18.03.2012
Wirtschaftsverbände fordern Projektmanagement für das Großprojekt Energiewende
(Kuehnle) Bei dem diesjährigen Spitzengespräch der deutschen Wirtschaft im Rahmen der Internationalen Handwerksmesse am 16. März 2012 in München mit Bundeskanzlerin Angela Merkel fordern die Verbände die Regierung auf, endlich ein klares, verlässliches und transparentes Projektmanagement für die Energiewende vorzulegen.
Bereits vor einem Jahr warnten die Spitzenverbände vor einem zu raschen Atomausstieg. Heute fordern sie von der Bundesregierung ein klares Projektmanagement, denn die schnell beschlossene Energiewende sei ein Großprojekt, das ein gezieltes, stimmiges und verlässliches Projektmanagement brauche.
Bereits bei der Eröffnungsveranstaltung der Internationalen Handwerksmesse am 14.März 2012 durch Wirtschaftsminister Philipp Rösler war die Energiewende das zentrale Thema. Seehofer kritisierte das Vorgehen der Bundesregierung, die Kritik ging vornehmlich an Rösler, die Energiewende nicht zielgerichtet zu steuern. Man laufe Gefahr, dass man in einem Jahr feststellen müsse, dass die Energiewende nicht vorangekommen sei. Rösler betont, dass die sehr rasch beschlossene Energiewende, ähnlich wie das Vorgehen der Organisation des Infrastrukturausbaus nach der Wiedervereinigung ein Planungsbeschleunigungsgesetz erfordere, dass die schnellere Umsetzung von wichtigen Infrastrukturmaßnahmen möglich macht. Seehofer lenkte in München sofort auf Röslers Vorschlag ein und sicherte Rösler für die Durchsetzung eines »Planungsbeschleunigungsgesetz-Energiewende« per Handschlag seine Unterstützung und die Unterstützung der CSU zu. „Das ist der Münchner Vertrag“ kommentiert Seehofer sein Zugeständnis. Die Bundeskanzlerin äußert sich auf der Pressekonferenz nach dem Spitzengespräch sehr verhalten zu dieser Forderung. „Für 24 konkrete Netzprojekte haben wir schon ein Beschleunigungsgesetz“. Über zusätzliche Beschleunigungsmöglichkeiten könne aber nachgedacht werden. Rösler plädiert in seiner Eröffnungsrede am 14.03. aber auch an die Unterstützung der Bevölkerung, „alle, die in den 1980er Jahren gegen Atomstrom demonstriert haben, sollten an meiner Seite stehen, wenn ich Gaskraftwerke und Stromtrassen baue. Alles andere wäre unseriös“, lässt der Wirtschaftsminister und FDP-Chef mit Nachdruck verlauten.
Der diesjährige Sprecher der Spitzenverbände, BDI-Präsident Hans-Peter Keitel äußert sich im Interview, dass die Energiewende aus seiner Sicht ein europäisches und deutsches Großprojekt sei und sich Technologiezweige wie die PV- und Solarthermie-Industrie, stärker auf internationale Geschäftsfelder konzentrieren müssten, wo Erträge ohne Subventionen wirtschaftlich seien. In diesem Zusammenhang sehe er den Ausbau eines europäischen Infrastrukturnetzes, damit die erzeugte Energie transportierbar ist und auch in Deutschland verwendet werden kann. Die Steuerung dieser europäischen Entwicklungen sieht Keitel stark in der Verantwortung von Kommissar Günther H. Oettinger, Mitglied der Europäischen Kommission. Griechenland ist aus Sicht Keitels ein aktuell hervorzuhebendes Zubau-Land für diese Technologien. Dabei betont Keitel die hervorzuhebende Bedeutung der Solarthermie für den Zubau in Griechenland.
Die vom Bundesrat ausgehende Blockade der steuerlichen Absetzbarkeit bei der Gebäudesanierung muss aufgegeben werden.
Das ist die Forderung der Bundeskanzlerin, die diese mit den Worten kommentiert, es könne nicht sein, dass dieses Gesetz von Ländern blockiert werde, die nicht solidarisch agieren wollen, weil sie höhere Beiträge zu diesem Vorhaben leisten müssten.
