09.11.2018
Vom Perpetuum Mobile zum kugeligen Wasserkraftwerk
Einmal im Jahr, immer rund um Allerheiligen, läuft auf dem Nürnberger Messegelände die Erfindermesse IENA. Heuer übrigens schon zum 70. Mal. Die Schau für Ideen, Erfindungen und neue Produkte ist für nach Neuheiten Suchende seit 1948 so etwas wie ein vorgezogenes Weihnachtsfest.
IENA – Berichte über die Vorpremieren
Über Neuheiten berichten viele Medien sogar schon vor dem offiziellen Messestart. Diese paar von der Messeleitung präsentierten Fundstücke sind aber nur ein ganz winziger Teil dessen, was in den Gängen der IENA-Halle tatsächlich alles zu finden ist. Der diesjährige Katalog listete 710 Aussteller auf, und dazu kamen noch einige Nachzügler.
Die Wasserkraft-Kugel
Für einige Ideen aus den Tüftelstuben lohnt sich die Mühe der Suche alle Jahre wieder: Wie vorgezogenes Weihnachten ist das eben. So gelangte heuer gerade aus dem Energiebereich wieder einiges Neues in die (ebenfalls nagelneue) Messehalle 3C. Beim als blinkenden Raumfahrer verkleideten Berliner Erfinder Jian Hong Zhang beispielsweise blieben viele stehen. Doch die Wenigsten dürften verstanden haben, worum es bei seinem Ocean Ball tatsächlich geht. Denn die Kugel mit einem Meter Durchmesser war lediglich das Modell im Maßstab 1:5 jenes Prototypen, der „in zirka sechs Monaten fertig“ sein soll. Selbst bei kleinen Meeres-Wellenbewegungen werde seine Energiekugel bereits Strom produzieren; maximal 100 Kilowatt (kW) werde sie leisten, ist der Erfinder sicher, und das für fünf Cent je kWh, so der prospektierte „Richtwert“.
Davon hat Zhang offenbar auch einen Investor überzeugt: Der unterstütze die Idee mit 20 Mio. Euro. Wer das ist, verrät der Ocean Ball-Erfinder aber nicht. Nur so viel: Das erste größere Projekt werde vor der indonesischen Küste verwirklicht.
„Wartungsfrei, Strom zu denselben Kosten wie atomar oder fossil erzeugt, 365 Tage im Jahr“ nennt der Berliner einige Vorteile. Bleiben noch zwei Fragen: Wie soll der Strom von einer größeren Menge Kraftwerkskugeln wirtschaftlich an Land transportiert werden? Und: Wie reagieren Umweltschutz und Schifffahrt auf die 5-Meter-Tonnen? Auch diese werden beim Pilotprojekt in Indonesien geklärt, ist Jian Hong Zhang sicher. Selbst wenn seine „Website noch im Aufbau“ ist.
Wassertonnen für die Sonne
Claus Tennler aus Nürnberg hat eine wirklich neuartige Solarnachführung entwickelt. Die Modulgestelle stecken in runden Wasserbottichen, und neben dem ganzen Solarfeld stehen nochmals zwei Bottiche. Die einzelnen Gestelle sind mit Seilen verbunden. Und in den Gefäßen rechts und links werden Gewichte durch den Wasserstand angehoben bzw. abgesenkt. Lediglich zwei Wasserpumpen nebst Steuerung seien also für die Nachführung eines ganzen Kraftwerks nötig, hebt Ingenieur Tennler heraus. Kostengünstig sei das allemal.
Und sicher außerdem. Bei Sturm werde einfach das Wasser unter den Modulen abgelassen: Die Gestelle liegen dann waagrecht auf den Tonnen und sind geschützt, erläutert der Erfinder. Der hat das System im Übrigen bereits in USA zum Patent angemeldet.
Entsalzung durch Verdampfen
Die Erfindung sieht aus wie ein Sonnenspiegel zum Würstchenerhitzen, ist aber das Modell einer solaren Meerwasserentsalzungsanlage. Die Idee des iranischen Landwirtschafts-Entwicklers Babak Jaberinasab: Die Entsalzung geschieht direkt durch das Verdampfen des Wassers im Spiegelpunkt, und das auch noch kontinuierlich. Ein Zwischenschritt über Osmose oder ähnliche Verfahren ist nicht mehr nötig. „Natürlich sind die wirklichen Konzentrator-Spiegel viel größer“, hebt Jaberinasab heraus. Nun sucht er nach Firmen, die sein Patent nutzen und vermarkten.
So weit, so positiv und energiereich. Doch auf der IENA werden auch immer wieder Energien erforscht, die eher im Raum schweben. Ein paar solcher Maschinen, die man wohl besser als Perpetua Mobilia bezeichnen sollte, seien hier kurz vorgestellt.
14335‘ster Magnetmotor aus der Mittelschule
Langting Sun und Lupin Wan wünschen sich sicher, dass die Welt noch öfter von ihnen hört oder liest. Auf der IENA 2018 hatten sie ihren „neuartigen Magnetmotor“ dabei. Der drehte auf dem Stand meistens unkommentiert vor sich hin. Doch manchmal blieb die Scheibe auch stehen.
Das Teil sei ja erst „die Vorerkundung“, hieß es dazu von den jungen Erfindern von der „No. 1 Middle School Zongshan City“ aus China. Ob man je davon hören wird, dass Suns und Lupins erster „echter“ Prototyp Energie aus Magneten gewonnen hat?
Neonröhre reloaded
Dagegen funktioniert die Erfindung von Guo Zhiming und Kollegen heute schon. Das konnte am Stand der Quanhou Shingfeng Er Elektronik Technology Co., Ltd. aus China jeder Besucher erleben. Doch Radiowellen in Strom umzuwandeln ist nichts wirklich Neues: Um neben einem Funksender eine Neonröhre zum Strahlen zu bringen, braucht man keine Leuchte zu sein. Aber die „Erfinder“ ließen sich nicht davon abbringen: Sie hätten „eine neue Energie aus den elektromagnetischen Wellen der Umwelt“ entdeckt, erklärten sie.
Ein Quantum Mikrowelle
An der Yu Da University of Science and Technology in Taiwan wurde der „Photoelektric Quantum Chip“ entwickelt. Inzwischen ist die Erfindung – „eine der größten in der Quantenmedizin“ - schon 1,5 Millionen mal verkauft worden. „Der Chip versorgt den Körper mit Mikrowellen-Energie“ und „stärkt die Mikrozirkulation“. Man könnte meinen, das Teil wandelt das Altern zum Jüngern, so jedenfalls liest sich das Patent-Prospekt. Versprochen wird nicht weniger als „eine Zellreparatur“.
Jede Menge Goldmedaillen aus der ganzen Welt haben die Taiwanesen damit schon gewonnen. Doch wie die Solar-Quantenstrahlung 365 Tage im Jahr 24 Stunden lang durch die Kleidung auf den Chip kommen soll, wird nicht erklärt. Vielleicht hoffen die Herren und Damen Erfinder darauf, Deutschlands Omas überraschen die Opas mit diesem Regenerationswunder? Aber bekommen die Großväter dadurch wirklich ein längeres Leben? Auch darüber wird vermutlich kaum etwas zu hören oder zu lesen sein. Auch nicht zu Weihnachten.
Heinz Wranewchitz