bayern“ gedacht. ÜNB, Bundes- und Länderregierungen sowie Bundesnetzagentur BNetzA haben aber genau diesen innerdeutschen Nutzen bisher unisono und stets als Grund für den schnellen Leitungsbau und das NABEG angeführt. Nun also ist Südlink ein „PCI“, ein „Vorhaben von gemeinsamem Interesse“ (PCI = projects of common interest), steht auf der Seite www.netzausbau.de der BNetzA.
„Wir sehen diese Einstufung als PCI sehr kritisch. Südlink und andere Leitungen sind in Wirklichkeit Projekte, die transnationalem Stromtransit dienen“, schreibt der BUND-Energieexperte Werner Neumann auf Anfrage. Und er setzt noch einen Kritikpunkt drauf: „Die eigentlich EU-weit geforderte Strategische Umweltprüfung SUP wird bei den PCIs auch nicht gemacht. Das haben wir mehrfach in unseren Stellungnahmen geschrieben.“ SUP wie auch das Einhalten der Aarhus-Kriterien könnte den Trassenbau stark verzögern.
Zumal die Südlink-Planer ohnehin mit langen Planungszeiten gerechnet hatten: „Die notwendige Neuplanung verzögert die ursprünglich für 2022 angestrebte Inbetriebnahme um drei Jahre.“ Auch wenn in der „Verordnung zur Trans-Europäischen Energieinfrastruktur“ steht: „Die vorgesehenen Fristen berühren weder die aus Völker- und Unionsrecht resultierenden Verpflichtungen noch die Rechtsbehelfsverfahren vor Verwaltungsbehörden und die für ein Verfahren vor einem Gericht vorgesehenen Rechtsbehelfe“: das auch von Kommissar Maroš Šefčovič unterstützte EU-Schnellgenehmigungsverfahren könnte einen Teil dieser Zeit wieder einsparen.
Nicht klar wird übrigens, warum die EU-Kommission ausgerechnet jetzt die Möglichkeit der finanziellen Südlink-Förderung hinweist. „Das Angebot wurde von den Projektverantwortlichen bereits in Anspruch genommen“ und schon im November 2016 etwa 40 Mio. Euro Förderung beantragt. Seit diesem Sommer fließt das Geld, „die höchste Summe an CEF-Mitteln, die bis dato für derartige Aktivitäten von der Kommission bereitgestellt wurde“, schreibt Annett Urbaczka, Leiterin Unternehmenskommunikation bei TransnetBW auf unsere Anfrage.
Urbaczka bestätigt auch, die Förderung kam wegen der „sogenannten Connecting Europe Facility (CEF)“-Relevanz von Südlink zustande. Für BUND-Mann Werner Neumann ist „dies eine Diskriminierung aller potentiellen Stromerzeuger, gerade auch der Erneuerbaren Energien, die vor Ort arbeiten wollen im Sinne dezentraler Konzepte. Bei deren Umsetzung bräuchte man diese HGÜ-Leitungen gar nicht.“
Das Bundes-Wirtschafts- und Energieministerium dagegen hüllt sich trotz mehrfacher Nachfrage dazu in Schweigen.