Nach dem Spitzengespräch fasst Bundeskanzlerin Merkel (CDU) die diskutierten Themen zusammen, u.a. sei die Energiewende ausführlich diskutiert worden. Die Berichte über die Netzbedarfsplanung müssen bis Juni abgeschlossen sein, so Merkel. Auch die Höhe der Ersatzinvestitionen und die Preisstabilität müssen bis dahin geklärt werden. . Außerdem müsse das CCS-Gesetz verabschiedet werden, das im Vermittlungsausschuss hängt. Das sei Voraussetzung für die Förderung von Ersatzinvestitionen.
Merkel (CSU) und die deutschen Wirtschaftsvertreter stimmen in Bezug auf die Energiewende darin überein, dass noch 2012 Klarheit über die Ersatzinvestitionen geschaffen werden müssen. Im Bundesrat müsse die Blockade gegen die steuerliche Absetzbarkeit bei der Gebäudesanierung aufgegeben werden. Die Spitzenverbände sichern ihre Unterstützung der Energiewende zu.
Absenkung der EEG-Umlage
Die Spitzenverbände fordern in Ihrer »gemeinsamen Erklärung der Verbände», dass die Investitionsbereitschaft von Unternehmen und Bürgern durch einen breiten Mix an Anreizinstrumenten flankiert werden müsse. „Die EEG-Umlage ist deutlich zu hoch, “ so die Spitzenverbände, „sie wird zu einer zunehmenden Belastung für 99 Prozent der Unternehmen in Industrie, Dienstleistung und Handwerk, die die volle Umlage zahlen. Die Bundesregierung stehe im Wort, dass die EEG-Umlage den Bereich von 3,5 Cent nicht übersteigt und gesenkt wird.“
Aufgrund von Röslers Zugeständnis für eine Verlängerung der „Erledigungs- bzw. Abwicklungszeiträume“ für bereits erteilte Aufträge für den Zubau von PV-Anlagen im Rahmen der Absenkung des EEG, findet am kommenden Mittwoch, dem 21. März 2012 eine Anhörung im Umweltausschuss statt. Rösler wolle, so wörtlich „keinen ideologischen Krieg“ heraufbeschwören. Jedoch sei es notwendig, dass man eine marktwirtschaftliche Regelung schnellstmöglich umsetzte.
Eine weitere wichtige Forderung der Spitzenverbände ist die, der klaren Kompetenzbündelung der Ministerien für die Zuständigkeit für die Energiewende. Kompetenzen des Wirtschafts- und Umweltministeriums müssten gebündelt werden. Arbeitgeberverbandspräsident Dieter Hundt schlägt in diesem Zusammenhang das Amt des »Energieministers« vor.
Auch sei es wesentlich, dass Möglichkeiten geschaffen werden, auf Fehlentwicklungen im Rahmen der Energiewende schneller reagieren zu können. „Die deutsche Wirtschaft ist bereit, an der Umsetzung der Energiewende engagiert mitzuwirken“, so die Erklärung der Spitzenverbände.
In der Pressekonferenz der Branchenverbände am 15.03.2012 im Rahmen der Internationalen Handwerksmesse äußert sich der Präsident der Bundesvereinigung Bauwirtschaft, dass es keinen Sinn machen würde eine EnEv 2012 mit verschärften Regelungen in Kraft zu setzten, da die Umsetzung der EnEv 2009 noch in vollem Gange sei und auch der Sinn von Maßnahmen evaluiert und diskutiert gehöre. Im Interview äußert der Geschäftsführer der Bundesvereinigung der Bauwirtschaft, dass wir noch nicht ausreichend Erkenntnisse über die Wirkungen der Umsetzung der EnEv 2009 haben. Er hält eine systematische Evaluation von Wirkungen und erfolgreichen Maßnahmen für unbedingt wichtig. „Damit man aus diesen Erfahrungen lernen könne und dann erst die nächste Optimierungsstufe definiert.“ Diesbezüglich sei die Bundesvereinigung bereits an Parteien herangetreten. Auf der Fachtagung „Neues aus Europas Normenwelt“ stellt der Staatssekretär des Ministeriums die EnEv 2012 vor und versichert, dass deren Umsetzung bereits beschlossen sei. Die EnEV 2012 würde auf wissenschaftlichen Studien basieren und enthalte keine Nachbesserungspflicht. In Kraft treten soll die EnEV 2012 Anfang 2013. Den Hinweis auf die Notwendigkeit der Evaluierung „nimmt der Staatssekretär“ nach eigenen Worten in die Bearbeitungsgruppen der EnEV 2012 mit. Auch werde es in Kürze eine konkrete Roadmap geben, mit der die Umsetzung sämtlicher Maßnahmen transparent ersichtlich und besser steuerbar sei.