02.08.2019
Runter mit dem Deckel
Der weitere Ausbau der Photovoltaik in Deutschland ist wesentlich davon abhängig, dass der „52 GW-Deckel“ politisch gestrichen wird. Aktuell ist es wieder zu ruhig um diese wichtige Forderung geworden, die die DGS und viele andere Akteure schon seit längerem kritisieren. Doch die Grenze kommt näher - ein Überblick.
Worum es geht: Die Förderung der Photovoltaik-Anlagen in Deutschland erfolgt wesentlich durch die Einspeisevergütung, die ein Betreiber für die Einspeisung des Solarstroms ins Stromnetz erhält. Im Jahr 2000 wurde das EEG eingeführt und damit ein beispielloser PV-Boom ausgelöst. Mit der Änderung des EEG im Jahr 2012 wurde erstmals vom Bundeswirtschaftsminister ein Ende der Förderung eingeführt: Es wurde als maximale Menge der zu fördernden PV-Anlagenleistung, eine Gesamtleistung von 52 Gigawatt (GW) ins Gesetz geschrieben. Dort steht: „Wenn die Summe der installierten Leistung der Solaranlagen [..] 52 000 Megawatt überschreitet, verringern sich die anzulegenden Werte [..] auf null“. Damals lag die 52 GW-Grenze in weitere Ferne, doch langsam rückt dieser Zeitpunkt näher. Und warum sind es gerade 52 GW? Ganz einfach: Diese Zahl von 52 GW wurde im Jahr 2010 als deutsche Ziele für 2020 im Nationalen Aktionsplan für Erneuerbare Energien an die EU gemeldet.
Wann wird die Grenze erreicht?
Laut den aktuell veröffentlichten Marktzahlen der Bundesnetzagentur wurden in den Jahren bis 2010 insgesamt 10,6 GW PV-Leistung aufgebaut, bis Ende 2018 kamen weitere 35,4 GW hinzu. Im ersten Halbjahr 2019 wurden nun 2 GW neu aufgebaut, so dass zum 30.06.19 die Gesamtleistung bei 48 Gigawatt liegt. Wenn nun mit 2 GW pro Halbjahr fortgeschrieben wird, wird der Deckel in 12 Monaten erreicht. Doch das ist nur Theorie. In der Praxis wird sich ein anders Verhalten zeigen: Wird der Deckel nicht zügig abgeschafft, wird eine Rallye beginnen, wie sie früher an Stichtagen der Fördersenkung zum Jahresende schon zu beobachten waren. Es ist zu befürchten, dass viele Projekte schneller gebaut werden sollen, schon Ende dieses und Anfang kommenden Jahres könnte die Nachfrage deutlich steigen. Damit erhöht sich aber die Geschwindigkeit, der Deckel rückt dann noch schneller näher. Und die Konsequenzen? Der Markt könnte verrückt spielen, Lieferzeiten, Preissprünge und Chaos auf den Baustellen sind die Folge. Sicherlich wird auch die Qualität der installierten Anlagen leiden.
Was wäre ohne EEG-Vergütung?
In den vergangenen Monaten gab es einige Berichte von geplanten PV-Anlagen, die auch ohne EEG-Vergütung auskommen. Zum Beispiel projektiert die EnBW derzeit eine Anlage mit über 150 MW in Brandenburg, die in der Öffentlichkeit viel Beachtung erfahren hat, weil sie keine Vergütung benötigt. Doch klar ist: Das sind große Einzelprojekte, von denen auch in Zukunft sicher nur wenige Anlagen realisiert werden können. Bei „kleinen“ Anlagen ist das nicht möglich.
Auch die seit der letzten Intersolar Europe oft erwähnten PPA-Verträge sind nur für Großprojekte geeignet. Bei einem PPA wird ein direkter Abnahmevertrag beispielsweise zwischen einem großen Produktionswerk als Verbraucher und einem PV-Anlagenbetreiber geschlossen. Hier wird inzwischen auch von Banken eine PV-Finanzierung auf Basis eines PPA angeboten, jedoch nur für Anlagen im Multi-MW-Bereich. Für kleinere Anlagen ist auch das Instrument PPA nicht brauchbar.
Viele, vor allem kleinere, Anlagen werden derzeit als Anlagen zur Eigenversorgung errichtet. Ein Teil des Stroms wird dabei gleich direkt im Haus verbraucht und nicht eingespeist. Bei einer üblichen Anlagengröße können rund 30 bis 40 %, bei Einsatz eines Speichers bis zu 70 bis 80 % des Stroms selbst genutzt werden. Umgekehrt betrachtet bedeutet das, dass für eine Wirtschaftlichkeit rund 65 % bzw. 25 % des Stroms noch immer eingespeist und vergütet werden müssen. Gerade für kleine Anlagen, die pro kWp auch deutlich teurer als größere Projekte sind, ist das eine wichtige Stütze der Wirtschaftlichkeit.
Und: Gerade für viele Bürgerenergie-Projekte ist die Eigenversorgung auch keine Option, weil die Projekte entweder auf Gebäuden erreichtet werden, die nur wenig Eigenverbrauch zulassen oder die Belastung der Eigenversorgung mit EEG-Umlage eine Umsetzung wirtschaftlich unmöglich macht. Ohne Einspeisevergütung können viele Bürgerprojekte nicht realisiert werden.
Der Deckel muss weg!
Im Gesetzestext des EEG findet sich noch die folgende Formulierung zur Hoffnung: „Die Bundesregierung legt rechtzeitig vor Erreichung des in Absatz 5 bestimmten Ziels [=52 GW-Deckel] einen Vorschlag für eine Neugestaltung der bisherigen Regelung vor“. Es kann aber nur eine Antwort geben, wann „rechtzeitig“ ist: Jetzt!
Im Februar 2019 begann eine Verbändekooperation mit dem Kampf gegen den Deckel. 15 Verbände (von Mieterbund bis zur Verbraucherzentrale), die den Aufruf erstunterzeichnet haben, stehen für über 100.000 Betriebe und 10 Mio. Bürger, Prof. Volker Quaschning von der HTW Berlin unterstützte mit der Aktion #DerPVDeckelMussWeg, bei der aufgerufen wurde, politischen Entscheidungsträgern unterschiedlichste Deckel zuzusenden, um sie auf das Problem aufmerksam zu machen. Beide Aktionen wurden in der Öffentlichkeit beachtet, haben jedoch noch nicht zum Ziel geführt. Im April 2019 wurde vom Deutschen Bundestag lediglich der Wille zur Überprüfung der 52 GW-Regelung dokumentiert, konkreteres wurde seither nicht bekannt.
Der Druck muss jetzt aufrechterhalten werden: Wenn es die Bundesregierung ernst mit dem Klimaschutz meint, muss in den kommenden Wochen der Deckel gestrichen werden. Eine deutliche Steigerung des PV-Ausbaus in Deutschland ist für den Klimaschutz schlicht unbedingt notwendig. Wir brauchen 400 Gigawatt Solarstrom, nicht nur 52.
Jörg Sutter