23.11.2018
Strukturwandel und Groko passt wie Faust aufs Gretchen
Die Kohlekommission, der die Bundesregierung gerade eine Verlängerung der Abgabefrist zugestanden hat, heißt eigentlich „Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“. Dahinter steckt das Narrativ, diese Regierung würde sich um Strukturwandel und Beschäftigung kümmern. Die Massenmedien halten sich zwar treu und brav an diese Sprachregelung, aber damit entspricht dies noch lange nicht den Tatsachen. Es sei hier der Vollständigkeit halber erwähnt, dass wir auch das Verhalten der Bundesregierung in Sachen Dieselgate als Versuch ansehen, den Strukturwandel im Automobilbau auszubremsen, aber das soll hier nicht thematisiert werden. Uns geht es um den dritten Begriff des Kommissionsnamens, den der Beschäftigung.
Es ist hinlänglich bekannt, dass die SPD über eine lange Tradition in der Kohle verfügt und dass sie, verbunden mit Gewerkschaften wie der IG Bergbau und Chemie, ein starkes Bollwerk für die Fortführung der Kohleförderung und -verstromung bildete. Die Unterstützung für diese rabenschwarze Klientel, manche nennen das auch Kohlelastigkeit, ging und geht soweit, frontal gegen die Erneuerbaren Energien anzugehen, die als Nachfolge der fossilen Brennstoffe und Verbrennungstechnologien bereitstehen. Nicht von Anfang an, aber spätestens nach Ende der Rot-Grünen Koalition und nach dem Tode von Hermann Scheer. Dieser Kampf für den Erhalt der Kohle war zwar von Anbeginn an als Versuch den Strukturwandel zu verhindern sinnlos und wird demnächst mit einem Ausstiegstermin durch die Kohlekommission bzw. die Bundesregierung beendet werden. Aber er hat Opfer gekostet- und zwar auf Seiten der solaren Zukunftsindustrien.
Wohl wissend, dass ein vermasselter Strukturwandel einen Wirtschaftsstandort ruinieren kann – und diese Messe ist vor dem Hintergrund der asiatischen, vornehmlich der chinesischen Expansionspolitik noch längst nicht gesungen – wollen wir an den Verlust von über 100.000 Arbeitsplätzen in der Solarwirtschaft erinnern. Die Politik der Groko, das Wachstum der erneuerbaren Industrien zu deckeln und den Ökostrom mit hinterlistigen und verklausulierten Belastung bei Erzeugern und Verbrauchern zu erschweren, war wohlkalkuliert und hat die „Kollateralschäden“ billigend in Kauf genommen. Wenn Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke, SPD, und NRW Landeschef Armin Laschet, CDU, ihr Herz für die Braunkohle-Kumpel entdeckt haben, regelmäßig in den Massenmedien Krokodilstränen über deren Arbeitsplatzverlust vergießen und nun nach „Ersatzarbeitsplätzen“ rufen, so mag man das als verlogene Politik schelten.
Aber es ist, nüchtern betrachtet noch etwas anderes. Nachdem man den Strukturwandel lange zu verhindern versucht hat, geht es jetzt ans Spuren verwischen. Denn tatsächlich waren sie es, die im Verbund mit Energiekonzernen, Groko und Gewerkschaften die Reihenfolge, in der ein Strukturwandel tatsächlich hätte ablaufen können, auf den Kopf gestellt haben. Statt mit einer vorausschauenden Politik einen gleitenden Übergang in eine neue Energiezukunft zu gewährleisten, bei der die „überflüssigen“ Kumpel neue solare Arbeitsplätze hätten finden können, haben sie für Kahlschlag bei den Erneuerbaren gesorgt. Statt das zarte Pflänzchen der aufkommenden solaren Industrien zu hegen und zu pflegen, haben sie sich zum Handlanger der untergehenden rohstoffbasierten Industrien machen lassen. Sie haben ab dem Jahr 2009 den hiesigen Solarfirmen ein wahres Massensterben beschert. Und deren einstmals führende Position zerstört.
In der Chronik des Niedergangs finden sich denn auch Namen wie SolarWorld, Sunways, Solon, Wagner, Conergy, Q-Cells, Sovello und viele andere. Nicht zu vergessen die vielen Solateure, die in den Untergangsstrudel gerissen wurden. Als einziger verbliebener Solarkonzern im TecDax hat SMA Solar die Krise bislang überlebt. Seit 2015 schreibt das auf die Herstellung von Wechselrichtern spezialisierte Unternehmen nach eigenen Angaben wieder Gewinne. Aber auch SMA hat Probleme im Kerngeschäft. Die Hauptgründe: Sinkende Preise durch Billigkonkurrenz, die politische Deckelung der Photovoltaik in Deutschland und US-Strafzölle auf Solarprodukte.
Klaus Oberzig