29.05.2020
Corona, der BEE und andere Hoffende
Wieder ist eine Woche vorüber. Mit Forderungen rund um die Zukunft der Energieversorgung, die unterschiedlicher nicht hätten sein können. Ein DGS-News-Autor hat gelesen, zugeschaut und zugehört.
Seine eigenen „Grundzüge für ein nachhaltiges Corona-Konjunkturprogramm“ hat der Bundesverband Erneuerbare Energie BEE e.V. am Montag öffentlich gemacht. Direkt davor hatte BEE-Präsidentin Simone Peter zu einer Online-Pressekonferenz geladen.
>Corona-Zeit die wird vergeh`n, die Klimakrise bleibt besteh’n.<
Unter diesem – vom DGS-News-Autor aus der Zusammenfassung gedichteten - Zweizeiler könnten die 21 Seiten Nach-Corona-Programm des BEE stehen.
Wenn da nicht der englische Titel „Timely, Targeted, Temporary, Transformative“ wäre. Bei der deutschen Übersetzung fällt natürlich sofort das „vorübergehend“ auf. Denn das Wort passt weder zu Corona – das Virus ist in der Welt und da wird er auch bleiben. Und es passt erst recht nicht zur kommenden Klimakatastrophe, wie wir sie korrekt benennen. Was also soll vorübergehend sein im BEE-Programm? Das blieb am Montag offen.
Was am Programm „rechtzeitig, zielgerichtet, transformativ“ ist, kam besser heraus. Mit rechtzeitig dürfte aus Sicht des BEE der Zeitpunkt der Veröffentlichung gemeint sein. Denn für den Bundesverband, dem die DGS als Fördermitglied angehört, steht fest: „Die ökonomische Bewältigung der Corona-Krise kann nur über europäische Kooperation erfolgen. Die Bundesregierung sollte die kommende Ratspräsidentschaft nutzen, um den Green Deal konsequent voranzutreiben.“ Präsidentin Peter ficht dabei nicht einmal die Drohung des Wirtschaftsrats der Union vom September 2019 an, in genau dieser Präsidentschafts-Zeit die völkerrechtlichen Aarhus-Umweltverträge aushebeln zu wollen. Sie „erwarte eine lebhafte Debatte zum Wirtschaftsrat-Vorschlag“, den der BEE damals „strikt zurückgewiesen“ habe, sagt Simone Peter nur dazu.
Zumal sich nach ihrer Meinung „der internationale Wettbewerb auf Nachhaltigkeit ausrichtet. Sogar die Internationale Energieagentur IEA hat gefordert, die Regierungen sollen nachhaltig wirtschaften.“ Soll wohl heißen: Der Unions-Vorschlag wird vorüber geh`n, die Aarhus-Verträge, die bleiben besteh`n.
Zielgerichtet: „Die Regierung muss anpacken, klotzen, nicht kleckern. Sie muss Erneuerbare Energien jetzt in alle Sektoren bringen. Das Stromziel 65% Erneuerbare bis 2030 muss endlich festgeschrieben werden. Und Kredite zunehmend an nachhaltige Kriterien koppeln“: Das sind nur einige dieser Ziele.
Doch ob die Regierung die auch ansteuert? Das wird man spätestens dann sehen, wenn die GroKo etwas zum Ziel verbrennerfreie Autos sagt. Eine transformative BEE-Forderung lautet: „Keinesfalls auf fossile Autos setzen. Das steht allen Klimaschutzbestrebungen entgegen.“ Präsidentin Peter gab sich jedenfalls überzeugt, dass nicht nur die Bundesumweltministerin, sondern auch der Wirtschaftsminister zur Transformation stehe, „und sie die anderen Ressorts in die Verantwortung nehmen“.
Insgesamt wurden in der Online-Veranstaltung zwar jede Menge Ideen präsentiert. Viele klangen eher wie Allgemeinplätze: „Die Verbindung Ökologie und Ökonomie sichert Arbeitsplätze“ beispielsweise. Oder: „Deutschland kann kein Kohleland und kein Dieselland bleiben.“ Doch darüber, wie der BEE die Regierung dazu bewegen will, dem Programm zu folgen, war von Simone Peter nicht viel zu hören. Eine Ausnahme: „Bürgergenossenschaften stärken. Die Beseitigung der Deckel und Bremsen würde helfen. Dazu bräuchten nur die EU-Vorgaben umgesetzt werden.“ Das aber hat die Bundesregierung bisher hartleibig verhindert.
Einem vom BEE vorgeschlagenen Punkt, Erdgas als Ersatz von Kohle zur Stromproduktion zu nutzen, dürfte zwar die Regierung zustimmen. Doch Ökoenergie-Verbände wie die DGS stellen sich strikt gegen Erdgas. Denn das ist keinesfalls nachhaltig: Auf dem Weg von der Quelle bis zum Verbraucher geht jede Menge davon verloren, weshalb es Umweltschäden verursacht.
