04.06.2021
Was traurig macht, was hoffen lässt: Von Geldmacht und Nachhaltigkeit
Ein Kommentar von Heinz Wraneschitz
Grundsätzlich bin ich ein Mensch, der an die Zukunft glaubt. Sonst könnte mich nicht seit 1985 für Umwelt und Erneuerbare Energien engagieren. Solarmodul-Verkauf, Öko-Energie-Beratung, Projektentwicklung für Erneuerbare Energien. Und Umweltjournalismus – zuerst nebenbei, seit 2005 hauptberuflich: das sind in aller Kürze meine Stationen.
„Solarenergie näher an die Wirtschaftlichkeit führen“:
Die Aufgabe, der ich mich 1990 im nagelneuen solid Solarenergie-Informations- und Demonstrationszentrum Fürth stellte, war mit dem EEG im Jahre 2000 für Photovoltaik (PV) quasi erledigt; Solarwärme war und ist das ja eigentlich schon lange: wirtschaftlich.
Nachhaltigkeit
Dass PV allein das Klima dieser Erde nicht retten kann, war mir frühzeitig klar. Deshalb stand und steht bei mir immer das Thema „Nachhaltigkeit“ im Zentrum – bei der Herstellung von Solarmodulen wie Batterien genauso wie beim Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen, hierzulande wie auf der ganzen Welt. Und deshalb ist die Energiewende für mich nicht beendet, wenn Wind- und Solarenergie Kohle- und Atomstrom ersetzt hat: Es müssen genauso die anderen Verbrauchssektoren Wärme und Verkehr „elektrifiziert“ und zuvor alle Effizienzmöglichkeiten ausgeschöpft werden.
Außerdem kann es nicht darum gehen, möglichst viele Strom- und Gas-Übertragungs-Leitungen kreuz und quer durch die Republik zu ziehen: Zuerst müssen regionale (Öko-Energie-)Wirtschaftskreisläufe eingerichtet werden, danach erst darf der Austausch von Über- und Unter-Energiemengen stattfinden. Und das möglichst nicht über tausende Kilometer, sondern zwischen einer „Energie-Zelle“ und den umliegenden.
Für mich steht dabei ein Wunsch im Vordergrund: Ich möchte die Erde so hinterlassen, dass sie noch für viele nachkommende Generationen lebenswert ist. Das sieht augenscheinlich auch das höchste Richtergremium hierzulande genauso.
Die Macht im Hintergrund
Eigentlich müsste mich dieses Urteil jubeln lassen. Wenn da nicht finanzkräftige Mächte im Hintergrund weltweit am Werk wären, die alles dafür tun, Klima, Atmosphäre, die ganze Erde schnell und nachhaltig zu zerstören. Warum auch immer. Denn nicht nur der Cardiologe und Liedermacher Georg Ringsgwandl hat in einem Song so wunderschön eindeutig klargestellt: Niemand kann „Nix mitnehma“.
Der Informationskrieg
In seinem neuen Buch „Propagandaschlacht ums Klima“, übersetzt von DGS-Autor*innen, führt Wissenschaftler Micheal Mann „hinter die Kulissen des jahrzehntelangen Informationskriegs der fossilen Brennstoffindustrie und denen, die ihre Interessen teilen“, wie der weltbekannte Schauspieler Leonardo di Caprio treffend zusammenfasst.
Soziale Netzwerke?
Und das tun sie augenscheinlich überall. Augenfällig wird das beispielsweise im ach so sozialen Netzwerk Facebook. Wer Gruppen anschaut, die ganz unverdächtig „Klimawandel“ oder „Europäische Energiewende“ heißen, wird geradezu überrollt von unverblümten, die Nachhaltigkeit der Erneuerbaren leugnenden Kommentaren „Pro Atomenergie“ und „Gegen Regenerative“.
Doch die Propagandaschlacht passiert auch ganz subtil.
Wenn Jörg Wojahn, der offizielle Vertreter der Europäischen Kommission in Deutschland, in einer Veranstaltung zum „Green Deal der EU“ an diesem Montag erklärt, „wir treten nun aufs Gaspedal“, dann mag das noch der Umgangssprache geschuldet sein.
Wenn Wojahn aber keine Antwort darauf hat, wie die Kommission die polnische Regierung zwingen will, das Urteil des Europäischen Gerichtshofs gegen polnischen Braunkohleabbau einzuhalten, dann zeigt das: Die echte Macht haben andere.
Wenn Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) am Dienstag dieser Woche auf einer Veranstaltung der Gewerkschaft ver.di versichert: „Den CO2-Preis für die Heizkosten müssen die Vermieter tragen, denn die entscheiden über die Investition in die Heizanlage“, aber am nächsten Tag die CDSU-Fraktion im Deutschen Bundestag genau diese Kosten auf die Mieter umlegt, dann zeigt das: Die echte Macht haben andere.
Wenn – ebenfalls bei einer ver.di-Veranstaltung – der Betriebsratsvorsitzende des Verkehrsbetriebs der Münchner Stadtwerke Cornelius Müller fordert: „Bei ÖPNV-Entscheidungen dürfen nicht die Verkehrspolitiker an den Tisch!“, meint er damit: Die haben das Soziale und die Nachhaltigkeit nicht im Blick, sondern nur das Geld. Doch genau darüber entscheidet eben der Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU): Die echte Macht haben andere.
Im Zusammenhang mit der Energiewende erklärte in genau derselben Veranstaltung übrigens die Studentin Lea Knoff, Aktivistin bei Fridays for Future Leipzig wörtlich in AfDesk-pauschalierendem Stil: „Es wird von den Medien gehetzt.“
Das alles macht mich sehr traurig.
Gottseidank gibt es aber auch positive Gedanken. So bekannte am Mittwoch Bayerns ver.di-Landesgeschäftsführerin Luise Klemens: „Die Energiewende beginnt vor Ort.“ Und sie kritisierte die aktuelle Ausschreibungspraxis der Öffentlichen Hand als „ein Tollhaus. Denn beim billigsten Angebot zahlt immer jemand den Preis – die Beschäftigten und die Umwelt. Politische Entscheidungen müssen das künftig verhindern“, mahnte Klemens an und nannte das ein wichtiges Kriterium für die Kreuze der Gewerkschaftsmitglieder bei der Bundestagswahl.
Und noch einmal sei der Münchner Verkehrs-Gewerkschafter Cornelius Müller erwähnt: Er spricht aktuell grundsätzlich von „Mobilitätswende“. Denn wer meine, es reiche, in der Verkehrswende Verbrenner-Autos durch E-Mobile zu ersetzen, löse nicht die Aufgabe, per „sozial-ökologischem Umbau Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit zu vereinen“. Genau diesen Titel trug eine ver.di-Veranstaltung am Mittwoch.
Ich habe also noch Hoffnung für die Zukunft.
Denn es gibt Mächte, die nicht der Umwelt schaden wollen. Auch wenn Gewerkschaften nicht die Macht des Geldes haben. Aber sie können solidarische Menschen mobilisieren.