21.12.2018
Hat COP 24 etwas gebracht?
Für viele ist es zum Jammern!
Die 24. Vertragsstaatenkonferenz der Rahmenkonvention der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC; United Nations Framework Convention on Climate Change) im polnischen Katowice musste während ihrer Verhandlungen eine deprimierende Nachricht des Globalen Kohlenstoff-Projektes zur Kenntnis nehmen: Im Jahr 2018 wird mit 37,1 +- 2 Milliarden Tonnen erneut ein Rekordwert der Kohlendioxidemissionen auftreten, sogar 2,7 Prozent über denen von 2017, und damit weit über den Emissionszuwachs von nur etwa 1 Prozent pro Jahr für die Zeitspanne 2010 bis 2017. Insgesamt stiegen die Emissionen seit 1990, als die Weltgemeinschaft kontrolliert zu zählen begann, um 63 Prozent.
Warum ist das so? Es gibt ein paar einfache Gründe: Erstens nahm die Zahl der Menschen seit 1990 um etwas mehr als 1 Prozent pro Jahr von 5,3 auf 7,5 Milliarden zu. Zweitens ist erfreulicherweise der materielle Wohlstand in den meisten Entwicklungsländern so stark angewachsen, so dass das Weltbruttoinlandsprodukt sich von 1990 bis heute von 23 auf über 80 Billionen US-Dollar mehr als verdreifacht hat. Drittens konnte glücklicherweise der Energiehunger aller dieser Menschen wegen der jährlich gesteigerten Effizienz bei der Nutzung von Energie bei den oben genannten vergleichsweise geringen Zuwachsraten der Emissionen gestillt werden.
Warum wird dieser Energiebedarf immer noch überwiegend mit Kohle, Erdöl und Erdgas befriedigt? Die Antwort legt den Kern des Problems frei. Ohne Zuwachs bei materiellem Wohlstand fürchten Politiker die Abwahl oder bei den noch immer häufigen autoritären Regimen der Herrscher den Umsturz. Deshalb wird die Nutzung fossiler Brennstoffe in fast allen Ländern subventioniert. Mit diesen subventionierten Energieträgern kann am Anfang eine neue Technologie wie die Photovoltaik nicht konkurrieren. Erst wenn die Zivilgesellschaft entsprechenden Druck ausübt, werden von den Regierungen für die neuen Techniken Nischen geschaffen, z.B. in Deutschland das Einspeisegesetz von 1991 und das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) von 2000.
Der späte Lichtblick in Paris als eine Folge des EEG
Das EEG hat in Deutschland eine beispielhafte Vergünstigung des elektrischen Stroms aus der Photovoltaik angestoßen, von 54 Eurocent im Jahre 2000 auf jetzt unter 10 Eurocent pro Kilowattstunde, es hat wesentlich mitgeholfen, dass eine Solarzellenmassenproduktion einsetzte und China jetzt Weltmarktführer ist. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass nur diese Vergünstigung erneuerbaren Stroms vor allem von der Sonne, aber auch des Windes, die Angst der Politiker vor ökonomischen Schleifspuren in der nationalen Wirtschaft bei echtem Klimaschutz so gemildert hat, dass das Paris-Abkommen am 12. Dezember 2015 abgenickt werden konnte. Anders als im Kyoto-Protokoll von 1997, das nur die Industrieländer zu vergleichsweise harmlosen Emissionsminderungen aufforderte, müssen jetzt alle Länder zum Klimaschutz beitragen und der Abschied von den fossilen Brennstoffen ist durch das Ziel wesentlich unter 2°C mittlere globale Erwärmung (im Vergleich zur vorindustriellen Zeit) so vorprogrammiert, dass es ohne globale Energiewende nicht mehr geht. Und die besonders von den Klimaänderungen betroffenen Entwicklungsländer sollen Schäden und Verluste mindestens teilkompensiert bekommen sowie Unterstützung bei der Anpassung an die Klimaänderungen.
Das Regelwerk von Katowice
Wenn man es positiv formuliert, so hat die COP 24 die Betriebsanleitung für das Paris-Abkommen zum Klimaschutz gebracht. Es gibt jetzt einheitliche Regelungen für fast alle Länder zur Überprüfung ihrer Maßnahmen zum Klimaschutz. In Katowice wurden nicht nur Regeln für die Struktur und Inhalte dieser Länderbeiträge, sondern auch für die Berichterstattung und die Überprüfung festgelegt. Positiv ist auch zu werten, dass der IPCC-Bericht zur Erreichbarkeit des 1,5°C-Zieles im Regelwerk mitverankert ist. Dennoch wird dieses heute für viele fast illusorisch erscheinende Ziel einen Meeresspiegelanstieg über Jahrhunderte um Meter nicht verhindern. Leider ist es in Katowice nicht gelungen einen Prozess zu definieren, der klärt, wie die Finanzierung für klimabedingte Schäden und Verluste sichergestellt werden kann. Bei COP 25 soll das geschehen. Dabei wird auch die Fähigkeit der Klimaforscher helfen, seit kurzem einzelnen extremen Wetterereignissen eine Spanne der Vervielfachung der Heftigkeit gegenüber früher zuzuordnen.
Auch haben die Vertragsstaaten zu den bisher versprochenen nationalen Maßnahmen nichts Wesentliches hinzugefügt, so dass das Ziel „eine Erwärmung deutlich unter 2°C“ auch bei Erfüllung aller bisher versprochenen Maßnahmen weiterhin bei weitem nicht erreicht würde. Die meisten Industrieländer sind beim Klimaschutz so mutlos wie die deutsche Regierung. Noch immer haben wir kein Klimaschutzgesetz wie z.B. die Briten. Um die Unterstützung der Bevölkerung für die Energiewende und damit den Klimaschutz zu erhalten, sind in einem solchen Gesetz auch wesentliche soziale Maßnahmen notwendig. Denn zurzeit macht der wohlsituierte Bürger, der nach dem Einspeisegesetz von 1991 und dem EEG von 2000 in dezentrale Erzeugungsanlagen investiert hat (wie der Autor), oft „Kohle“, die energieintensive Industrie wird geschont, die unteren Einkommensschichten ächzen unter den durch die Ausnahmen wesentlich erhöhten EEG-Umlagekosten.
Erfreulich ist auch, dass die von Klimaskeptikern beeinflussten Regierungen sich in Katowice nicht haben durchsetzen können. Deren Politik ohne Klimaschutz würde auf lange Sicht die von ihnen meist auch bekämpfte Migration verstärken. Ernst genommener Klimaschutz ist nicht nur ein Stück Weltinnenpolitik sondern liefert auch eine Friedensdividende. Die Sonne scheint für alle.
Schlussfolgerung: „Das Ergebnis von Katowice ist vor allem deswegen beachtlich, weil es einige Sabotageversuche aus dem Weißen Haus, Saudi-Arabien und Brasilien gab. Es ist vor allem das Verdienst der ärmsten und durch die Klimakrise verletzlichsten Entwicklungsländer, die sich für starke Beschlüsse eingesetzt haben.“ (übernommen von Germanwatch e.V.)
Klimaforscher, Emeritierter Direktor Max-Planck-Institut für Meteorologie