Acht Projekte der DBU - ohne Nutzen?
Das nächste Corona-Projektprogramm kam schon am nächsten Tag - ein genauso wenig konkretes: Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt DBU will, dass wir alle „besser gewappnet aus der Corona-Krise hervorgehen“.
„Die Vorhaben sollen zum einen das Ziel haben, das menschliche Verhalten und die psychologischen Effekte zu verstehen. Zum anderen soll analysiert werden, wie die aktuellen Maßnahmenprogramme für den wirtschaftlichen Aufschwung aussehen müssen, um eine nachhaltige Entwicklung unterstützen zu können.“ Klingt gut, ist aber Unsinn. Denn bis diese Projekte abgeschlossen sind, werden all die 100e Milliarden Konjunkturförderung bereits von EU, Bund und Ländern verstreut worden sein.
Ebenfalls am Dienstag wurde hierzulande bekannt: Russlands erstes Atomkraftwerksschiff ist in Betrieb. Die russischen Medien jubelten. Und es ist Wasser auf die Mühlen der Ewiggestrigen gerade aus dem sogenannten „Wirtschaftsrat“ der Union, die sich eine Atomrückkehr nach Deutschland wünschen. Auch wenn deren Online-Umfrage offenbar wegen nicht passender Ergebnisse dazu verschämt gelöscht wurde: Die Herren (Frauen schreiben im „Rat“ offenbar nichts) geben nicht auf. Ein erster „Erfolg“ am Tag darauf: Die hochgelobte „Solardeckel-Streichung“ der Regierung bleibt auch weiter nichts als eine Ankündigung.
Vier unterschiedliche Akteure – eine Meinung
Konkret dagegen wurden am Mittwoch vier Akteure, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben: Die Andechser Bio-Molkerei, der BUND Naturschutz Bayern, die Gewerkschaft IG Metall und der Energiekonzern N-Ergie verkündeten gemeinsam, wenn auch nur Online und aus verschiedenen Orten zugeschaltet, den „richtigen Einsatz der Milliarden Euro an Steuergeldern für Hilfs- und Konjunkturprogramme für eine Neuausrichtung hin zu einer krisenresilienten und nachhaltigen Wirtschaftsweise“.
Dabei machen Industriebetriebe offenbar bereits Schritte in diese Richtung. Auch wenn diese öffentlich kaum bekannt sind. Der Wälzlagerhersteller Schaeffler beispielsweise „ist auf dem Weg in Richtung CO2-freie Produktion“, erklärte der Gesamtbetriebsratschef und IG-Metaller Norbert Lenhard. Richard Mergner, Landesvorsitzender des BUND, lobt dies ausdrücklich. Doch er ist „höchst besorgt über die derzeitigen Konjunkturprogramme, die alte Gleise stärken“. Der BUND-Mann wünscht sich stattdessen „Programme, in denen die Daseinsvorsorge, Gemeinwohlinteressen, die Zukunft von KMU und kommunalen Unternehmen Vorrang haben.“ Zur Finanzierung „könnten umweltschädliche Subventionen, zum Beispiel für Diesel abgebaut werden“.
Laut Molkerei-Chefin Barbara Seitz brauche es dazu „gar keine neuen Initiativen. Einfach Artikel 20a im Grundgesetz pflichtbewusst umsetzen: Die Lebensgrundlagen sichern. Das Vollzugsdefizit ist Staatsversagen“, fährt sie ein schweres Geschütz auf. N-Ergie-Vorstand Josef Hasler forderte die Politik auf, „die Wärme nicht außer Acht zu lassen. Den über 50-prozentigen Abgabenanteil beim Strom abschaffen, davon profitieren alle“, schlägt er eine konkrete Maßnahme vor, die Geld für Investitionen durch Bürger, Kommunen und Firmen freimache. Und – wie schon seit langer Zeit – forderte er von der Politik erneut: „Statt Windkraft 800 km vom Verbraucher entfernt zu bauen mit 3.500 Stunden Betriebszeit pro Jahr und zig Milliarden in Netze zu stecken: Wir müssen Erneuerbare Energien in der Region forcieren, Speicher bauen, E-Mobilität mit dem Geld voranbringen. Und natürlich den ÖPNV sichern.“
Ach ja, fast hätte ich es vergessen! Natürlich hat sich auch die Altenergielobby wieder gemeldet: Der Braunkohletagebau solle gesetzlich gesichert werden. Forderungen aus dieser Ecke kannten wir ja auch schon aus den vergangenen Wochen.