01.12.2017
Build Your Dreams
Beim dritten Dieselgipfel, zu dem die Kanzlerin in dieser Woche Ländervertreter und Kommunen geladen hatte, wurde diskutiert, wie man die drohenden Fahrverbote wegen zu hoher Feinstaubbelastungen vermeiden könne. Und natürlich auch, wer die Kosten trägt. Vor allem die Kommunen sind unzufrieden mit der Bundesregierung. Dabei ging es unter anderem um die Frage, wie der ÖPNV einen Beitrag zur Verminderung der Dieselabgase leisten könne, etwa durch den Einsatz von Elektrobussen. Dies geriet allerdings zu einem Offenbarungseid. Das Geld sei nicht das Problem, es gäbe keine deutschen Anbieter, die elektrische Linienbusse in Serien herstellen. Daimler, MAN und Co. hätten nur Testfahrzeuge und Prototypen zu bieten. Nun wurden in der letzten Zeit aus China auch Zahlen zur Elektromobilität bekannt, die beeindrucken. Im Reich der Mitte sollen rund 200.000 Elektrobusse im Liniendienst fahren. Auch in den USA gäbe es erste Strecken, die mit diesen neuen Vehikeln bedient würden.
Interessant ist zum Beispiel die Firma BYD aus Guangzhou. Die Stadt ist uns bekannt als Kanton, die im Perlfluss-Delta, unweit von Hongkong gelegen ist. Das Firmenkürzel steht für „Build Your Dreams“ und mag für deutsche Ohren lächerlich klingen. Doch genau genommen sind die Träumer längst ein Technologiekonzern, der natürlich mit staatlichen Geldern aus der Taufe gehoben wurde, inzwischen aber über westliche Anteilseigner verfügt. So soll der bekannte amerikanische Investor Warren Buffett mehr als acht Prozent der Anteile an der BYD Company halten. Durch die hiesige Presse ging BYD gerade erst vor wenigen Tagen, als es vom pv magazine einen Innovations-Preis für den 2017 präsentierten Solarenergie-Batteriespeicher für Eigenheime erhielt. Die Modular-Bauweise, das Auf- und Entladen sowie die Effizienz des neuen Energiespeichersystems würde den Markt für Energiespeicher vorantrieben, so der Preisverleiher in seiner Begründung. Die Kapazität der Batterie reiche von 6,4 bis 11,5 kWh und könne für den kommerziellen Einsatz auf bis 57,5 kWh erweitert werden. Die Strategen von BYD wollen mit Home-Energy-Storage-Systemen (ESS) Hauseigentümer erreichen, die bereits Solarzellen auf den Dächern installiert haben und nach einem geeigneten Speichersystem für die gewonnene Solarenergie suchen, die dann zu einem späteren Zeitpunkt je nach Bedarf abgerufen werden kann.
Dazu passt es, dass BYD natürlich auch Autos im Portfolio hat. Für das Jahr 2017 hat das Unternehmen nach eigenen Angaben seine Ziele bereits jetzt erreicht: Von Januar bis Oktober konnten 82.859 Fahrzeuge verkaufen werden. Desweiteren kündigte BYD eine Erweiterung seiner Modellreihe Dynasty an. Das Konzeptfahrzeug Song Max, ein elektrischer SUV mit sieben Sitzen, soll ein „Dragon Face Design“ erhalten. Und, so groß scheint die Nachfrage von Elektroautos in China zu sein, bereits 40 Tagen nach der Markteinführung wurde das neueste Modell bereits 20.000 Mal vorbestellt. Für das Jahr 2018 plant BYD einen Verkauf von rund 200.000 New Energy Vehicles (NEVs) aus eigener Produktion. Die Umtriebigkeit der BYD Träumer hat damit aber längst nicht seine Grenzen erreicht. Der Konzern baut und verkauft erfolgreich Elektrobusse und will diese nun auch im Ausland, in Argentinien und Kanada in eigenen Fabriken produzieren lassen. Neben Elektrofahrzeugen, so zum Beispiel 50 Elektrobussen in der Provinz La Rioja, verkauft BYD in Argentinien nach Presseberichten auch Solarmodule und Batteriespeichersysteme. Das erinnert an Elon Musk von Tesla mit seiner One-Stop-Shop-Strategie.
Darüber hinaus will der chinesische Technologiekonzern in der geplanten Fabrik im kanadischen Ontario E-Trucks herstellen, nachdem er bereits im Jahr 2013 im kalifornischen Lancaster eine Produktionsstätte für Elektrobusse errichtet hatte. Die neue Fabrik in Ontario soll im nächsten Jahr fertiggestellt werden, berichtet die US-Nachrichtenagentur Bloomberg. Die Chinesen erhoffen sich ein gutes Geschäft mit Elektrobussen und Elektro-LKWs in Nordamerika. Ihr Produktsortiment in den USA werde immer größer. „Die Markteintrittsbarrieren für chinesische Produkte in Kanada sind deutlich geringer als die in den USA, kommentierte BYD Canada Sprecher Ted Dowling. Die benötigten Komponenten für die neue Fabrik sollen aus China importiert werden.
Betrachtet man das chinesische Unternehmen und seine Aktivitäten auf dem entstehenden Weltmarkt für E-Mobilität, fällt auf, dass es keinerlei Wurzeln und Tradition im herkömmlichen Automobilbau hat. Man war sich bewusst, vor allem den deutschen Autobauern und ihrem Know-how bei den Verbrennungsmotoren keinerlei Konkurrenz machen zu können. Also ging man dem aus dem Weg und suchte sich eine technologische Nische, die von den übermächtigen Konkurrenten links liegen gelassen wurde. Dass die Nische inzwischen keine mehr ist und dass das Thema inzwischen auf dem Dieselgipfel der Kanzlerin angekommen ist, wenn auch in Form der eigenen Ratlosigkeit, ist Kennzeichen der Situation um die E-Mobilität. Man kann gespannt sein, ob Kommunen, die besonders von Fahrverboten betroffen sind, sich entschließen könnten, ihren angestammten Omnibuslieferanten den Laufpass zu geben und stattdessen chinesische Busse ordern. Das würde natürlich böses Blut mit Daimler und Co. bedeuten, aber die Transformation zum elektrischen Busverkehr beschleunigen.
Links:
Fell: BYD fordert globale Abkühlung um 1°C
Deutsche Post bestellt erste Semi-Trucks von Tesla