30.01.2014
Strom und Wärme nach Meseberg – eine Rolle rückwärts ins Mittelalter
Die Beschlüsse der Großen Koalition zur Energiewende mögen ob ihrer Radikalität viele überraschen. Lässt man die beigefügte Gebetsmühle – die Reform solle den Ausbau der erneuerbaren Energien „konsequent und planvoll“ vorantreiben und die Versorgungssicherheit stärken – einmal beiseite, so plant die Bundesregierung nichts anderes, als die dezentrale Eigenstromerzeugung aus Sonne, Wind und Biomasse mit einer Strafabgabe zu belegen. Die „Eigenstromerzeugung soll zukünftig im Grundsatz an der EEG-Umlage beteiligt“ werden, liest man dazu auf den Webseiten des Bundeswirtschaftsministeriums. Minister Gabriel macht da weiter, wo sein Vorgänger Fips Rösler aufgehört hat. Geht man davon aus, dass seit mindestens einem Jahr moderne Wind und PV-Anlagen in der Stromerzeugung günstiger geworden sind als der Durchschnitt der Kohlekraftwerke der großen Vier, zeigt dies, wer den Koalitionären den Stift geführt hat. Die neu erfundene „Mindestumlage zur Grundfinanzierung“ ignoriert dabei völlig, dass der Anlagenbetreiber seine Investition in Erneuerbare Energie selbst finanziert und damit ein ungeschmälertes Recht auf deren Erträge hat. Die Betreiber von neuerbauten EEG-Anlagen sollen einerseits ab August ein Drittel weniger Einspeisevergütung erhalten, nutzen sie aber andererseits Strom für den Eigenbedarf, was u.a. die Netze entlastet, werden sie für ihre Autarkiebestrebungen bestraft. Das ist ungefähr so, als ob jeder, der im Garten oder auf dem Balkon ein paar Tomaten anbaut, eine Abgabe an die Lebensmittelkonzerne zu leisten hätte. Eine Rolle rückwärts ins tiefste Mittelalter.
Die EEG-Umlage auf Eigenverbrauchsstrom ist der Versuch, einen Damm zum Schutz des teuren Kohle- und Atomstroms zu errichten, um deren Niedergang abzuwenden. Bei der Kabinettsklausur in Meseberg am 22. Januar ist sie sogar auf bereits bestehende EE-Anlagen ausgeweitet worden. Neuanlagen sollen danach 90 Prozent der derzeitigen EEG-Umlage zahlen, zur Zeit also 5,61 Cent je Kilowattstunde. Neue KWK-Anlagen sollen 70 Prozent (4,37 Cent) zahlen. Nur Anlagen bis zehn Kilowatt sollen frei von der neuen Strafsteuer bleiben. Das nennt Gabriel Bagatellgrenze. Doch der Begriff führt in die Irre, will er doch suggerieren, dass die Mehrheit der Häuslebauer nicht betroffen sei. Gerade die Bestrebungen, mit elektrischen Batteriespeichern den Eigenverbrauch auszuweiten, werden so konterkariert.
Zusätzlich soll ab 2017 bei allen Neuanlagen ab einer Leistung von 100 kW der Strom verpflichtend direkt vermarktet werden. Die Marke ist wohl bewusst in dieser Höhe angesetzt. Energiegenossenschaften wären bis auf wenige Ausnahmen hiervon betroffen. Ausgeblendet wird auch, dass es viele landwirtschaftliche Betriebe betrifft, für die das keine Bagatelle sein dürfte.
Aber dieses Raubrittertum hat noch andere Auswirkungen, die auf den ersten Blick nicht ins Auge fallen. Die schnelle Entwicklung der Technologie hat dazu geführt, dass regenerative Strom- und Wärmeerzeugung immer näher zusammenwachsen, sich verzahnen und ergänzen. Das gilt nicht nur für Blockheizkraftwerke, sondern auch für neue Kombinationen von Wärmepumpen mit PV-Strom. Dem soll von vorneherein ein Riegel vorgeschoben werden.
Auch die Wohnungswirtschaft, die in ihren Gebäuden gerne Strom erzeugen und an ihre Mieter verkaufen würde, wird ausgebremst. Deren Forderungen, die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Stromverkauf an die Mieter endlich herzustellen, werden nicht nur ignoriert, Mit einer zusätzlichen Abgabe auf selbst erzeugten Strom würden die Chancen, solche Geschäftsmodelle wirtschaftlich betreiben zu können, in weite Ferne rücken.
Klaus Oberzig, oberzig(at)scienzz.org
ist freier Wissenschaftsjournalist in Berlin, Buchautor und Mitglied im Autorenteam der SONNENENERGIE.